Zitrone, in Samt gepackt

Das Australische Zitronenblatt: weich und duftend.
Das Australische Zitronenblatt: weich und duftend.(c) Ute Woltron
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Zitrusaromen. Manche Pflanzen, so sagt man, würden zitroniger duften und schmecken als Zitronen selbst. Das Australische Zitronenblatt ist nur eine von ihnen.

Das Badekleid der Urgroßmutter war nachtblau und mit weißen Pünktchen übersät. Es endete nicht, wie unsere Badehosen, knapp unterm Hintern, sondern verlor sich schürzenhaft irgendwo weiter unten an ihren Oberschenkeln. Auf der anderen Seite wurde es von einem eindrucksvollen Busen solchermaßen in Richtung Firmament gehoben, dass der Uroma, wenn sie in der, ihrem Alter angepassten Behäbigkeit, ins Schwimmbecken stieg und ein paar Längen zog, eine träge, recht tiefe Bugwelle zu folgen pflegte.

Sie war ein stets willkommener Gast im wilden Sommergarten meiner Kindheit, denn erstens verbreitete sie eine solide matronenhafte Zufriedenheit. Zweitens brachte sie die besten Salzburger Nockerln und das zweitbeste Zitroneneis mit. Das meisterhafteste machte allein die Großmutter, die vergleichsweise schmal und später selbst in einem Alter jenseits der 70 noch des eingesprungenen Spagats mächtig war.

Eisveredlung

Ihr Eis war Weltklasse in den 1970er-Jahren. Sie schleppte es in einer pastellfarbenen Kühltasche mit langen Henkeln über den Hügel heran, und die gesamte um das dort befindliche Schwimmbecken versammelte Dorfjugend hüpfte augenblicklich aus den schilfgrünen und von Wasserkäfern bewohnten Fluten und machte sich, in der Wiese und auf Bäumen sitzend, darüber her. Die Eislöffel, die sie mitgebracht hatte, waren vorn vornehm abgeflacht. Wir versenkten sie genießerisch und hatten das Gefühl, der Sommer würde ewig dauern, sein Ende wäre so weit weg wie das andere Ende der Welt, das ohnehin eher in der Zeit als in der Geografie verortet schien.

Nach welcher Rezeptur sie dieses vorzügliche Eis herstellte, ob sie eine eigene Maschine dafür besaß, wie sie es schaffte, praktisch jeden Sommertag den Hügel damit heraufstapfen zu können, weiß keiner mehr. Leider. Denn neben den normalen Zitronen gäbe es heute im selben Garten so viele andere Zitronenaromen für Eisveredelungen, dass das alte Rezept im Lauf des Sommers zahlreiche Varianten durchlaufen könnte.

Aromareige

Meine Großmutter, die alte Gartenhexe, wäre entzückt. Sie könnte den Zitronenaroma-Reigen mit der allseits beliebten Zitronenverbene beginnen, die es übrigens auch in einer orange anmutenden Spielart gibt, die ebenso wuchert. Sie könnte duftiges Zitronengraseis herstellen, was bereits versucht und für großartig befunden wurde. Sie würde die kräftigen, ledrigen Blätter der Kaffir- oder Makrut-Limette zwischen ihren schrundigen Gärtnerinnenfingern reiben und, erfreut über den Duft, möglicherweise eine raffinierte Kombination mit Himbeeren andenken. Sie würde angesichts der zierlichen, stark parfümierten Blättchen der Zitronenmyrte vielleicht ihr ebenfalls unverschämt bekömmliches Pfirsicheis einer weiteren Veredelung unterziehen und einmal mehr das Schwimmbeckenpublikum mit dem Inhalt ihrer Pastelleistasche betören.

Vollends erliegen würde sie dem Australischen Zitronenblatt, das, wie eine, die es befühlen durfte, mit Ehrfurcht vermerkte, eine Art „haptisches Äquivalent zwischen dem luxuriösesten Brokatwams Ludwig des XIV. und den edelsten Cordhosen Oscar Wildes“ darstellt. Samtiger Zitronenduft. Ein langer, heißer Sommer. Und das Beste: Wir stehen erst an seinem Anfang.

lexikon

Australisches Zitronenblatt.Zitronenduftender, großer Plectranthus australischer Provenienz.

Neuseeländische Zitronenmyrte. Der Leptospermum citratum hat möglicherweise das feinste, edelste Zitronenaroma von allen.

Ostindisches Zitronengras.Cymbopogon exaltatus kann nur durch Samen vermehrt werden, Cymbopogon citratus durch Teilung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

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