Bohnenkräuter: Nicht nur für Bohnen

Bergbohnenkraut schmeckt nicht nur zu Bohnengerichten.
Bergbohnenkraut schmeckt nicht nur zu Bohnengerichten.(c) Ute Woltron
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Diese unterschätzten, einfach zu ziehenden und sehr ansehnlichen Würzkräuter nur für Bohnengerichte zu verwenden wäre eine Verschwendung – insbesondere, wenn man aus einer reichen Sortenvielfalt schöpfen kann.

Sommerende. Herbstbeginn. Lange Schatten und die Zeit der Spinnen. Überall rennt man derzeit an den zwischen Sträuchern und Stauden gespannten Netzen an. In zerstreuten Momenten ertappt man sich beim Murmeln von Entschuldigungen, weil solch ein Netz zu spinnen doch recht viel Arbeit ist für so ein kleines Tier, und was soll es denn jetzt fressen? Beängstigend. Möglicherweise erste Anzeichen des gegen Saisonende auftretenden leichten, doch zum Glück vorübergehenden Irrsinns. Goldene Sonnenfinger streicheln den müde gewordenen Garten. Wir passen derzeit gut zusammen, wir sind beide ausgelaugt.

Die Saison war ausnahmsweise wirklich anstrengend. Die Nachbarin sieht das genauso. Wir lehnen an den Rechen, blicken uns um und sind einer Meinung: Es ist schön, dass nun bald die Phase der Faulheit anbrechen und der Rechen für ein paar Monate in die Gartenhütte wandern wird. Vieles musste doppelt bis dreifach erledigt werden in diesem Jahr der späten Fröste und der wachstumsfördernden Dauergüsse.

Das gehört dazu, aber jetzt werden wir es dann auch bereitwillig wieder gut sein und der Emsigkeit die umso mehr genossene Faulheit folgen lassen. Denn, so bekräftigte bereits Heraklit: „Nicht gut ist, dass sich alles erfüllt, was du wünschest: Durch Krankheit erkennst du den Wert der Gesundheit, am Bösen den Wert des Guten, durch Hunger die Sättigung, in der Anstrengung den Wert der Ruhe.“ Wie wahr!

Satureja hortensis. Zwar sind in den heurigen Regenfluten neben den Paradeisern, den Kartoffeln, den Zucchini und vielen anderen guten Dingen auch die Bohnen großteils ertrunken, doch zumindest die über die Jahre zusammengetragene Selektion verschiedener Bohnenkräuter hat sich im explizit an sonniger, karger und entsprechend schnell abtrocknender Stelle angelegten Kräutergarten erstaunlich gut gehalten. Um die geht es jetzt auch, denn der Mensch muss unbedingt das Positive in den Vordergrund rücken, um einen reinen, frischen Geist zu erhalten, alles andere wäre Zeitverschwendung.

Das Bohnenkraut ist eines der herrlichsten Gewürzkräuter überhaupt, und seine Verwendung auf Bohnengerichte zu beschränken wäre eine ungerechte Schmälerung seiner kulinarischen Bandbreite. Die meisten Bohnenkräuterarten sind in Süd- und Südosteuropa heimisch, sowie im Mittleren Osten und in Nordafrika. Es gibt nicht nur das hierzulande bekannte einjährige Gartenbohnenkraut, Satureja hortensis, auch unter den Namen Sommer- und Echtes Bohnenkraut bekannt, sondern eine unüberschaubare Vielzahl von zu entdeckenden Sorten. Die variieren sowohl in Aussehen, Größe als auch im Geschmack. Apropos: Der ist natürlich unbeschreiblich, doch neigt er sich in jedem Fall in Richtung Thymian, verfügt jedoch immer auch über eine pfeffrige, kräftige Note. Das zweite hierzulande ebenfalls recht bekannte Bohnenkraut ist das ausdauernde Winter- oder Bergbohnenkraut, Satureja montana. Das schmeckt etwas intensiver als die Sommervariante. Richtig interessant werden die vergleichenden Studien mit den unterschiedlichen Sorten.

