Rosenkäfer oder Waldmeister

Der Rosenkäfer, eine Unterfamilie der Blatthornkäfer, ist weltweit verbreitet.
Der Rosenkäfer, eine Unterfamilie der Blatthornkäfer, ist weltweit verbreitet.Ute Woltron
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Ob sie schädlich sind oder nützlich, entscheidet der Käfer, der dahintersteckt. Maikäferlarven sind die Pest, Rosenkäferengerlinge hingegen nützlich – es sei denn, sie leben im Blumentopf.

Mein geliebter und viele Jahre alte Waldmeister in der großen Blumenschale ist hinüber. Es bedurfte keiner tiefen Grabungsarbeit, um die Ursache seines Ablebens herauszufinden: Eine Rosenkäferdame hat offenbar vor Zeiten ihre Eier in der feinkrümeligen Erde oder in einem Stück abgestorbener Pflanze versenkt. Der Nachwuchs in Form fetter Rosenkäferengerlinge ist übers Jahr wohl gediehen und hat sich, als keine anderen Fressereien in Form verrottender Pflanzenteile mehr zu finden waren, gezwungenermaßen über die Wurzeln des armen Waldmeisters hergemacht, was selbstredend keine Pflanze überlebt.

Auch die Nachbarin beklagt Ausfälle in ihrem Topfgarten. Etwa der stattliche und auch schon ein paar Jahre alte Madeirastorchschnabel, von dem man heuer erstmals eine Blüte hätte erwarten können (und Madeirastorchschnabelblüten sind eine Sensation), ist binnen weniger Tage verwelkt und verstorben. Desgleichen ist eine besonders attraktive, bis zu vier Meter hohe Art des Natternkopfs – aus Samen gezogen und erfreulich gut gewachsen – über Nacht von uns gegangen.

Der Grund war stets derselbe: Fette weiße Rosenkäferengerlinge, die nicht aus dem Topf herauskonnten und als letzten Überlebensausweg auf das Abnagen kostbarer Zierpflanzenwurzeln zurückgeworfen waren, was sie in natürlicher Umgebung niemals tun würden. Denn Rosenkäferlarven sind im Gegensatz zu Mai- und Junikäferengerlingen eigentlich Freunde und Gehilfen des Gärtners. Im Kompost beispielsweise zerfressen sie ausschließlich vermoderndes Holz und verrottende Pflanzen. Wer also dieser Tage den Kompost umsetzt und schreckstarr wird angesichts zahlloser großer weißer Engerlinge, kann den Angstschweiß trocknen: Es besteht keine Gefahr.

Echte Plage

Die Juni- und Maikäferlarven hingegen fressen ausschließlich Wurzeln und werden, wenn sie alle paar Jahre in den für sie berühmten Massen auftreten, schon als Engerlinge zur echten Plage, und das nicht nur im Topf. Wer die Käferlarven voneinander unterscheiden will, muss nicht einmal sehr genau hinschauen. Die Rosenkäferengerlinge sind vergleichsweise heller, wesentlich dicker und haben deutlich kürzere Beine als die Maikäferlarven. Wer ganz sicher gehen will, lässt sie gymnastische Übungen machen: Rosenkäferlarven drehen sich auf den Rücken, Maikäferlarven versuchen sich seitlich fortzubewegen. Die haben ja, wie bereits erwähnt, die längeren Beinchen dafür. Auch ist die Wahrscheinlichkeit, Maikäfer im Jugendstadium im Kompost anzutreffen, denkbar gering, denn dort finden sie kaum Nahrung. Die Rosenkäfer hingegen treten daselbst in zum Teil erstaunlichen Mengen auf. Lassen Sie sie leben. Sie sind später mit ihren schillernd grünen Flügeldeckeln und ihrem Bassgebrumm in Flieder, Schleifenblume und Rose majestätische Erscheinungen.

Der Waldmeister hätte als typische Frühlingspflanze demnächst seinen aromatischen Auftritt gehabt, für meinen Geschmack weniger in der berühmten und oft Schädelweh verursachenden Waldmeisterbowle als im giftgrün gefärbten Waldmeisterzucker. Der hält das Aroma bis ins nächste Jahr und seine Herstellung funktioniert, sofern man Waldmeisterbestände ohne Rosenkäferengerlinge über die Runden gebracht hat, folgendermaßen:

Mehrere Handvoll Waldmeister-blätter müssen geerntet und für ein paar Stunden angetrocknet werden. Nur durch diesen Welkeprozess entwickelt sich das charakteristische Aroma. Dann werden die Blätter mit feinem Kristallzucker vermischt und in ein verschließbares Gefäß gefüllt. Am nächsten Tag haben Sie die Wahl. Sind Sie zappelig, schütten Sie den Zucker auf ein Backblech oder in eine Darre und trocknen ihn samt Waldmeisterkraut bei geringer Temperatur. Oder Sie verfügen über die Tugend der Geduld, dann lassen Sie ihn ausgebreitet von selbst trocknen.

Parfümierter Zucker

Sobald alles die Konsistenz von Heu angenommen hat, kommt der parfümierte Zucker in den Mixer und wird feinst pulverisiert. Kleine Mengen lassen sich übrigens am besten in einer dieser altmodischen und vielfältig für die verschiedensten Kräuter- und Gewürzmixereien verwendbaren elektrischen Kaffeemühlen mahlen, in denen der Kaffee nicht neumodisch irgendwo nach unten durchläuft, sondern in einem Minigefäß mittels rotierender Messer feinst gemahlen wird. Die sind nicht mehr so leicht zu kriegen. Selbst Spitzenköche mahlen Gewürzmischungen am liebsten mit der alten Kaffeemühle ihrer Oma und schwören, dass niemals Besseres nachgekommen ist.

Die klassische Maibowle

GaliumOdoratum, das Wohlriechende Labkraut, auch Waldmeister genannt, ist eine mehrjährige heimische Wildpflanze, die am liebsten in feuchtem, nährstoffreichem Boden und an schattiger Stelle und auch im Blumentopf gedeiht. Für das charakteristische Aroma des Waldmeisters ist ein Stoff namens Cumarin verantwortlich, der jedoch nur während des Welkeprozesses freigesetzt wird. Er löst bei manchen Menschen Kopfschmerz aus, wobei man bei der Waldmeisterbowle wohl die Ursache nicht so ganz genau dingfest machen kann. Denn die klassische Maibowle besteht immerhin aus Weißwein und Sekt im Verhältnis zwei zu eins. Zur Aromatisierung verwendet man dem Rezeptbuch zufolge etwa drei bis fünf Gramm für ein paar Stunden angetrocknete Waldmeisterblätter. Prost.

Rosenkäfer. Sie sind eine Unterfamilie der Blatthornkäfer und kommen weltweit in den unterschiedlichsten Färbungen vor. Die heimischen Rosenkäferarten sind alle metallisch glänzend, meist grün bis rosa gefärbt.

Maikäfer. Auch Maikäfer gehören zu den Blatthornkäfern, bilden jedoch eine eigene Gattung und sind – als gefräßiges und alle paar Jahre in Massen auftretendes Getier – vor allem im Weinbau wenig beliebt.

Kurioses. Der Maikäfer war noch bis vor wenigen Jahrzehnten ein in manchen Regionen Europas sehr beliebtes Insektengericht. Er wurde geröstet und zur Suppe verkocht und war darüber hinaus auch kandiert als Nachspeise zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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