Adieu, ihr Schönen

Dicht an dicht: So übersteht man die Hitze leichter.
Dicht an dicht: So übersteht man die Hitze leichter.Ute Woltron
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Dürre. Die wird uns samt der Hitze auch in den kommenden Sommern nicht mehr erspart bleiben, doch ein paar simple Maßnahmen werden helfen, mit ihr – ohne gärtnerische Gemütsunruhe – fertigzuwerden.

Durch die gesamten, meiner Erinnerung zufolge eigentlich ziemlich heißen Sommerferien des Jahres 1975 dudelte ein sogenannter Schlager nonstop aus den Kofferradios. Zumindest in den deutschsprachigen Teilen der Welt infizierte der Ohrwurm nachhaltig die Gehirne der Menschen, sodass es kaum jemand bis heute geschafft hat, ihn wieder völlig loszuwerden: Rudi Carrell besang darin den Untergang des Sommers, er geißelte ihn als „nass und sibirisch“ und stellte sehnsuchtsvoll die Frage: „Wann wird's mal wieder richtig Sommer, ein Sommer wie er früher einmal war?“

„Lalalalalalala“ antwortete ein Chor von Badenixen in den knallblauen Fluten eines runden Plastikschwimmbeckens wenig aufschlussreich. Doch tatsächlich folgte die Aufklärung bereits im Jahr darauf. 1976 fegte der Dürresommer des Jahrhunderts über die Lande, die Bauern von Frankreich bis Polen stöhnten, das braune Gras unter den Füßen raschelte, wenn man über vormalige Rasenflächen schritt. „In der heißen Bundesrepublik“, notierte das Wochenmagazin „Der Spiegel“ aufgeregt, verzeichne man neue Hitzerekorde: „In Mainz-Finthen wurden 38 Grad im Schatten gemessen“, und man stellte bange die Frage: „Wann kommt endlich wieder Regen?“

Zwischen diesen beiden Extremen pendelt die Gärtnerseele seit jeher. Die Nachbarin ist eine Meisterin darin. Kaum je befindet sie sich in den ruhigen Zonen dazwischen. Regnet es, klagt sie, der Garten würde „ersaufen“. Scheint die Sonne, umwölkt sich ihre Stirn wegen der Hitze. Dabei sind die rekordverdächtigen 38 Grad im Schatten schon überholt, und Rudi Carrells Ansinnen ist ausreichend beantwortet. Es stellt sich jedoch eine neue Frage, und zwar die nach Art und Beschaffenheit eines Gartens, der derartige Temperaturen und Regenmängel in anschaulichem Zustand und ohne dauergegossen zu werden überleben kann.

Während die Nachbarin und der Nachbar ab etwa halb sechs Uhr morgens in einem bis in die Abendstunden hinein währenden Ringkampf um die Gartenschläuche liegen – der eine will den röchelnden Gemüsegarten wässern, die andere ihre hängenden Staudenbeete retten – habe ich mit leichter Melancholie den Entschluss gefasst, die gegen Hitze und Trockenheit empfindlichsten Gartenschönheiten stillschweigend aufzugeben. Der Garten muss für künftige Sommer so beschaffen sein, dass sein Überleben nicht von täglichem stundenlangen Gießen abhängt.

Mit Trauer und leichter Resignation gebe ich hiermit bekannt, künftig ohne Ligularien und Rodgersien auskommen zu wollen. Adieu auch, Blutweiderich und Gauklerblume, Purpur-Beinwell und so mancher Farn. „Die Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen“, meinte der Schweizer Schriftsteller Max Frisch. Das könnte auch irgendwann in den 1970er-Jahren gewesen sein.

Der selbst angesichts so extremer Sommer weiterhin dem Produktiven verpflichtete Gärtnerblick richtet sich also pointillistisch einerseits auf Gewächse, die solchen Klimabedingungen am ehesten standhalten können, andererseits impressionistisch in großflächig-gesamtheitlicher Betrachtung auf simple Maßnahmen, die jetzt der Reihe nach hier aufgezählt werden. Diese gelten natürlich insbesondere für sehr sonnige, trockenheitsanfällige Gärten.

Erstens: Das Pflanzen vereinzelter kleiner bis mittelgroßer Einzelsträucher mitten oder am Rande des Staudenbeete hat sich in den vergangenen Sommern bereits als erfreulich nützlich und wohltuend für das Kleinklima erwiesen. Durch strategisch positionierte, klein gehaltene oder ohnehin kleinwüchsige Sträucher hat der Staudengarten stellenweise mehr Schatten gewonnen, bekommt immer noch genug Knallsonne, bleibt jedoch länger zumindest andeutungsweise feucht und muss nicht dauergegossen werden.

Zweitens: Überall wo Blütenstauden schön dicht an dicht stehen, muss deutlich weniger gewässert werden. Es braucht anfangs ein bisschen Fingerspitzengefühl für die Höhenabstufung der Stauden, aber erfahrungsgemäß ist mehr in diesem Fall in der Tat mehr, und die Devise beim Setzen muss lauten: Klotzen und nicht kleckern, rein mit vielen, vielen Stauden in die Erde!

Drittens: Jeder Quadratzentimeter nackter Boden ist abzulehnen und muss entweder mit entsprechend trockenheitsresistenten Bodendeckern bepflanzt oder mit dem wohltuenden Allheilmittel, dem Mulch, zugedeckt werden. Niemals darf mit dem Mulch gespart werden, mehrere Zentimeter Dicke dürfen es schon sein.

Bleibt noch die letzte Frage offen, und zwar: Wie waren eigentlich diese vermeintlich untergegangenen Sommer, an die sich Rudi Carrell so sehnsuchtsvoll erinnerte? Zum Beispiel so: „Ein Schaf war damals froh, wenn man es schor.“ Besser kann man das heute wohl auch nicht ausdrücken.

Lexikon

Gießzeit. Die Mär, Wassertropfen würden in der Mittagssonne wie Linsen wirken und Löcher in Blätter brennen, ist längst widerlegt. Lassen Sie sich nichts einreden und gießen Sie, wann Sie wollen.

Gießdauer. Es ist viel besser, lang und durchdringend zu gießen als oft und oberflächlich. Oft gegossene Pflanzen bilden weniger tiefe Wurzeln aus und dürsten dauerhaft.

Gießwasser. Immer noch am besten ist selbstredend das an allen möglichen Hausecken und -enden aufgefangene Regenwasser. Wenn es denn regnete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2015)

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