Gartenkralle

Schneeball in Zartlila

Die Hortensie ist eine der beliebtesten Pflanzen überhaupt.
Die Hortensie ist eine der beliebtesten Pflanzen überhaupt.(c) Ute Woltron
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Sie sind weder altmodisch noch zickig, sondern einfach nur prachtvoll schön. Die Hortensienblüteüberdauert den gesamten Sommer und wechselt noch dazu gelegentlich die Farbe.

Der Anblick mancher Gärten fräst sich in das Gedächtnis ein wie ein Bild aus bunten Schatten. Es lässt sich nicht mehr genau sagen, wo welche Pflanzen standen, doch man trägt selbst viele Jahre später noch ein verwaschenes Gedächtnisaquarell aus Farben und Formen mit sich herum. Manchmal kramt man es hervor und betrachtet es.

Ein solches Gärtchen befand sich in meinem Heimatort. Es war klein, höchstens 70 Quadratmeter groß. Ein schattiger Vorgarten mit niedrigem Zaun, durch den man gut drüber- und hindurchsah. Ein mit Steintrittplatten ausgelegter Weg – samtiges Sternmoos in den Ritzen – führte zur Haustür. Links und rechts wuchsen niedrige, dicht benadelte Koniferen, die zu kegelartigen und kugelförmigen Gebilden gestutzt waren. Zwischen diesen, der strengen Geometrie verpflichteten stacheligen Skulpturen wucherten überall Hortensien.

Sie blühten weiß, creme, rosa und in diversen Blau- und Lila-Nuancen, und ihre Kugelblüten waren in ihrer üppigen Wildheit, Dimension und Färbigkeit eine Art Gegenthese zur sonst vorherrschenden dunkelgrünen Strenge. Der Garten war bezaubernd, und zwar zu jeder Jahreszeit. Gelegentlich sah man eine appetitlich rundliche kleine Dame mittleren Alters mit stets tadelloser Steckfrisur und niemals in Hosen welke Blätter abknipsen und für Perfektion in der Ordnung sorgen. Dann übernahm ein anderer das Gärtchen, und seither ist es eine Betonfläche, auf der ein Auto parkt.

Jetzt wäre gerade wieder die Zeit, in der diese Hortensien zeigen würden, was sie können. Sie tun das auch allerorten, denn die schöne Gartenpflanze zählt zu den beliebtesten Ziersträuchern überhaupt. Neulich überreichte mir Gabriele F. nebenbei einen derart prächtigen Hortensienstrauß, dass alle nachfolgenden Besucher, vor allem aber die Besucherinnen, mit offenen Mündern vor der Vase standen und wissen wollten, um welche Sorte es sich handelt. Diese ist eine wichtige, doch knifflige Frage, denn Hortensie ist nicht Hortensie. Und um eine Sorte herauszufinden, muss man erst einmal wissen, welcher Art das gewünschte Exemplar angehört. Es gibt mehrere, wobei die Garten- oder Bauernhortensie, Hydrangea macrophylla, die verbreitetste ist und wahrscheinlich jene, die Sie nun als Gedächtnisaquarell vor Ihrem Auge haben.

Sie trägt, je nach Sorte, kugel- oder tellerförmige Blüten in allen Farbabstufungen von Weiß über Rosa, Lila, Blau bis Dunkelrot, und manche zeigen gleich mehrere Farben in einer Blüte. Auch verändern viele Hortensien ihre Blütenfarben im Lauf ihres monatelangen Blütenlebens, beginnen etwa mit Hellblau und färben sich bis in den Herbst zu Purpur um.


Detektivarbeit. Auf der Suche nach unserer Traumsorte – heller Flieder, riesenhafte, lockere Blütenbälle aus wesentlich kleineren Einzelblüten als etwa bei Bauernhortensien üblich – half der Hinweis der Überbringerin, der Strauch wachse an einem ziemlich sonnigen Platz und sei fast zwei Meter hoch. Das schränkt das zu untersuchende Gebiet für Hortensiendetektivinnen erheblich ein. Bauernhortensien werden niemals so groß. Die bis gut zwei Meter hohe Rispenhortensie Hydrangea paniculata käme infrage, doch diese blüht tellerförmig, duftend und weiß. Ebenso die bis zu 15 Meter hohe Kletterhortensie Hydrangea petiolaris. Die Blüten unseres Exemplars hingegen waren eben von feinstem Zartlila und kugelig.

In einem nicht weniger atemberaubenden Fliederlila blüht zwar auch die ebenfalls mehrere Meter hohe Samthortensie Hydrangea sargentiana – ein Prachtstück übrigens, sollten Sie jemals einen halbwegs feuchten Platz im Garten oder ein sehr geräumiges Pflanzgefäß und genug Raum für eine sensationelle Solitärpflanze haben. Doch sie fiel ebenfalls aus, weil sie nicht kugelig, sondern tellerförmig blüht, außen zartlila, innen kräftiger gefärbt.

Die bis zu drei Meter hohe eichenblättrige Hortensie Hydrangea quercifolia hat gelappte Blätter und war damit sowieso kein Thema, und damit engte sich das Feld hervorragenderweise auf die Wald-, Schneeball- oder Baumhortensie ein. Offenbar kann man sich nicht darauf einigen, wie die Schönheit heißen soll. Hydrangea arborescens wird bis zu drei Meter hoch. Die bekannteste Sorte heißt „Annabelle“. Sie treibt ab Juni Kugelblüten mit einem Durchmesser von bis zu 30Zentimetern. Unsere Sehnsuchtssorte bleibt derweilen noch ein Rätsel, denn die Züchtung, die ihr am ähnlichsten kommt, „Incrediball® Blush“, gibt es derweilen eigentlich erst in den USA. Vielleicht ist sie heimlich im Koffer eingereist?

Lexikon

Hortensie. Der Name Hydrangea verrät es bereits – die Hortensien sind durstige Geschöpfe und brauchen viel Gießwasser. Wenn der Boden gut feucht doch nie staunass ist, vertragen sie auch einiges an Sonne, sonst lieber im Schatten ziehen.

Stecklinge. Jetzt ist die ideale Zeit für die Stecklingsvermehrung. Einfach ein Ästchen ohne Blüte abschneiden, die oberen Blätter dranlassen, das untere Blattpaar entfernen, in die Erde stecken und dann noch kühl und feucht halten. So ist der Austrieb sehr wahrscheinlich.

Kalk. Ihn mögen die meisten Hortensienarten nicht sonderlich, weshalb sich das Aufstellen einer Regentonne in ihrer Nähe durchaus bezahlt machen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2017)

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