Gartenexperimente: Fakt oder Mythos

Bündeln Wassertropfen Licht und verbrennen die Pflanze? Nein!
Bündeln Wassertropfen Licht und verbrennen die Pflanze? Nein!Ute Woltron
  • Drucken

Düngen und pflegen. Lassen eingegrabene tote Fische Tomatenpflanzen besser wachsen? Soll man mit dem Kochwasser von Gemüse den Salat düngen? Wirkt Bittersalz förderlich für Rosen und andere Gartenblumen? Haben Sie die Antwort?

Die Garteneuphorie verläuft in natürlichen Zyklen, und zwar so: Im späten Herbst verlässt der Gartenmensch sein Reich da draußen dann doch recht gern. Das Jahr des Gärtners war lang. Er ist von Sonne, Wind und Regen gegerbt, sein Leib ist stark geworden, auch der Geist ist vom konzentrierten Arbeiten und von der Zwiesprache mit Vögeln, Regenwürmern, Pflanzen und anderen vergleichsweise angenehmen Kreaturen gekräftigt.

Doch zugleich hat man das ewige Kramen und Tun, wenn man ehrlich ist, auch ein wenig satt. Endlich kommt die Phase des gärtnerischen Nichtsmüssens: außer Tee trinken. Lesen. Ins Feuer starren, ins Kino gehen, sich in Kaffeehäusern herumtreiben, ohne an zu betreuende Geschöpfe denken zu müssen. Auch nicht schlecht.

Diese Periode beginnt euphorisch, dauert jedoch höchstens zwei Monate. Denn kaum ist der letzte Rest Gartenerde aus den Fingernägeln gewachsen, wird es langweilig. Kaum ziehen die ersten frühlingshaften Tage ins Land, entschlüpft der Gärtner seinen vier Wänden wie ein ausgeschlafenes Murmeltier seiner Höhle, eilt hinaus ins Freie, blickt sich zufrieden um und erkennt Handlungsbedarf an allen Ecken und Enden. Komposthaufen müssen umgesetzt werden, Sträucher, Rosen, Stauden gehören geschnitten, der Gemüsegarten sollte für die erste Saat hergerichtet werden. Es findet eine Art Heimkommen statt, und die Vorfreude erstreckt sich bis hinter den Horizont des bevorstehenden Sommers.

Check und Re-Check. Das Lebenselixier des Gärtners ist eben diese frohe Erwartung von Taten aller Art. Die Freude auf Dinge, die sowieso getan werden müssen, auf andere, die man ausprobieren und überprüfen will. Soll man heuer endlich die alten, ewig an denselben Stellen abknickenden Gartenschläuche ersetzen? Soll man jetzt die lang geplante kleine Sitzlaube anlegen und Platz für die neuen Weintraubensorten schaffen? Soll ein neuer Weg gepflastert, ein besonderer Strauch gesetzt oder die Rasenfläche weiter minimiert werden?

Neben diesen Projekten verlocken auch bisher nicht angestellte Experimente, also die Überprüfung von Behauptungen anderer Gartenfexe. Es gibt eine Fülle kolportierter Tricks, und sie klingen oft durchaus plausibel. Doch stimmt es wirklich, was über die segensreichen Wirkungen von Bittersalz an Paradeisern gesagt wird? Ist es richtig, dass zermahlene Eierschalen als Dünger eingesetzt werden können?

Um diese Behauptungen zu überprüfen, müssen vergleichende Studien angestellt werden, und da wir ja viele sind, könnten wir das miteinander tun. Also erfolgt an dieser Stelle der Aufruf an Sie, hochgeschätzte Leserinnen und Leser, Ihre Erfahrungen einzubringen. Wer hat bereits mit Eierschalen gedüngt und gute Erfahrungen damit gemacht? Wer hat mit Bittersalz, also Magnesiumsulfat, tatsächlich besonders süße Tomaten geerntet und die Beobachtung gemacht, dass die Farbe der Rosenblüten damit intensiver wird?

Hier nur eine kleine Auswahl der kolportierten Gartentricks, die ich heuer persönlich überprüfen werde: Eisenmangel kann angeblich durch gelegentliche Güsse mit Wasser, in dem man kontinuierlich eine Handvoll alter Nägel vor sich hin rosten lässt, behoben werden. Hintergrundinfo: Die sogenannte Chlorose – die auch andere Ursachen haben kann – äußert sich in vergilbenden Blättern junger Triebe und tritt vor allem bei Kalküberschuss in Boden und Gießwasser auf.

Einfach zu überprüfen sollte folgender Vorschlag sein: Ein Schuss Wodka in die Vase gekippt soll Schnittblumen länger frisch halten. Ob der Alkohol das Blumenwasser desinfiziert, sodass die Bakterienbildung verzögert wird und die Kapillaren in den Blumenstängeln nicht so schnell verstopfen, wird der Test mittels zweier identischer Blumensträuße rasch zeigen.

Über einen längeren Zeitraum hinweg werde ich eine Reihe Salat mit dem natürlich abgekühlten und nicht gesalzenen Kochwasser von Kartoffeln und anderem Gemüse düngen, denn dieses enthält angeblich hervorragende Düngeeigenschaften aufgrund ausgeschwemmter Nährstoffe. Auf den Vergleich mit einer nicht behandelten Salatzeile gleich daneben bin ich gespannt.

„Krallen“-Leser gefragt. Eine eigenartige Düngemethode soll von den indigenen Völkern Nordamerikas stammen. Sie brachten angeblich schon den Pilgervätern bei, Fischabfälle in die Pflanzgruben von Mais, Tomaten und anderem Gemüse zu werfen, was auch heute von vielen als geniale Methode zur langfristigen Versorgung der Pflanze mit Mineralstoffen aller Art gepriesen wird.

Wir stehen also wieder einmal am Anfang einer spannenden Saison. Sollten Sie zur Aufklärung von falschen und richtigen Mythen beitragen können und wollen, freut sich Ihre „Gartenkralle“ sehr über Erfahrungsberichte unter ute.woltron@diepresse.com.

Lexikon

Gartenmythen.
„Gelassen Gärtnern“ heißt das nun ins Deutsche übersetzte Buch des britischen Gärtners Charles Dowding. Er berichtet darin über „99 Gartenmythen und was von ihnen zu halten ist“. Oekom-Verlag, 14,95 Euro.

Falsch.
Dass das Gießen bei praller Sonne kraft des lichtbündelnden Effekts der Wassertropfen die Blätter verbrennt, ist ein Ammenmärchen.

Richtig.
Auf Dowdings Website www.charlesdowding.co.uk sind beeindruckende Experimentreihen umgegrabener und lediglich gemulchter Gemüsebeete dokumentiert. Jetzt raten Sie, was besser ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.