Frühling für Ungeduldige

 Die schönen Schneerosen haben giftige Wurzeln.
Die schönen Schneerosen haben giftige Wurzeln.(c) Ute Woltron
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Frühblüher. Lang vor den Veilchen, den angeblich frühsten Blumen des Frühlings, tauchen viele andere Frühblüher auf, ohne die überwinterte Insekten wie Bienen und Hummelköniginnen glatt verhungern würden.

Der heute fast vergessene deutsche Komponist und Liedtexter Carl Heinrich Carsten Reinecke (1824 – 1910) ist eindeutig schuld an der weit verbreiteten Annahme, das Veilchen sei die allererste Blume des Frühlings. Er schrieb und textete das altbekannte Kinderlied vom kleinen Veilchen, das „den Blumen all voran“ geht, doch heißt es wohl nur um des Reimes willen so. In Wirklichkeit ist es natürlich ganz anders, wie wir Ungeduldigen wissen, die wir genau beobachten, was sich im Freien tut. Denn Vieles blüht schon wochenlang vor den Veilchen.

Damit im Garten der Frühling künftig schon sehr früh Einzug hält, eigentlich schon im Jänner, sollte man also folgende nun der Reihe nach vorgestellten Blütepflanzen ansiedeln. Das verlängert die Saison und wärmt das Gärtnerherz bereits im Frost, und es ernährt vor allem Bienen und andere Insekten zu einer Zeit, in der das Nahrungsangebot recht knapp ist.


Frühreif.Verlässliche Frühblüherinnen sind die guten alten Bauerngartenpflanzen Schneerose, Helleborus niger, sowie ihre nächste Verwandte, die Orientalische Nieswurz, Helleborus orientalis. Die beiden blühen in warmen Wintern mitunter sogar schon im Dezember und sind äußerst frosthart. Die unverwüstlichen immergrünen Geschöpfe schätzen eher die schattigen Stellen und säen sich selbst kräftig aus, wenn man die Blüten nicht abschneidet, sondern Samen ausreifen lässt.

Wer sich sowohl weiße als auch rosa oder gar schwarzlila gefärbte Schneerosensorten besorgt und nebeneinander pflanzt, sodann die Bienen gewähren lässt und ein paar Jahre Geduld aufbringt, wird, frei nach den Mendelschen Gesetzen, die wildesten Blütenfarbenkombinationen zu sehen bekommen: weiß mit dunkellila Tüpfeln, rosa mit hellen Adern, creme mit violettem Auge und so weiter. Die Schneerosen blühen wochenlang und sind immer ein besonderer Anblick. Pflanzen Sie sie in Gruppen, denn außerdem bedecken sie mit ihrem dunkelgrün-ledrigen Laub ansonsten unansehnliche winterkahle Stellen. Auch das kann als Vorteil betrachtet werden.

Ebenfalls schon lange vor den ersten Veilchen tauchen die fast ebenso kleinen, doch strahlend blau gefärbten Leberblümchen, Anemone hepatica, auf. Möglicherweise sind die Winzlinge überhaupt die schönsten Frühblüher, doch bemerkt das nur, wer sich der Mühe unterzieht, vor ihnen in die Knie zu gehen und die wie ein Katzenbärtchen gesträubten weißen Staubgefäßkrönchen der Blüten genauer ins Visier zu nehmen. Feine weiße Sterne auf himmelblauem Grund. Das Leberblümchen bevorzugt ebenfalls den Halbschatten und fühlt sich dort am wohlsten, wo es vom schützenden Laub des Herbstes bedeckt über den Winter kommen darf.