So mischt sich im Fall des Zitronen-Bergbohnenkrauts, Satureja montana var. citriodora, auch ein feiner Zitrusduft ins Bukett, der an eine – botanisch natürlich nicht bestehende – Verwandtschaft mit dem Zitronenthymian denken lässt. Im Gegensatz zum zierlicheren, weiß blühenden zitronigen Vertreter blüht das Zwergbergbohnenkraut, Satureja montana ssp. illyrica, in einem sehr dekorativ-kräftigen Violett, was den höchstens 20 Zentimeter hoch wachsenden Kräuterwinzling auch zu einer ausgezeichneten Pflanze für Steingärten, Pflanzschalen und Balkonkistchen macht.

Trocken, warm, sonnig mögen sie es, und karg, sandig, steinig rund um die Wurzeln. Die Bohnenkräuter sind unverwüstliche ausdauernde Gartenbegleiter. Zwar sagt man, sie seien kurz vor der Blüte besonders aromatisch, doch selbst die im Frost geschnittenen immergrünen Triebe würzen recht gut. Winters greift man aber ohnehin nur dann zur Kräuterschere, wenn man im Sommer die Ernte vergessen hat: Bohnenkräuter verlieren ihr Aroma auch nach dem Trocknen kaum, und sie lassen sich im Glas hervorragend lagern.

Eine der trefflichsten Bohnenkraut-Persönlichkeiten ist das recht stattlich gewachsene Hohe Bergbohnenkraut. Es zeichnet sich nicht nur durch seine Größe aus, es blüht auch praktisch den gesamten Sommer reichlich und besonders schön zartlila durch. Möglicherweise verfügt diese Variante über den vornehmsten, wenn auch nicht den kräftigsten Geschmack. Der erinnert ein wenig an jenen des kaum bekannten, doch elysischen Balsamstrauchs, Cedronella canariensis. Der ist im Vergleich zu den Bohnenkräutern jedoch empfindlicher und muss im Winter ins Haus.

Zu guter Letzt sei mit der Bergbohnenkrautsorte Aromakugel noch eine Besonderheit erwähnt. Das kugelig und sehr dicht gewachsene Kraut bildet von allen Bohnenkräutern die größten Blätter aus, wird an die 30 Zentimeter hoch und schmeckt besonders intensiv. Alle Bohnenkräuter eignen sich frisch oder getrocknet als Würze für Bohnengerichte, doch verabsäumen Sie keinesfalls, sie auch experimentell mit Fischen, Lamm- und Schweinefleisch, jedwedem Gemüse, Erdäpfeln, Eintöpfen und Nudelgerichten zusammenzuspannen. Auch in Gewürzmischungen machen sie sich natürlich aufgrund ihres lang anhaltenden Geschmacks immer gut.
Wenn Sie im Frühling Bohnenkraut nicht als Pflanze erwerben, sondern das leichter zugängliche und in noch viel mehr Sorten erhältliche Saatgut auszusäen gedenken, so beachten Sie, dass die Bohnenkräuter Lichtkeimer sind.

Lexikon

Satureja. So lautet die botanische Gattungsbezeichnung für alle Bohnenkräuter. Die meisten von ihnen sind ausdauernd, und viele sind auch in unseren Breiten verlässlich winterhart.
Lippenblütler. Die duftigen Blüten sind je nach Sorte weiß, rosa bis lila, mitunter auch bläulich, und sie sind eine überaus beliebte Anflugstelle für Bienen und andere Insekten.

Heilkräuter. Als solches hat das Bohnenkraut zwar keine überragende Bedeutung, doch gilt es als verdauungsfördernd, krampflindernd und – wer's glaubt, wird selig – libidosteigernd.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2016)

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