Goldfelberich in Rosa

Der Goldfelberich Alexander ist im Gegensatz zu anderen Sorten, die alles überwuchern, harmlos.
Der Goldfelberich Alexander ist im Gegensatz zu anderen Sorten, die alles überwuchern, harmlos.Ute Woltron
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Lysimachia. Manche Pflanzen sollten nur mit einem Warnhinweis ausgefolgt werden. Achtung, gefährliche Bestie. Käfighaltung empfohlen. Eine davon ist der Punktierte Gilbweiderich.

Das Pflanzentauschen und -verschenken unter Gartenmenschen ist eine beliebte und erfreuliche Beschäftigung des Frühlings. Sie kostet nichts und macht allen Spaß. Derzeit ist das Herumschleppen von Wannen voller Grünzeug von Garten zu Garten voll im Gange, und mitunter begegnet man auch sehr langsam fahrenden Autos mit offenem Kofferraum, in deren Inneren der Mensch zwischen Blattwerk kaum auszumachen ist. Ein gut eingewachsener Staudengarten wirft eben Massen an Nachwuchs ab, und der muss sowieso ausgelichtet, ausgestochen und umgepflanzt werden.

Mehrere Aspekte kommen dabei zum Tragen. Einerseits ein fast schon schrulliges Verantwortungsgefühl den Entwurzelten gegenüber, das natürlich ans Lachhafte grenzt, doch warum sollte man all die kleinen Pflänzchen auf den Kompost werfen, wenn sie andernorts wuchern können und jemandem Freude machen? Andererseits entsteht auf diese Weise ein angenehmes Netzwerk assoziierter Gartenfexe, die sich gegenseitig immer wieder auch Raritäten quasi über den Gartenzaun zuwerfen, an die man im normalen Gartenhandel nicht so leicht herankommt. Seltene Taglilien beispielsweise oder ausgefallene Storchschnäbel. Besonders reizende Phloxe und in der Toskana ergatterte Duftfunkien.


Trojanische Pferde. Manche Gabe jedoch erweist sich über die Jahre als Danaergeschenk. Aus dem trojanischen Pferd so manchen Blumentopfes krochen Pflanzen in diesen Garten, die ihn, wäre man irgendwann einmal gegen sie in die Schlacht gezogen, vollständig erobert und überwuchert hätten. Einige erwiesen sich als schlau. Sie lauern immer noch im Untergrund, brechen dann und wann hervor und müssen sofort gebändigt werden, will man nicht in ihnen untergehen.

Deshalb erkundige sich sehr genau über die Gepflogenheiten neuer Schützlinge, wer Pflanzengaben entgegennimmt. Manche von ihnen sollten nur mit einem Warnhinweis ausgefolgt werden: Achtung, gefährliche Bestie. Käfighaltung empfohlen.

Einer der ärgsten Wucheranten kam aus der Steiermark. Sein Name: Goldfelberich. Im damals frisch angelegten, recht kahlen Garten konnte man seine helle Freude an seinen gelben Blüten haben, denn er bemächtigte sich sogleich eines ohnehin schwierig zu bepflanzenden und noch dazu mit schlechter Erde ausgestatteten Abhangs. Nachdem er den binnen eines Jahres über viele Quadratmeter hinweg überwuchert hatte, konnten einem schon Bedenken kommen, wie das weitergehen würde. Doch so schön wie er war, durfte er vorerst bleiben.

Nach einem weiteren Jahr gab es ein Goldfelberichfeld, das alles begrub, was noch dazu gepflanzt worden war. Wer jemals Goldfelberich gerodet hat, weiß, dass das in steinigem Untergrund nicht lustig ist. Bis heute, ein Dutzend Jahre später, ist er stellenweise unbesiegt und drängt sich immer wieder an den unmöglichsten Stellen zwischen anderen Stauden hervor.

Neulich begab ich mich zu jenem, der ihn mir damals anvertraute. Ich kam nicht ohne Gastgeschenk und überreichte es in Form eines niedlichen Pflanzenablegers. Als er ihn begutachtete, erbleichte er und meinte mit belegter Stimme: „Jö, ein Felberich!“ „Ja“, sagte ich, „doch ein besonderer, ein rosa-weiß panaschierter, der im Gegensatz zu demjenigen, den du mir schenktest und der mein Haupthaar ergrauen ließ, nicht zum Wuchern neigt.“ Ich erfuhr, dass der Goldfelberich-Mann in seinem eigenen Garten ebenfalls die Nerven weggeschmissen und dem Felberich komplett den Garaus gemacht hatte.

Irgendwann bekam ich wieder einmal eine sehr ansehnliche Pflanze geschenkt: dunkellila, fast schwarzes Blattwerk, darüber goldgelbe Blüten. Ich hätte es wissen müssen. Im Vergleich zu dieser Bestie ist der Goldfelberich ein Kätzchen. Jahre später, nachdem ich Saison für Saison mit den meterlangen unterirdischen Ausläufern der dunklen Schönheit gerungen hatte – und übrigens immer noch ringe –, entdeckte ich erst das verwandtschaftliche Verhältnis der beiden.

Mein Goldfelberich ist tatsächlich ein Punktierter Gilbweiderich, Lysimachia punctata. Der fast schwarze Kollege ein Bronze-Felberich, Lysimachia ciliata, wahrscheinlich die Sorte Firecracker. Ein Böller also. Ja, das passt.

Zurück zum Gastgeschenk für den Goldfelberichmann: Hierbei handelt es sich um eine harmlosere Variante, und zwar um den Weißbunten Gold-Felberich, Sorte Alexander. Aufgrund seines Namens würde man ihm zwar auch Eroberungstalente zutrauen, doch erweist er sich als gemäßigt, was das Wuchern anlangt. Er ist eine sehr freundliche Pflanze. Er treibt in hübschem Rosa aus, wird über die Wochen, wenn er sich in die Höhe streckt, grün-weiß und blüht ab Juni in goldigem Gelb.

Lysimachia. Der Goldfelberich (auch Pfennigkraut), von dem es zahllose Arten und Sorten gibt, ist ein robustes Gewächs, das praktisch überall gedeiht, am besten jedoch in voller Sonne und auf gut gedüngtem Boden.

Bronze-Felberich. Vor ihm kann nur gewarnt werden, er durchdringt unterirdisch Wurzelstöcke, breitet sich rasant aus und ist kaum mehr einzufangen. Da er sehr schön ist, sollte man ihm aber einen Platz im Blumentopf geben, den man eingraben kann.

Alexander. Diese Sorte ist panaschiert, also gefleckt, und die wächst prinzipiell nicht so üppig und schnell wie die nicht gescheckten Verwandten. Schon allein deshalb ist ihr der Vorzug zu geben. Der rosa Frühlingsaustrieb spricht ebenfalls für sie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2016)

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