Faulbäume für Falter

Wer Zitronenfalter erblicken will, sollte Faulbäume setzen.
Wer Zitronenfalter erblicken will, sollte Faulbäume setzen.Ute Woltron
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Biotope. Faulbäume für Zitronenfalter, Wiesen für Glühwürmchen. Wer gelbes Gaukeln im Vorfrühling und leuchtendes Irrlichtern in warmen Sommernächten sehen will, kann einiges dafür tun.

Die Zitronenfaltersichtungen des heurigen Vorfrühlings häufen sich in unseren nachbarlichen Gärten: Die oft schon bei Tauwetter gesichteten Schmetterlinge sind natürlich nicht frisch geschlüpft, sondern haben als einzige mitteleuropäische Falterart den Winter ungeschützt in Laub und auf Zweigen sitzend überdauert. Nun fliegen sie wieder – und hier in doch vergleichsweise auffällig großer Zahl.

Das könnte auf eine vor ein paar Jahren erfolgte Initiative zurückgehen, über die sich die erwachsenen Zitronenfalter spätestens im April freuen werden, wenn sie ihre Eier in die raren, von ihnen bevorzugten Gewächse ablegen können. Verantwortlich dafür ist der Verein Regionale Gehölzvermehrung. Er gab damals folgende interessante Zusammenhänge auf seiner Website bekannt: Auf den beliebten Heckentagen bekomme man, „wonach sich ein Zitronenfalter sehnt: Faulbäume und Kreuzdorne. Nur diese beiden Arten werden von den Raupen des Falters als Futterpflanzen angenommen. Das Problem: Die beiden Gehölzarten fehlen heute in praktisch allen Gärten. Wenn man Zitronenfalter als erste Frühjahrsboten der Insektenwelt sehen möchte, muss man ihnen mit Faulbaum oder Kreuzdorn aushelfen, das steigert ihre Chancen erheblich.“

Da der Faulbaum Frangula alnus kaum je höher als drei, vier Meter wächst und recht hübsch ist, befand ich die hiesige gärtnerische Situation als faulbaumtauglich und erwarb ein halbes Dutzend kleiner Exemplare bei besagtem Heckentag mit dem Hintergedanken, einen Teil davon auch den Nachbarn unterzujubeln. Schließlich ist der Zitronenfalter eine Schönheit und zu selten, und außerdem sind Nachbarn Verbündete.

Sie sträubten sich auch gar nicht lang, nahmen die Faulbäumchen willig entgegen und gruben sie zwischen den anderen Sträuchern entlang ihrer Gartenzäune ein. So lobt man sich das. Aufgrund dieses Erfolgs rufe ich nun die nächste Initiative aus. Sie wird sich den Glühwürmchen zuwenden, und da der Mensch dazu neigt, in allem einen tieferen Sinn sehen zu wollen, wird es noch einfacher sein, Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn die Leuchtkäfer haben eine bestechende Eigenschaft, die ihnen viele Freunde unter Salat- und anderen Gärtnern verschaffen dürfte: Ihre Larven ernähren sich von Schnecken.

Drei Glühwürmchenarten besiedeln die Wiesen- und Aulandschaften Mitteleuropas: Kleiner, Großer sowie Kurzflügel-Leuchtkäfer. Nicht die erwachsenen Käfer, sondern ihre Larven sind die Schneckenvertilger: Sie erlegen die Mollusken mittels mehrerer Giftbisse und fressen sich über die nächsten eineinhalb Tage daran so satt, dass sie ihr Volumen vervielfachen. Das tun sie immer wieder und über einen erstaunlich langen Zeitraum hinweg: Erst im vierten Lebensjahr verpuppen sich die Räuber im späten Frühling, um etwa zehn Tage später als Käfer in Frühsommernächten ihr kurzes, leuchtendes Spektakel zu tanzen.

So wie die Zitronenfalter ihre Faulbäume, so brauchen auch Glühwürmchen den geeigneten Lebensraum. An Schnecken mangelt es kaum, für Nahrung ist also gesorgt. Doch was es in dichter verbauten Gebieten zu wenig gibt, ist die Wiese, diese Oase für Insekten aller Art. In kurz und oft geschnittenem Rasen leben keine Glühwürmchen. Aufgrund ihrer mehrjährigen Entwicklung brauchen die Insekten vielmehr eine kleinteilige Landschaft mit Strauchzonen, Laubhaufen und eben diesen Wiesen, die nur zweimal jährlich mit der Sense geschnitten werden. Ein paar Quadratmeter sollten sich doch in vielen Gärten ausgehen, oder?

Insbesondere zur Flugzeit im Juni, Juli sollte auch die Außenbeleuchtung möglichst sparsam eingesetzt werden, damit die Männchen auf Frauensuche außer Konkurrenz balzen können. Ein von Glühwürmchen durchtanzter Nachtgarten ist jedenfalls ein Traum. Bitte, erfüllen Sie ihn doch.

Lexikon

Leuchtkäfer.
Das Große und das Kleine Glühwürmchen sind die hierzulande verbreitetsten Leuchtkäferarten. Sie leuchten nur für kurze Zeit von Juni bis Mitte Juli.

Blinkkarte. Die Umweltberatung erfasst seit einiger Zeit Glühwürmchensichtungen in einer Glühwürmchen-Blinkkarte. Infos: www.umweltberatung.at.

Pestizide. Dass Pestizide das Funkeln augenblicklich und gründlich beenden, sollte eigentlich klar sein. Nur wo die Umwelt giftfrei intakt ist, können Glühwürmchen leuchten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2016)

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