Literatur für Gartenmenschen

Der Garten (im Bild: Röschen im Raureif) rastet zwar auch im Winter nicht, sollte aber dennoch in Ruhe gelassen werden.
Der Garten (im Bild: Röschen im Raureif) rastet zwar auch im Winter nicht, sollte aber dennoch in Ruhe gelassen werden.(c) Ute Woltron
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Keine Gartenratgeber, sondern ein paar Lesebücher literarischen Zuschnitts, in denen man sich selbst, seinen Garten und das Glück der erdigen Pranken wiedererkennen kann.

Der Garten im Dezember findet vor allem in einer Unmenge von Gartenkatalogen statt“, schrieb der tschechische Schriftsteller und leidenschaftliche Gärtner Karel Čapek: „Der Gärtner selbst überwintert unterm Glas in einem beheizten Raum, bis zum Hals nicht vom Dung oder von Tannenzweigen zugedeckt, sondern von Gartenbedarfpreislisten und Prospekten, von Büchern und Heften [. . .].“

Genau so ist es. Der Garten draußen mag vermeintlich ruhen, und er sollte von uns jetzt auch in Ruhe gelassen werden. Doch tatsächlich rasten weder Gärtner noch Natur. Beide bereiten sich auf ihre Art auf die kommende Saison vor. Deshalb hatte der britische Gärtner und Autor Christopher Lloyd ebenfalls völlig recht, wenn er auf die Frage, welche denn seine liebste Jahreszeit im Garten wäre, zu antworten pflegte: „Jetzt!“

Da demnächst Weihnachten begangen wird, Feiertage bevorstehen und Sie möglicherweise noch nach Geschenken für unter Glas überwinternde Gartenmenschen Ausschau halten, haben wir diesmal ein paar Buchtipps für Sie. Nicht alle der Bücher sind neu, doch alle sind zeitlos. Es handelt sich auch nicht um Gartenratgeber, sondern um Lesebücher literarischen Zuschnitts, in denen man sich selbst, seinen Garten und das Glück der erdigen Pranken wiedererkennen kann.

Das Eingangszitat dieser Kolumne stammt aus Karel Čapeks 1929 erschienenem Buch „Das Jahr des Gärtners“, das gewissermaßen als eine Art Pflichtlektüre für jeden Erdwühler angesehen werden kann, und dessen Proponent nicht nur am Blumenduft gern riecht: „Käme er in den Garten des Paradieses, würde er berauscht den Atem einziehen und flüstern: ,Herrgott, ist das ein Humus!‘ Ich glaube, er dächte nicht daran, vom Baume der Erkenntnis zu naschen; er würde eher zusehen, wie er unserm Herrgott einen Schubkarren voll paradiesischer Erde entführen könnte.“

Feiner Humor

Čapeks Gartenklassiker ist von feinem Humor getragen, natürlich wunderbar geschrieben und formuliert und eine Lektüre, die jeden Gartenmenschen über viele Jahre hinweg begleitet, weil sie immer wieder hervorgekramt und mit Vergnügen nachgelesen werden kann. Es gibt neben der alten Übersetzung von Grete Ebner-Eschenhaym übrigens auch eine recht neue. Mein persönlicher Tipp: Suchen Sie unbedingt nach der alten, unvergleichlich besseren Version. Der ebenfalls bereits erwähnte, vor knapp elf Jahren hochbetagt verstorbene Christopher Lloyd war nicht nur ein begnadeter und gänzlich unkonventioneller Gärtner. Er war auch Autor, Gartenkolumnist und enger Freund der ebenfalls weltberühmten britischen Gärtnerin Beth Chatto. Die beiden verständigten sich regelmäßig über Briefe, und diese Briefsammlung liegt auch als Buch vor.

Erfolge und Experimente

„Dear Friend and Gardener! Ein Briefwechsel über das Leben, das Gärtnern und die Freundschaft“ lautet der Titel der deutschen Übersetzung. Die beiden berichten darin über Erfolge und Misserfolge, über kulinarische Experimente mit den Produkten ihrer eigenen Gemüse- und Obstgärten, aber auch über kleine Beobachtungen, wie etwa durstende Pflanzen in zu trockenen Sommern. „Jene unglücklichen Gewächse“, schreibt da etwa Lloyd: „Freilich, man kann den Blick von ihnen abwenden; man kann sich sagen, dass sie sich meist wieder erholen [. . .] Aber wenn ich sehe, wie Pflanzen leiden, kommt es mir vor, als hätte ich meinen Haustieren nicht genügend zu fressen gegeben.“ Immer wieder fängt vor allem Beth Chatto die Stimmung in Haus und Garten ein. Sie beschreibt etwa eine kalte Winternacht, in der sie erst eine Kerze anzündete und die Licht-Schattenmuster beobachtete, so: „Plötzlich wurde mein Auge von einem anderen Licht gebannt, jenem des Sirius hoch oben in einem der großen Fenster auf Dachhöhe. [. . .] Ich schloss die Tür auf und stand im Freien, hoch über mir, am dunklen, kalten Himmel, Orions Gürtel und Myriaden von Sternen.“ „Können wir uns nicht glücklich schätzen“, schließt sie, „dass wir in sternenbeschienenen Gärten stehen dürfen, fernab vom Licht der Straßenlampen in der Stadt?“ Zuletzt noch ein nicht gärtnerischer Buchtipp, in dem jedoch die unterschiedlichsten Landschaften, Städte und Gärten Europas und Asiens bis hin zu einzelnen Bäumen und Pflanzen verbindende Elemente darstellen: Die gerade eben erst vollständig übersetzte „Old Filth“-Trilogie der Schriftstellerin Jane Gardam ist ein Meisterwerk.

Wenn Sie die brillant konstruierte und mit schreiberischer Eleganz durch die Zeiten, Charaktere und Weltgegenden mäandernde Geschichte lesen und solchermaßen atemberaubt die Leben der ins Alter kommenden sogenannten Raj-Waisen des britischen Empire begleiten, achten Sie auf die Perlenkette. Und auf Bettys Blumenzwiebel. Ach, was für ein kluges Lesevergnügen steht Ihnen auch hier bevor.

Karel Čapek.
„Das Jahr des Gärtners“, erschienen 1929, liegt in mehreren Übersetzungen vor. Es mag Geschmackssache sein, aber die präzisere Übersetzung ist die alte.

Beth Chatto, Christopher Lloyd.
Die deutsche Übersetzung mit Titel „Dear Friend and Gardener!: Ein Briefwechsel über das Leben, das Gärtnern und die Freundschaft“ erschien 2013 in der Deutschen Verlagsanstalt (24,99 €, Kindle-Edition 19,99 €).

Jane Gardam.
Die „Old Filth“-Trilogie erscheint bei Hanser Berlin. Teil eins: „Ein untadeliger Mann“ (22,90 €, Kindle 16,99 €), Teil zwei: „Eine treue Frau“ (21,90 € Kindle 16,99 €), Teil drei: „Letzte Freunde“ (22 €, Kindle 16,99 €).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2016)

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