Wie man mit Bäumen in der Stadt umgeht

Ute Woltron
Ute WoltronAuch bei Befall: Auf einen Schlag abholzen sollte man Alleen nicht.
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Die Pflege von Stadtbäumen ist Sache von Hausverwaltungen, Hausgemeinschaften, vor allem aber der Gemeinde selbst – und die Unterschiede können ganze Holzschnitzelwerke füllen.

Als in einem dieser schönen vogelzwitschernden Wiener Innenhöfe der alles beherrschende Götterbaum vom Sturm so arg gebeutelt worden war, dass er gefällt werden musste, trat die Hausgemeinschaft in Trauer zusammen. Der langjährige Begleiter, immerhin eine im wahrsten Sinn des Wortes zentrale, sozusagen überragende Persönlichkeit, wurde entsprechend gewürdigt, doch man gedachte seiner doch auch mit gemischten Gefühlen.

Die Bewohner der oberen Stockwerke waren traurig, weil ihnen der Vogelgesang nun nicht mehr direkt vor das Fenster gereicht wurde, während darüber die Sonne strahlte. Die Bewohner der unteren Regionen beklagten zwar ebenfalls die plötzliche Kahlheit des Hofes, waren aber insgeheim doch auch ganz froh über den Abgang des großen Baumes, weil nun auch sie endlich eben diese Sonne wieder zu Gesicht bekommen durften.

Der Baum, darin herrschte Einigkeit, musste ersetzt werden. Doch die Frage, durch welche Baumart, erwies sich als basisdemokratische Herausforderung. Die ins Treffen geführten Buchen oder Linden wurden von den zuoberst Residierenden wegen zu langsamen Wuchses abgelehnt. Eine Birke, die sowohl den Unteren als auch den Oberen gefallen hätte, weil ihr lichtes Blattwerk niemals eine Düsternis erzeugt, so wie die schirmförmig wachsenden Götterbäume das tun, hätte es zu trocken gehabt.


Von Unarten der Pappeln. Fichten stießen wegen eben dieses Belichtungsfaktors ebenfalls auf Widerstand: zu finster, zu dicht. Obstbäume hätten jenen mit Kindern gefallen, doch sie wären zu niedrig geblieben. Pappeln wiederum wären zwar recht schnell hoch geworden und hätten auch schattentechnisch funktioniert, doch ihre Unart, massenhaft Früchte mittels dichter wolliger Flauschehaare dem Wind und somit auch den Wohnzimmern zu überantworten, ließ die Hausgemeinschaft von ihr Abstand nehmen.

Man pflanzte schließlich eine Eberesche. Sie ist anspruchslos, was Boden und Wasserversorgung betrifft, wächst zwar nicht so hurtig wie die aus vielen anderen Gründen ohnehin abzulehnenden Götterbäume, aber doch recht schnell, erreicht Höhen von bis zu zwölf Metern, bleibt dabei eher zierlich und beschattet den Hof nicht übermäßig. Im Herbst trägt sie eine der Lieblingsspeisen vieler Vogelarten in Form schöner rot-orangefarbener Früchte, sodass auch der Vogelgesang gesichert ist.

Eine scheinbare Nebensächlichkeit wie ein Baum kann also ein wichtiger Faktor im Leben der Menschen sein. Gerade in der Stadt spielen Bäume eine derart tragende Rolle, das hält man gar nicht für möglich. Doch werden sie – noch – oft zu wenig geschätzt.

Als in einer niederösterreichischen Gemeinde eine chronisch von der Miniermotte befallene, jedoch alte und sehr schöne Kastanienallee an einem einzigen Tag von vorn bis hinten abgeholzt wurde, herrschte Fassungslosigkeit unter den Anwohnern. Manche weinten. Die Stadtverantwortlichen begründeten diesen Akt der Barbarei damit, dass sie die Allee ja ohnehin wieder mit mottenresistenten Kastanienarten aufforsten würden. Ja. Eh. Doch es wird Jahre dauern, bis der Straßenzug wieder halbwegs beschattet wird und nach etwas aussieht. In der Nachbargemeinde drei Kilometer weiter ging man klüger vor. Dort wurden zwar auch Kastanien geschlägert und durch die miniermottenfreie Art ersetzt, doch verteilte man die Schlägereien über mehrere Jahre, fällte stets nur einzelne Bäume und pflanzte sofort nach. Die Kleinen gedeihen nun gut im Schatten der Großen und wachsen auch schneller, und es entstand nie eine betonwüstenartige Schlucht.


Baum mit geringem Stellenwert. Doch zurück zu den Nachbarn: Dort scheint, wie in vielen anderen Gemeinden auch, der Baum keinen Stellenwert zu haben, außer dem, ein Ärgernis und Sicherheitsrisiko zu sein. Das Abholzen uralter Bäume am Schwarza-Ufer vor einigen Jahren, begründet mit beginnender Vermorschung und damit öffentlicher Gefährdung, ließ Autofahrer Vollbremsungen einlegen, so grauenhaft war der Anblick. Bei näherer Betrachtung der Baumstümpfe war genau nichts von morsch zu sehen, und die Unterstellung, man habe die großen Prachtbäume gefällt, um sich die Kosten einer behutsameren und natürlich wesentlich teureren und aufwendigeren Baumpflege zu ersparen, ist möglicherweise gar keine.

Dieser Tage wurde dieselbe Straße ein paar Hundert Meter weiter nun ebenfalls völlig abgesichert. Die mageren, weil anscheinend jahrelang ohnehin nur noch vom Himmelvater gepflegten Blumenrabatten inmitten der auch zuvor schon autobahnartigen Ödnis wurden erfolgreich beseitigt und durch Pflasterung ersetzt. Man darf sich künftig vorstellen, wie das alles mit ein paar Sträuchern oder anderem Grünzeug ausgeschaut hätte.

Lexikon

Götterbaum. Er ist abzulehnen, wo auch immer er steht. Die invasive Baumart aus China, die zur Seidenraupenzucht nach Europa gebracht wurde, sät sich extrem aus, wächst schnell und bedrängt heimische Baumgemeinschaften.

Baumkontrolle. Natürlich ist auch zu erwähnen, dass Bäume im öffentlichen Raum per Gesetz regelmäßig kontrolliert werden müssen und somit einen Kostenfaktor für Kommunen darstellen.
Ökologie. Der Wert von Stadtbäumen ist jedoch nicht in Gold aufzuwiegen. Sie nehmen CO2 auf, filtern Staub und Luftverunreinigungen, sorgen für Luftfeuchte und Abkühlung, bremsen den Wind, sind Lebensraum und – nicht zuletzt – schön.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2016)

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