Hunderte Glöckchen, bitte

(c) Jolly Janner
  • Drucken

Clematis. Was macht man, wenn man eine Waldrebe haben will, aber der Platz dafür zu trocken ist? Man befleißigt sich eines alten Tricks, der das Wasser direkt zu den Wurzeln geleitet.

Während Sie diese Kolumne lesen, befinde ich mich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit mit Krampen und Spaten bewaffnet an einem ganz bestimmten Platz im Garten. Seit etwa einem Dutzend Jahren stelle ich mir an eben dieser Stelle eine Clematis vor. Eine Clematis alpina, um präzise zu sein, also eine jener Vertreterinnen der großen und komplizierten Familie der Waldreben, die besonders wüchsig sind und hoch hinaus wollen. Diese Art der Clematis überwuchert ganze Bäume, und wenn sie blüht, ist das wie eine im Wind säuselnde Woge aus hunderten Glöckchen, also prachtvoll.

Der Grund, warum sie nicht schon längst dort wuchert, liegt in der Vergangenheit. Jede Clematis will feuchte, fruchtbare Erde um die Wurzeln. Doch genau dort, wo ich sie mir denke, haben die Bauern der vergangenen Jahrhunderte die händisch aus dem Feld geklaubten Steine hingeworfen. Viele Steine. Jahrhundertelang. Wir befinden uns sichtlich in felsiger Gegend. Die Grundgrenze dieses ehemaligen Feldes und nunmehrigen Gartens ist ein einziger Steinwall und denkbar ungünstig für feuchtigkeitsliebende Pflanzen.

Zwar sollte man, wenn man Gewächse einbuddelt, möglichst standortgerecht vorgehen und sie nur an die Orte setzen, an denen sie sich ohne großes Zutun wohlfühlen, denn das spart später Arbeit und Verdruss. Doch für die Clematis gedenke ich, eine Ausnahme zu machen und einen alten Trick anzuwenden. Ich werde erst ein sehr geräumiges Loch graben, was angesichts der Bodenbeschaffenheit zumindest den Vormittag in Anspruch nehmen dürfte. Dieses werde ich sodann mit geschätzten zwei Scheibtruhen voll bester Komposterde und ein paar Handvoll Hornspänen befüllen und dann feierlich die Clematis meiner Wahl in das vorbereitete Bett setzen.

Der Trick mit dem Rohr. Zuvor jedoch, und das ist der springende Punkt, werde ich ein ausgesprochen unansehnliches Installationsrohr aus grauem Kunststoff mit einem Durchmesser von etwa sieben Zentimetern in die richtige Länge sägen und in leicht schrägem Winkel mitsamt der Clematis vergraben. Das obere Ende des Rohres ragt knapp über die Erdoberfläche, sodass dem Betrachter der künftigen Clematisorgie sein Anblick erspart bleibt. Das untere Ende befindet sich jedoch exakt in der Wurzelzone des durstigen Gewächses, sodass die erforderlichen Gießungen durch das Rohr gezielt und ohne Wasser zu verschwenden an die richtige Stelle geleitet werden.

Auf diese Weise hat die Nachbarin bereits den auf der gegenüberliegenden Seite des besagten Steinwalls befindlichen Rosengarten ernährt, der ohne diese Maßnahme niemals hätte gedeihen können. Im ersten Jahr der Pflanzung hatte der Anblick der noch mickrigen Rosenpflanzen mit ihren jeweiligen Gießrohren etwas Klägliches und erinnerte an die schlechten 1970er-Jahre-Kulissen von Raumschiff Enterprise. Möglicherweise ragten die Rohrenden im ersten Versuch noch ein wenig zu hoch heraus, sodass sich der Eindruck eines Retorten-Versuchsgartens eines fernen Planeten einstellte.

Doch binnen weniger Jahre wuchs sich die Angelegenheit zu einem reizenden, gar irdischen Ensemble aus, das zwischenzeitlich dieser ohnehin von Storchschnäbeln aller Art verhüllten Rohre gar nicht mehr bedarf, weil die Rosen bereits so tief wurzeln, dass sie nicht mehr gegossen werden müssen. Vielleicht schafft das meine künftige Clematis auch dereinst, wer weiß, und in ein paar Jahren erübrigt sich die eingegrabene Gießhilfe.

Wollen Sie auch eine Glöckchenwoge in Ihrem Garten oder auf dem Balkon sehen, haben Sie die Qual der Wahl: 297 Wildarten und über 400 Gartensorten umfasst die Familie der Waldreben. Man teilt sie in zwölf Gruppen. Ein Teil der großblütigen Hybriden blüht schon ab Mai am vorjährigen Holz. Sie dürfen im Frühjahr also nicht geschnitten werden. Andere wiederum blühen an diesjährigen Trieben, dafür etwas später. Andere können radikal zurückgeschnitten werden und blühen trotzdem im selben Jahr.

Schneiden, aber richtig. Schlagen Sie sicherheitshalber in den Büchern nach, welcher Art Ihre Pflanze ist, damit sie nicht das Schicksal der wunderbar rosa blühenden Alpina-Clematis der Nachbarin erleidet. Jahrelang ließ diese vergeblich auf die Blütenorgie warten, weil die Nachbarin die Clematis alljährlich im Frühling zurechtstutzte. Ein paar Blüten versprachen zwar, dass es wohl irgendwann einmal etwas mit dem rosa Zauber werden würde, aber dieser ward erst in jenem Jahr entfesselt, als sie das Schneiden aufgab. Seither wogt es meterhoch. So will ich das auch.

Clematis alpina. Die Alpenwaldrebe trägt Glöckchen, wohingegen die Hybridsorten riesige Blütenteller in allen Farben bis auf Gelb entwickeln. Die gelben Sorten sind selten und gehören zur Gruppe der Tangutica-Clematis, auch Goldwaldreben genannt.

Standort. Er muss im Wurzelbereich mit feuchter, fruchtbarer Humuserde aufwarten, gegen oben schätzt die Waldrebe hingegen die Sonne. Das ist absolut logisch, da die Clematis eine zum Licht kletternde Waldpflanze ist.

Rankgerüst. Deshalb benötigt sie auch ein Gerüst oder eine andere kräftigere Pflanze, etwa einen Baum, eine große Rose oder einen Strauch als Kletterhilfe. Mulchen Sie kräftig, das mag sie besonders.

Wenn Sie Ihren Buchs lieb haben und erhalten wollen, müssen Sie jetzt so gut wie täglich Ausschau nach den schwarz-gelb-grün gestreiften Raupen des Buchsbaumzünslers halten. Die Schmetterlingsraupen haben gerade Hochsaison und fressen den Buchs innerhalb von nur wenigen Tagen kahl.

Als Maßnahmen gegen den Schädling stehen z.B. folgende zur Verfügung: biologisches giftfreies Spritzen mit Bacillus thuringiensis, das allerdings rechtzeitig im Kleinräupchenstadium erfolgen muss, mühseliges Abklauben oder die Radikalkur mit dem Kärcher – spritzen Sie die Raupen ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Garten

Grün, nicht schwarz

So soll des Gärtners Daumen sein, und Julia Kospach erklärt in ihrem Buch, wie das geht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.