Zurück zur Wildnis: Die Wiese lebt

Blumenwiese
BlumenwieseDie Presse
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Kampagne. Jeder einzelne Quadratmeter Boden, der nicht versiegelt, fade Rasenfläche oder öde Thujenhecke ist, sondern Blumenwiese, vielfältige Hecke oder eine andere weitgehend naturnahe Angelegenheit sein darf, zählt.

Der österreichische Naturschutzbund hat, gemeinsam mit Partnern wie dem Umweltministerium und den Bundesforsten, gerade eine Kampagne gestartet, die Beachtung und Mitwirkung verdient. Unter dem Motto „Natur verbindet – jeder Quadratmeter zählt!“ wird dazu aufgerufen, in der Kulturlandschaft Österreich doch bitte endlich wieder mehr Wildnis zuzulassen: „Bunte Blumenwiesen, blütenreiche Wegränder, artenreiche Hecken und Waldränder.“

Diese haben, so die Organisatoren, alle eines gemeinsam: „Sie bereichern das Landschaftsbild und schaffen die für die Artenvielfalt so wichtige Verbindung zwischen größeren Naturräumen. Auf diesen Flächen kann sich die Natur entwickeln, Arten können wandern, und es gibt keine Verinselung, ein häufiger Grund für Artenrückgang.“ Gerade diese bunten Lebensräume seien in den vergangenen Jahrzehnten drastisch zurückgegangen, so der Naturschutzbund, und würden zusehends verschwinden.

Feldraine, Streuobstwiesen, wilde Bachufer, bunte Strauchzeilen anstelle öder und weitgehend unbelebter Thujenwände und fader Rasenflächen – das klingt auch nach den Kinderparadiesen einer nicht allzu fernen Vergangenheit, als noch nicht dezimeterhoher Rindenmulch auf eingezäunten Spielplätzen das Maß aller Sicherheitsvorkehrungen und die einsetzende Dämmerung und nicht der Handyanruf das Signal zur Heimkehr war.

Zu den beliebtesten Aufenthaltsorten kleiner Menschen zählten im Sommer damals beispielsweise die sogenannten Heumandln. Die standen allerorten auf den Wiesen herum und boten eine Art Zwischenwohnort für vagabundierende Kinderbanden. Sobald die Wiese gemäht, das Gras getrocknet und zu Heu geworden war, wurde es auf diese simplen Holzgerüste gehängt und bildete ein absolut regenfestes Dach über einem kleinen, überaus gemütlichen Wohnraum.

Die Blumenwiese, die Basis jedes Heumandls, ist ein Universum für Bienen, Käfer, Schmetterlinge und andere Tiere. Sollte Ihr Garten Raum dafür haben, legen Sie unbedingt eine an, und sei es auch eine ganz kleine, denn „jeder Quadratmeter zählt“. Eine Wiese macht viel weniger Arbeit als jede Rasenfläche und ist eine wahre Augenweide. Insbesondere im Mai, Juni, wenn Wiesensalbei, Witwenblumen, Margeriten, Nelken und an die hundert weitere Wildpflanzen blühen, summt und duftet es darin wie im verlorenen Paradies.

Wer in relativer Wildnis gärtnert, braucht nichts weiter zu tun, als das Rasenmähen zugunsten zwei-, höchstens dreimaligen Mähens sein zu lassen, denn die heimischen Pflanzen sät der Wind wie von selbst aus. Nach spätestens zwei, drei Jahren hat sich die Wiese etabliert. Der Abschnitt muss allerdings – und das ist elementar – nach der Mahd entfernt werden. Jede Düngung, und sei es eben durch den verbleibenden Grünschnitt, ist der Wiesenpflanzenvielfalt abträglich. Wildpflanzen brauchen magere Böden, weshalb die Blumenwiese ja auch Magerwiese genannt wird.

Besorgen Sie sich also eine Sense, lernen Sie, diese zu dengeln und zu wetzen, was keine große Affäre darstellt, mähen Sie im Morgentau, da geht das am besten, weil die Halme knackig-steif sind. Dann lasse Sie die Abschnitte liegen und trocknen und holen, je nach Witterung, nach zwei, drei Tagen, das selbst gebaute Heumandlgerüst hervor, das Sie aus nicht zu dicken Rundhölzern zusammengeschraubt haben.

Sie brauchen dazu zwei voneinander unabhängige Dreiecke, die über je drei nach oben hin natürlich immer kürzer werdende Querstreben verfügen. Die äußeren, das Dreieck bildenden Stangen sind unten zwecks besserer Bodenhaftung angespitzt und stehen oben ein wenig über, sodass sich die beiden Dreiecke, in entsprechendem Winkel aneinandergelehnt und durch die Überstände zuoberst gewissermaßen verzahnt, gegenseitig stützen. Das trockene Heu wird büschelweise dicht an dicht über die Querstreben gehängt, wobei man unten beginnt.

Wer allerdings in gepflegterer Rasenumgebung zur Wiese kommen will, sollte der auf der Website der „Natur verbindet“-Kampagne zu findenden Anleitung folgen und anfangs standortgerechtes Saatgut ausbringen, die Fläche also gewissermaßen mit den richtigen Pflanzen impfen. Den Rest erledigt die Natur im Laufe der Zeit von selbst.

Die noch in den 1970er-Jahren allerorten anzutreffenden Heumandln werden absurderweise mittlerweile als „Antiquitäten“ via Internet zum Kauf angeboten. So preist einer zum Beispiel ein klappriges altes Teil als „tolles Deko-Objekt“ an. Das oben beschriebene Heumandl ist typisch für Ostösterreich. In Kärnten verwendet man senkrechte Steher mit horizontalen Auslegern. Das verstanden wir als Kinder gar nicht und hielten es für eine Verschwendung herrlicher Möglichkeiten, denn unter diese Heumandln konnten höchstens die Wiesenkäfer kriechen.

Lexikon

Kampagne.
Alle Infos zur eben gestarteten und über mehrere Jahre geplanten Kampagne samt Downloads, Anleitungen und Anregungen finden Sie auf der Website www.naturverbindet.at

Aufruf.
Aufgerufen mitzutun sind alle, die „Einfluss auf Grund und Boden haben“, also nicht nur private Gärtner, sondern auch Land-, Forstwirte oder Kommunen.

Partner.
Ein solcher ist u.a. auch Umweltminister Andrä Rupprechter: „Eine naturnahe, bunte und vielfältige Kulturlandschaft ist die Grundlage für ein lebenswertes Österreich. Das erreichen wir nur in einer breiten Basis von Naturschutz und Landwirtschaft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

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