Der Garten als Werkstatt

Hypertufa für den eigenen Garten kann man recht einfach selbst herstellen.
Hypertufa für den eigenen Garten kann man recht einfach selbst herstellen.(c) Ute Woltron
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Hypertufa. So nennt sich eine Art Kunststein, die jeder ganz einfach selbst herstellen und zu Blumentrögen gießen kann, wenn man einen Platz im Freien und Spaß an der Produktion von ein bisschen Dreck hat.

Der Garten ist nicht nur ein adretter Ort, an dem der Mensch Blumen ziehen und Gemüse anbauen kann. Das wäre ein Missverständnis und eine allzu zivilisierte Verschwendung von Platz. Der Raum unter freiem Himmel dient vielmehr nicht zuletzt als traumhafter Arbeitsraum für Leute, die so richtig fesch Dreck machen wollen, ohne sich um Polstermöbel und Parkettböden zu scheren.

Das ist in der Tat einer der größten und unterschätztesten Vorzüge: Im Freien kann der Mensch mit Materien und Maschinen unbedarft hantieren. Kreissäge und Flex, Farbrührer, Pinsel und Gipsspachtel, Mostpressen und Sauerkrautstampfer. Es fliegen Holz- und Metallspäne, es sabbern Säfte und Farben, es klebt der Leim, und all das ist völlig egal, man kann aus dem Vollen schöpfen, ohne die Einrichtung zu ruinieren, denn es gibt beglückenderweise ja auch den Gartenschlauch. Wer dann auch noch einen überdachten werkstattartigen Platz zur Verfügung hat, ist überhaupt König.

Einen der Höhepunkte brachialen Werkens stellte das Hantieren mit Beton dar. Gesegnet seien die Römer, die den Zement erfanden und damit ihre bewundernswerten Kuppeln und Gewölbe aufschichten konnten. Sie waren in dieser Familie immer schon herzlich bedankt, denn das Betonieren wurde seit Ahnengedenken mit großer Leidenschaft betrieben. Auch, was die Produktion von fürderhin unzerstörbaren Utensilien für den Garten anlangt.

Der eleganteste, immer noch in Betrieb stehende Sonnenschirmständer beispielsweise stammt aus den frühen 1970er-Jahren und wurde von meinem Großvater aus Beton geformt. Er verwendete eine ausgediente Fahrradfelge samt Speichen als verlorene Schalung. Das den Stiel des Schirms aufnehmende Rohr könnte ein Stück alte Wasserleitung sein. Sie waren damals schwer und metallen, sind heute jedoch aus Kunststoff, wie auch die meisten Blumentöpfe, und Letzteres missfällt mir seit Langem, wessentwegen ich mir unlängst die drei lächerlich simplen Zutaten holte, die künftig für Abhilfe sorgen und eine neue Blumentopfära begründen werden: Zement, Sand, Torf.

Daraus lässt sich unter Zugabe von Wasser und ein bisschen Experimentierfreude eine Masse herstellen, die man Hypertufa nennt. Ist sie einmal ausgehärtet, schaut sie aus wie Stein. Aus ihr lassen sich sehr einfach, gleichwohl unter Produktion von doch recht gehörig Dreck, Pflanzgefäße gießen. Das Rezept ist simpel und lautet Daumen mal Pi: Je zwei Teile Zement sowie Torf und drei Teile Sand trocken mischen, mit Wasser abrühren und in die vorbereiteten Formen gießen.

Bei Letzteren sind Ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt, von der mit Plastikfolie ausgekleideten Holzsteige bis zur Teigschüssel kann alles herhalten. Sie brauchen aber natürlich eine zu beschwerende Innenform, die den späteren Hohlraum bildet. Als Trennmittel zwischen Beton und Schalung dient Öl, das großzügig aufgepinselt wird. Nach ungefähr einem Tag wird das Œuvre vorsichtig ausgeschalt und mit einer Drahtbürste behandelt, damit die Oberfläche eine schön raue Struktur erhält.

Patina dank Joghurt. Beton bindet nur ab, wenn er feucht ist, also lassen Sie die Töpfe draußen stehen. Allerdings nicht unbedingt zu kalt, unter sechs Grad streikt normaler Zement. Nach ein paar Tagen ist die Sache durchgehärtet und kann, wenn man schnell eine Patina wie auf uralten moosigen Steintrögen haben will, mit Joghurt bepinselt werden, das beschleunigt den Vorgang erheblich.

Irgendwo da draußen, eingewachsen im Dschungel vormaliger Strauchzeilen, müssen übrigens noch zwei Betonhocker den Weltenlauf überdauern, so ähnlich wie das durch den Zement erst ermöglichte Pantheon, dieses unglaublichste aller Gebäude Roms. Nur deutlich bescheidener natürlich. Sie waren meine ersten Betonwerke. Damals war ich etwa vier. Der Großvater und ich, wir füllten zwei Kübel mit Beton, damit auch die Kleinen standesgemäß im Garten sitzen konnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2015)

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