Histamin-Intoleranz? Grünen Veltliner trinken

(c) AP (Winfried Rothermel)
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Alkoholika untersucht. In Floridsdorf hat man Weine, Sekt und Champagner auf ihren Histaminanteil überprüft: Einige österreichische Sekte schneiden besonders gut ab. Unter Histamin-Intoleranz leiden vor allem Frauen.

Der Grüne Veltliner gehört sicherlich zu den besonders verträglichen Weinsorten Österreichs“, betont Wolfgang Hemmer vom Allergiezentrum Floridsdorf in Wien in seinem Vortrag über die Zusammensetzung von Weinen und Champagner in der Gesellschaft der Ärzte in Wien. „Die Weinsorte Grüner Veltliner enthält fast kein Histamin, das in manchen Weinen, vor allem in Rotweinen, zu Unverträglichkeiten führen kann.“

Histamin ist ein Mediatorstoff, den der Körper produziert und der sowohl gute als auch schlechte Auswirkungen hat: Er erweitert die Gefäße und wirkt daher blutdrucksenkend, er kontrolliert Appetit und Schlafrhythmus, er steigert die Gehirntätigkeit. „Aber Histamin im Überschuss kann einem das Leben auch verleiden, schon der Kontakt mit einer Brennnessel ruft Brennen und Rötung hervor, Histamin wird von Brennnesseln als Abwehrsubstanz produziert. Extremer Juckreiz, etwa bei der atopischen Dermatitis, Asthma, ein anaphylaktischer Schock können die Folge einer Überreaktion auf Histamin sein“, zählt Reinhart Jarisch, Dermatologe, Allergologe und Leiter des Allergiezentrums Floridsdorf auf.

Herzrasen, Durchfall

Oft aber genügen auch einige Glas Rotwein oder ein Kelch Champagner, um nicht nur glühend rote Wangen auszulösen, sondern später auch Kopfschmerzen, Migräne, Herzrasen, Durchfall und geschwollene Augenlider. „In diesen Fällen handelt es sich um eine Histamin-Intoleranz, besonders Frauen über 40 Jahre sind davon betroffen. Wie intensiv die Histamin-Intoleranz auftritt, ist individuell sehr verschieden und kann auch genetisch bedingt sein.“

Im Allergiezentrum in Floridsdorf sind Weißweine, Rotweine, Sekt und Champagner auf ihren Histaminanteil untersucht worden. „Bei 100 untersuchten österreichischen Rotweinen der gehobenen Qualitätsklasse fanden wir sehr unterschiedliche Histaminwerte, manche Weine enthielten 50-mal mehr Histamin als andere. Einen im Durchschnitt geringen Histaminwert wiesen die Sorten Zweigelt, Merlot und Cabernet Sauvignon auf, der Blaufränkische lag in der Mitte, St. Laurent und Shiraz hatten tendenziell höhere Werte“, berichtet Jarisch. Es gab aber bei allen Sorten Weine mit sehr hohem oder sehr niedrigem Histamingehalt, sodass die Sorte leider keine verlässliche Hilfe sei.

Säuerliche Weine sehr verträglich

Ausschlaggebend für den Histamingehalt sei nicht so sehr die Traubensorte, als vielmehr der von Laktobazillen abhängige biologische Säureabbau. Der Säureabbau ist nämlich die Hauptursache für den Histamingehalt im Wein. Bei einer sorgfältigen Hygiene und bei der Verwendung geeigneter Starterkulturen entstehen auch weniger unerwünschte Bakterien und damit auch weniger Histamin.

Während bei Rotweinen obligat Säure abgebaut wird, ist das in Österreich bei säure- und fruchtbetonten Weißweinen selten der Fall, daher enthalten sie auch kaum Histamin. Interessant ist die Frage, inwieweit der Histamingehalt für den Geschmack des Weines eine Rolle spielt. „Histamin selbst ist geschmacksneutral, allerdings enthalten sehr gut benotete Rotweine oft hohe Mengen an Histamin“, so Jarisch.

„Alkoholgehalt, Zuckergehalt, Kohlensäuregehalt und auch das oft beschuldigte Sulfit spielen für die Verträglichkeit des Weines eine relativ kleine Rolle. Es lässt sich allerdings sagen, dass leicht säuerliche Weine, wie der Grüne Veltliner, von histaminempfindlichen Menschen besonders gut vertragen werden, ebenso wie der beliebte G'spritzte. Außerdem reagieren manche Menschen nicht so sehr auf das Histamin, sondern auf bestimmte Abbauprodukte des Alkohols“, gibt Allergologe Hemmer zu bedenken.

Histaminbombe Emmentaler

Aber auch das, was man zum Wein isst, spielt eine ausschlaggebende Rolle. So können geräuchertes Fleisch, Schinken, Salami oder Emmentaler einen hohen Histamingehalt haben, „Emmentaler beispielsweise kann ein Hundertfaches des Histaminwertes von schwerem Rotwein enthalten“, erwähnt Hemmer. Zunehmend lassen Weinproduzenten ihre Weine auf Histamingehalt testen. Diese Werte, wie den Alkoholgehalt, auf der Flasche anzugeben, hält Hemmer jedoch derzeit für problematisch, solange nicht ausreichend klinische Daten zu kritischen Grenzwerten vorliegen. Für gesunde Menschen sind die Histaminkonzentrationen im Wein jedenfalls unbedenklich, darum keine übertriebene Histaminangst. Falls es tatsächlich bei allergiedisponierten Personen zu schwerer Übelkeit kommt, helfen Anti-Histaminika.

„Unter den Schaumweinen enthalten die französischen Champagnersorten, etwa Pommery Champagne Brut oder Moët & Chandon Champagne, relativ viel Histamin, ebenso die deutschen Sekte. Hingegen schneiden österreichische Sekte, wie Schlumberger Sparkling brut oder Goldeck extrem trocken diesbezüglich besonders gut ab“, erwähnt Jarisch. Wie dem auch immer sei, so manches ist den Experten hinsichtlich der Histamin-Intoleranz noch unklar. Wer klaren Kopf bewahren will, sollte auch auf seine Vernunft und seine Erfahrung setzen.

Buchtipp: Reinhart Jarisch, „Histaminintoleranz. Histamin und Seekrankheit“, Thieme Verlag, 24,95 €. Das Werk enthält auch eine Tabelle mit Histamingehalten von Sekt und Champagner.

Rauchen, Kater, Histamin

Rauchen verstärkt den Kater. Wer zu Wein oder Bierauch noch raucht, hat ein größeres Risiko, am nächsten Tag mit einem Brummschädel aufzuwachen.

Bei der gleichen Anzahl von alkoholischen Getränken hatten Raucher eher und dann einen intensiveren Kater als Nichtraucher, fanden US-Forscher heraus. Grund könnte die Wechselwirkung zwischen Tabak und Alkohol sein.

Histaminempfindliche Personen könnten zu leicht säuerlichen österreichischen Weißweinen greifen, die sind gut verträglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2013)

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