Petitessen im Frühling

Heute landen Veilchen oft im Schnapsglas, früher gab es eigene Vasen für die zierlichen Blumen.
Heute landen Veilchen oft im Schnapsglas, früher gab es eigene Vasen für die zierlichen Blumen.(c) Ute Woltron
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Leider aus der Mode gekommen sind die winzigen Veilchenvasen der romantischeren Vergangenheit.

Irgendwann in den kommenden Wochen werden sie wieder auf Wiesen, in den Auen und an Wegrändern auftauchen: die Kleinen unter den ganz frühen Blumen, wie zum Beispiel Schneeglöckchen, Frühlingsknotenblumen, Leberblümchen, Primeln und natürlich auch das Veilchen. Gern pflückt man ein paar dieser ersten Frühlingsboten ab und nimmt sie mit nach Hause – aber was macht man dann damit?

Die verbreitetste Methode, den Miniblumen eine Vase zu geben, ist das zweckentfremdete Schnapsglas. Schon Generationen von Omas haben ihre Stamperl aus dem Gläserkasten geholt, nachdem sie mit Rührung winzige Blumensträuße aus fast ebenso kleinen Enkerlhänden entgegennehmen durften. Dann kommen die Blüten mit den viel zu kurzen Stängeln und den im Verhältnis dazu schweren Köpfchen hinein, wobei alles erst einmal zu kippen pflegt und ein florales Gleichgewicht nur durch mühseliges Herumarrangieren zu erreichen ist.

Noch frühere Generationen hatten es einfacher im Frühling. Denn im Biedermeier bis kurz nach der Jahrhundertwende gab es ein reizendes Accessoire für Blumenmenschen, das heute vollkommen aus der Mode gekommen ist: die Veilchenvase. Die dem Format der lila Zwergblüten angepassten winzigen Väschen sind heute kaum mehr aufzutreiben, und die kostbarsten Exemplare – oben in Silber gefasst, unten aus Kristallglas geschliffen – erzielen auf Auktionen schmerzlich hohe Preise.

Eine echte Veilchenvase ist höchstens drei, vier Zentimeter hoch und hat meistens die klassische Form der Bauchamphore. Unten weit, verjüngter Hals, etwas weitere Öffnung. Oft ist sie aus Kristallglas, mitunter auch aus Porzellan. Ganz selten tauchen alte Veilchenvasen auf Flohmärkten oder in Trödelläden auf. In einem solchen Fall: Sofort erbeuten, heimtragen und selbstverständlich nicht darauf warten, dass erst die Enkel sie befüllen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2017)

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