Es darf weiterblühen

Das Flammende Käthchen Kalanchoe blüht das ganze Jahr über.
Das Flammende Käthchen Kalanchoe blüht das ganze Jahr über.(c) Ute Woltron
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Wem jetzt im Winter so ganz ohne Erde unter den Fingernägeln langweilig wird, dem kann mit winterblühenden Zimmerpflanzenein wenig geholfen werden.

Wenn ich mit einem intellektuellen Freund spreche, festigt sich in mir die Überzeugung, vollkommenes Glück sei ein unerreichbarer Wunschtraum“, sagte der britische Philosoph Bertrand Russell (1872–1970). „Spreche ich dagegen mit meinem Gärtner, bin ich vom Gegenteil überzeugt.“ Doch was machen wir glücklichen Gärtner jetzt im Winter, da draußen so gut wie nichts zu tun ist?

Um gärtnerischen Entzugserscheinungen vorzubeugen, gibt es mehrere Strategien. Eine besteht darin, sich mit guter Gartenliteratur auszustatten, gedankliche Spaziergänge durch die Botanik zu unternehmen und sich endlich wieder einmal fortzubilden. Intellekt muss ja nicht gleich unglücklich machen, außerdem gibt es Zusatzangebote. Eine weitere Methode, der Fadesse der sauberen Fingernägel Herr zu werden, ist das Ziehen von im Winter blühenden Zimmerpflanzen. Sie ist nicht die schlechteste, denn sie beinhaltet all das, was wir gern tun: Pflanzen betrachten, Pflanzen hypnotisieren, Pflanzen in ordentliches Substrat umbetten, Blätter befummeln, Knospen betrachten, Blüten bestaunen.


Weihnachtskaktus. Von im Winter blühenden Pflanzen gibt es zudem zahllose, weil die Erde rund ist und ein Unten und ein Oben hat. Je nach Perspektive natürlich. Wenn oben Winter ist, ist unten Sommer, und Winterblüher wie der Weihnachtskaktus Schlumbergera erfreuen uns mit ihren Blüten nicht anlässlich irgendwelcher Feiertage im Dezember, sondern weil in Brasilien, woher die Sukkulente stammt, jetzt der Sommer ins Land gezogen ist. Das originelle Kakteengewächs aus den Regenwäldern der Küstengebiete steht in dem Ruf, selbst bei all jenen zu gedeihen, die keinen grünen, sondern einen schwarzen Daumen aufweisen. Nur zu viel gießen darf man die reichlich winterblühende Pracht nicht.

Der Weihnachtsstern Euphorbia pulcherrima erfreut sich ebenfalls allgemeiner Beliebtheit in der dunklen Jahreszeit. Er stammt aus Mittel- und Südamerika. Seine roten Blätter sind, wie zwischenzeitlich bekannt sein dürfte, allerdings keine Blüten, sondern schön gefärbte Hochblätter, was egal ist, sie schauen wie riesige Blüten aus. Als Wolfsmilchgewächs verfügt die Pflanze über einen Milchsaft, den man nicht unbedingt auf die Haut und schon gar nicht in die Augen oder auf die Zunge träufeln sollte, weil er zwar nicht giftig, jedoch reizend ist.

Eine ausgezeichnete Blütenpflanze ist auch die Flamingoblume Anthurium. Sie ist etwas aus der Mode gekommen, was schade ist. Denn sie blüht ewig und sehr apart. Bis zu zwei Monate halten die roten, rosa oder cremeweißen Blüten des Aronstabgewächses durch. Sie schauen aus wie mit Lack überzogen – glänzend und ausnehmend farbintensiv. Tipp für das nächste Jahr: Wer der Pflanze im frühen Herbst für ein paar Wochen einen kühlen Standort bei etwa 15 Grad spendiert, wird im Winter mit noch reicherer Blüte belohnt. Das gilt übrigens auch für Zitruspflanzen. Ein kleiner Kälteschock – und schon geht es mit den Blütenknospen los.

Apropos kühl: Das ist auch das Zauberwort im Fall der doch recht anspruchsvollen Azalee-Rhododendron-simsii-Hybriden. Diese fantastischen Geschöpfe zählen mit ihren duftigen rosa, weißen und roten Blütenbüscheln zu den wunderbarsten Blüherinnen des Winters. Am wohlsten fühlen sie sich jedoch bei kühlen Temperaturen um die 15 Grad, also eher nicht in Wohnzimmern, es sei denn, Sie selbst lieben es ebenfalls empfindlich kalt. Nie austrocknen lassen und stets mit entkalktem Wasser gießen.

Die größten Blüten unter dem Winterhimmel treibt der Ritterstern Hippeastrum. Seine Blüten übertreffen an Größe alle anderen: Bis zu spektakuläre 40 Zentimeter Durchmesser erreichen sie. Mittlerweile gibt es zahllose Sorten in vielen Rosa-Rot-Weiß-Creme-Varianten. Nach der Blüte wird bis in den Sommer hinein gedüngt, im Herbst kommt die Pflanze zur Ruhephase an einen kühlen, dunklen Ort. Erst ab November wird sie wieder gegossen und hell gestellt. So behandelt blüht der Ritterstern alle Jahre wieder.


Alpenveilchen Cyclame. Weitere Winterblüher sind das reizende kleine Usambaraveilchen Saintpaulia ionantha, das nie nasse Blätter haben will und deshalb stets über den Untersetzer gegossen werden sollte. Das ebenso wie die Azalee kälteliebende und niemals mit Kalkwasser zu gießende Alpenveilchen Cyclame. Die meisten Orchideen, die jedoch ein eigenes Kapitel wert sind. Die Bromelie Bromelia, die rot, rosa und gelb blüht, nach diesem Spektakel das Zeitliche segnet, zuvor jedoch Kindelpflanzen entwickelt haben dürfte, auf dass die Reise weitergehe.

Zuletzt noch eine Ode an das Flammende Käthchen Kalanchoe: eine dauerblühende, völlig anspruchslose Miniatur mit pink-, rosafarbenen und gelb-weißen Blütensternchen. Nie zu viel gießen, hell stellen, sich an den Dauerblüherinnen erfreuen und den Winter angesichts der Blütenpracht vorüberziehen lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2015)

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