Licht, Frost und Schatten

Strenge Winter setzen Schädlingen zu, sind ein Segen für den Garten.
Strenge Winter setzen Schädlingen zu, sind ein Segen für den Garten.(c) Ute Woltron
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Winter. Die Kälte tut sowohl Garten als auch Gärtnern gut, weil sie zum einen verschiedene Samen erst zum Keimen verhilft und zum anderen zahlreiche Schädlinge zur Strecke bringt.

Das Gegenteil des winterlichen Albtraums jedes Gärtners geht so: Während man drinnen in den warmen Pfühlen liegt und draußen der Frost immer tiefer in die Erde vordringt, vermeint man leises Knacksen zu vernehmen. Natürlich nur im Traum und im Halbschlaf, doch ist es ein wohliger Klang. Ein Schneckenei nach dem anderen friert gerade auf. Knacks.

Das Thermometer hat nun wochenlang nächtliche Temperaturen von minus zwölf Grad oder noch weniger angezeigt, und das ist gut so. Endlich wieder einmal ein richtiger Frostwinter, der den Garten nach den abartig milden Nicht-Wintern der vergangenen Jahre gründlich durchputzt. Zwar werden empfindliche Gewächse wie Feigen, Rosen, Seidenbaum und so manch andere unter den tiefen Temperaturen gelitten haben, doch die gärtnerischen Vorteile der Kälte überwiegen ganz eindeutig.

Lästige Vertreter der Insektenwelt, etwa der elende Buchsbaumzünsler, dieser Mörder prachtvoller Grünskulpturen, oder die ebenfalls aus wärmeren Gefilden eingeschleppte Walnussfruchtfliege, aber auch diverse Vertreter der großen Familie der Blattläuse werden schwere Populationsverluste hinnehmen müssen. Meine Trauer hält sich in Grenzen. Ein weiterer Vorzug des Frostes: Ist der Winter eisig, können sich Pilzkrankheiten nicht verbreiten.

Man darf mit der Witterung also durchaus zufrieden sein. Der Frost sorgt auch in anderer Hinsicht für das Gedeihen verschiedenster Pflanzen, und wir Gärtner machen uns das zunutze. Denn jetzt, im späten Winter, ist die Zeit gekommen, die Samen der vielen sogenannten Kaltkeimer in den Rabatten auszustreuen oder in Schalen und Töpfen anzubauen.

Raffinierte Strategie. Kaltkeimer haben eine faszinierende Strategie entwickelt, die in etwa so funktioniert: Die Pflanzen bilden in der warmen Jahreszeit Samen aus und verstreuen sie. Würden daraus noch im selben Sommer oder Herbst Pflänzchen keimen, so hätten sie keine Chance, derart kalte Winter wie den heurigen zu überleben.

Aus diesem Grund ist in den Samen ein raffinierter Mechanismus eingebaut. Sie verfügen zum einen meist über eine vergleichsweise dicke Schale, zum anderen enthalten sie Substanzen, die die Keimung unterdrücken und nur bei tiefen Temperaturen in feuchter Umgebung langsam abgebaut werden. Kaltkeimer brauchen also den Winter, um überhaupt austreiben zu können.

Sollten Sie sich also wundern, warum abgenommene und brav in der Wohnung überwinterte Samen von Pfingstrosen, verschiedenen schönen Distelarten, Astern, Diptam, Mohn, Veilchen, Weingartenpfirsich und so schon wieder nicht oder nur sehr zögerlich aufgehen wollen, so haben Sie hier des Rätsels Lösung. Die brauchen alle feuchte Kälte, sonst wird das nichts mit dem Keimen.

Manche Samen, wie zum Beispiel die von Diptam und Pfingstrose, fordern dem Samengärtner mitunter echt Geduld ab. Sie können ein paar Jahre in der Erde liegen und mehrere Winter benötigen, um endlich auszutreiben. Apropos Erde: Die Natur hat auch hier verschiedenste Strategien auf Lager, die Samengärtner beachten müssen.

Neben Warm- und Kaltkeimern gibt es auch die Licht- und Dunkelkeimer. Lichtkeimer wie Fingerhut, Königskerze, Lavendel, Sonnenhut, Dill und so weiter brauchen einen bestimmten Licht-Spektralbereich, der sozusagen den Startschuss zum Keimen gibt. Sie dürfen also nicht mit Erde bedeckt werden, weil man ihnen damit das Leben nur schwermacht.
Wenn Sie in der nächsten Zeit an das Befüllen Ihrer Saatkistchen schreiten und Gemüse und Blumen vorziehen wollen, machen Sie sich sicherheitshalber vorher schlau, welche Behandlung Ihre jeweiligen Samen brauchen. Wer etwa warm überwinterte Kaltkeimer vorziehen will, aber keinen von eisigen Winden umtosten Balkon oder Garten hat, nimmt die sogenannte Stratifizierung, also die Kältebehandlung der Samen, im Kühlschrank vor.


Spiel mit der Kälte. Egal, ob im Freien oder im künstlichen Frost: Die Samen werden erst wie gehabt in Schalen gesät, eingegossen, ein, zwei Wochen temperiert, doch nicht zu warm gestellt und dann in die Kälte verfrachtet. Besser erst in den Kühlschrank geben und danach in den Tiefkühler, wobei es stets natürlich auch auf die Art der Samen ankommt. Manche Samen wollen nicht sofort einfrieren, sondern in der Kälte reifen. Andere brauchen lange Frostphasen. Geben Sie ihnen sicherheitshalber zumindest drei Wochen, und achten Sie unbedingt darauf, dass Samen und Erde nicht austrocknen. In jedem Fall: Viel Erfolg!

Lexikon

Tomaten
Wer zum Beispiel Paradeiser aus Samen ziehen will, sollte auch diese kaum mit Erde, besser nur mit etwas feinem Sand bedecken, denn auch Tomaten sind, was die wenigsten wissen, Lichtkeimer.

Dille
Die aromatische Kräuterzicke ist sowohl Licht- als auch Kaltkeimer. Am besten streut man die Samen gleich wild um sich werfend ab Februar, März im Garten aus. Sie sucht sich ihren Platz am liebsten selbst.

Basilikum
Noch so ein berühmter Lichtkeimer, der gern falsch gesät, weil unter Erdschichten begraben, in den Saatschüsseln Unbedarfter das Zeitliche segnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2017)

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