Zu einer weitaus größer gewachsenen spätwinterlichen Sensation kann der Duft- oder Winterschneeball, Viburnum farreri, heranreifen. Der Strauch wird, wenn man ihn nicht durch regelmäßigen Schnitt im Zaum hält, bis zu vier Meter hoch und gehört der Familie der Moschuskrautgewächse an – und so duftet er auch. Einsam und allein, während rundherum gelegentlich noch die Schneeflocken tanzen. Die rosa-büscheligen Blüten sind zwar auch ganz hübsch anzuschauen, doch das Tollste an dieser Pflanze ist und bleibt der außerordentlich starke süße Duft, der weithin durch den Garten weht.

Das Schneeglöckchen und ihre etwas gröber gebaute Cousine, die Frühlingsknotenblume, dürfen ebenfalls nicht unerwähnt bleiben, sollten allerdings ohnehin sattsam bekannt sein. Auch der Krokus blüht in Weiß, Gelb, Lila und gestreift schon lang vor den Veilchen und ist eine beliebte Jausenstation der Bienen, wenn sie ihre ersten Reinigungsflüge nach dem Winter unternehmen. Extrem früh in der Saison tauchen auch die großen Sammelblüten der diversen Pestwurz-Sorten auf, die zuerst knapp über dem Erdboden sonderbar geformte kugelige Blüten entwickeln und erst viel später dann ihre Blätter nachschießen. Die Zierform der Pestwurz stammt aus Japan, trägt hellgrün-weiß panaschierte huflattichartige Blätter und schaut nur dort schön aus, wo der Boden feucht ist und Halbschatten bis Schatten regieren. Steht er zu trocken oder zu sonnig, schlappen die Blätter unweigerlich, und das ist recht unschön.

Bunte Blumen. Weiter mit den Blüten: Der Winterling wird seinem Namen sowieso gerecht, er bricht oft sogar durch die Schneedecke, um gelbe Blüten zu treiben. Und die diversen Sorten der Zwergiris sind auch nicht zu verachten, sie stehen einsam und verlassen ab Februar im Blumenbeet, auch wenn sich rundum erst sehr wenig bis gar nichts rührt. Zeitgleich mit den Veilchen kommen sodann die Märzenbecher, die Narzissen, die Adonisröschen, Küchenschellen, Persischer Ehrenpreis, Gänseblümchen, Lungenkraut, Vogelmiere und so weiter. Ein sicheres Anzeichen für den nahenden Frühling sind auch die früh aktiven Dirndlsträucher an den Waldrändern. Sie blühen ebenfalls lang bevor sie ihr Laub entwickeln und heben sich weithin leuchtend gelb vom Dunkel des Forstes ab.

Kurz noch einmal zurück zur Schneerose. Sie hat noch eine Verwandte, die entdeckt werden sollte: Die von den einen Stinkende Nieswurz genannte, von den anderen etwas milder als Palmblättrige Nieswurz titulierte Helleborus foetidus blüht ebenfalls sehr zeitig und erreicht erstaunliche Dimensionen für eine Frühblüherin. Bis zu 60 Zentimeter hoch werden die von Insekten überaus geschätzten Blütenstände. Wer besonders dicke Hummeln dabei beobachtet, wie sie kopfüber in die hängenden Blütenglocken eintauchen, betrachtet die überwinterten Hummelköniginnen bei der ersten Jause. Schon allein für sie könnte man die große Blume ja in den Garten holen.

Lexikon

Helleborus.
Hier herrscht gern eine Namensverwirrung, denn alle drei Genannten gehören der Familie der Hahnenfußgewächse und weiters der Gattung Nieswurz, also Helleborus, an.

Giftigkeit.
Schneerosen sind schön, aber giftig, insbesondere ihre Wurzeln enthalten das Gift Hellebrin. Früher wurde der zerriebene Wurzelstock der Pflanze als Niespulver verwendet.

Frühblüher.
Insbesondere für die Bienen sind früh blühende Pflanzen als sogenannte „Tracht“ sogar überlebenswichtig. Ihre Pollen dienen der nun rasch herangezogenen Bienenbrut als Nahrung, der Nektar nährt dann auch noch die fleißigen Bienen selbst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2016)

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