Übergewicht: Frauen sind anders, Männer auch

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Beim Abnehmen setzt das männliche Geschlecht mehr auf Bewegung, für Frauen ist die Ernährung wesentlich wichtiger. Die Farbe Rot könnte auch beim Essen so etwas wie eine bremsende Signalwirkung haben.

Den kleinen Unterschied zwischen Mann und Frau gibt es auch beim Übergewicht – in vielerlei Hinsicht. Unter anderem haben Frauen ein höheres Risiko, infolge Fettleibigkeit (Adipositas) an einem Herz-Kreislauf-Leiden zu erkranken, wurde unlängst auf einem Symposium über Gendermedizin in Berlin berichtet. Dort hieß es auch, dass Frauen, und in den vergangenen Jahren insbesondere jüngere Frauen, deutlich mehr gefährdet sind, eine Fettsucht zu entwickeln. Warum dem so ist, ist derzeit noch unklar.

Frauen nehmen schwerer ab

Noch nicht ganz klar ist auch, warum Frauen im Schnitt schwerer abnehmen als Männer. Das bewies eine britische Studie einmal mehr: Rund 2500 Probanden, vorwiegend Frauen, durchschnittlich 45 bis 54 Jahre, nahmen an einem kostenlosen zwölfwöchigen Abnehmprogramm teil. Ziel: fünf Prozent oder mehr des Ausgangsgewichts zu verlieren – 44 Prozent waren erfolgreich, darunter wesentlich mehr Männer als Frauen. Auch Ältere und sehr Dicke profitierten überdurchschnittlich. „Prädiktoren für erfolgreiches Abnehmen sind also Geschlecht, Alter und Grad der Adipositas“, resümiert Gendermedizin-Expertin Anita Rieder, Leiterin des Zentrums für Public Health am Institut für Sozialmedizin der medizinischen Universität Wien. Die Sozialmedizinerin und Professorin ist auch Beraterin und Kompetenzpartnerin im Lebensresort Ottenschlag. In diesem Gesundheitszentrum für Gendermedizin und Stoffwechselerkrankungen gibt es spezielle, von der Sozialversicherung bezahlte Rehabilitations- und Motivationsprogramme für Adipositaspatienten und Bewusst-essen-Angebote für zahlende Privatgäste (www.lebensresort.at).

Eine der genderbezogenen Gewichtsrealitäten: Alle Frauen legen während der Schwangerschaft an Gewicht zu, viele nehmen nicht mehr alle der so „gewonnenen“ Kilo ab. Die zweite große Gewichtsfalle für die Weiblichkeit ist der Wechsel, der Frauen im Schnitt fünf lästige Zusatzkilo bringt. Der Speck sitzt vielfach an Oberschenkeln und Po, der Bauchumfang nimmt zu.

„Das viszerale, also das Bauchfett, ist das wirklich Gefährliche an der Adipositas“, betont Edwin Halmschlager, ärztlicher Leiter des Bereichs Stoffwechsel im Lebenresort Ottenschlag. „Denn es werden Tag und Nacht Fettsäuren abgespalten, und die gelangen über die Leber ins Blut. Damit steigt das Risiko für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck gewaltig.“ Gerade das Bauchfett setzt demnach Botenstoffe frei, die chronische Entzündungen hervorrufen, welche wiederum Herz und Stoffwechsel schädigen. Durch die Entzündungsstoffe wird auch die Gefäßverkalkung begünstigt. Warum gerade das Bauchfett diese Stoffe produziert, ist noch nicht geklärt. Der Bauchumfang (in Nabelhöhe gemessen) sollte übrigens bei Frauen nicht mehr als 80 und bei Männern nicht mehr als 94 Zentimeter betragen. Ein Umfang von mehr als 88 Zentimetern bedeutet für Frauen ein deutlich erhöhtes Gesundheitsrisiko, bei Männern sind es mehr als 102 Zentimeter.

Rot als Essbremse?

Männer sind übrigens bei Studien, in denen es ums Abnehmen geht, absolut in der Minderheit: 27 Prozent versus 73 Prozent (Frauen). Und gar nur fünf Prozent solcher Studien wurden ausschließlich mit männlichen Probanden durchgeführt (32 Prozent ausschließlich mit Frauen). In einer Schweizer Studie wurden 41 männliche Studenten gebeten, verschiedene Süßgetränke zu probieren. Die Hälfte der Teilnehmer erhielt rot etikettierte Plastikbecher, bei den anderen waren die Becher blau markiert. Und siehe da: Die Studenten mit den roten Bechern tranken in etwa um 40 Prozent weniger. Das „Farbenspiel“ wurde mit Brezeln, entweder auf roten, blauen oder weißen Tellern serviert, und 109 Probanden beiderlei Geschlechts wiederholt. Und wieder zeigte sich: Von den roten Tellern wurde nur halb so viel gegessen wie von den blauen oder weißen. Die Farbe hatte – wie auch bei den Getränken – keinerlei Einfluss darauf, wie gut es den Probanden schmeckte. Rot, so meinen die Wissenschaftler, dürfte eine Signalwirkung in Richtung „Stopp“ haben, nicht nur bei der Verkehrsampel also, sondern offensichtlich funktioniert Rot auch in gewisser Weise als Essbremse.

Und das täte auch den Österreichern nicht schlecht: 40 Prozent der Erwachsenen sind laut Ernährungsbericht 2012 übergewichtig, zwölf Prozent davon adipös. Doch schon die Jugend zwischen sieben und 14 Jahren ist zu dick: 22 Prozent der Mädchen und 26 Prozent der Buben bringen zu viel auf die Waage. Abnehmen ist angesagt, auch diesbezüglich haben die beiden Geschlechter unterschiedliche Vorlieben und Vorstellungen.

„Frauen“, so Anita Rieder, „haben prinzipiell viel höhere Erwartungen von einem Abnehmprogramm und unrealistischere Vorstellungen hinsichtlich des erreichbaren Wunschgewichts.“ Beim Abnehmen selbst würden Männer mehr auf den Zug Bewegung aufspringen, während Frauen ihre Kilo eher über die Ernährung verlieren wollen. Die richtige Kombination von beiden wäre das Ideale. Es muss ja nicht immer gleich Nulldiät oder Marathonlauf sein, häufig genügen weit gemäßigtere und praktikablere Maßnahmen.

Fleisch statt Leberkäse

„Einer aktuellen Meta-Analyse zufolge kann man in sechs Monaten allein mit einfacher Fettreduktion drei bis vier Kilogramm abnehmen“, betont Halmschlager. Tipp: statt einer Leberkäsesemmel mit 45 Gramm Fett ein mageres gegrilltes Stück Fleisch mit rund drei bis vier Gramm Fett oder statt eines Backhuhns mit 43 Gramm Fett ein Grillhuhn mit 17 Gramm Fett essen.

Und wer statt des Lifts immer wieder die Treppe nimmt und für kurze Wege nicht das Auto, sondern die eigenen Füße einsetzt, wird innerhalb eines halben Jahres auch einige Kilo auf der Strecke lassen. Das gilt für beide Geschlechter. Ebenso die Tatsache, dass nicht die Kalorien, die man zwischen Weihnachten und Neujahr vertilgt, den Ausschlag auf der Waage bestimmen, sondern jene, die man zwischen Neujahr und Weihnachten verzehrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2012)

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