Sexualität und Krebs: Medizinische Beratung für alle Patienten

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Die erste Onkologie Österreichs, die Krebspatienten gezielte, individuelle und regelmäßige sexualmedizinische Beratung bietet, befindet sich in Salzburg. Speziell ausgebildete Ärzte wollen ein Tabu brechen und ihren Patienten einen wichtigen Teil ihrer Lebensqualität zurückgeben.

Die Diagnose Krebs ist heute für immer mehr Menschen kein Todesurteil mehr, sondern bedeutet das Leben mit einer chronischen Erkrankung. Die Patienten kehren nach der Behandlung zurück in ihre Familie, ihren Beruf, in ihr soziales Umfeld. Und wie auf viele andere Lebensbereiche auch, haben Krebs und chronische Erkrankungen Auswirkungen auf die Sexualität der Patienten und ihrer Partner.

„Es gibt einen unmittelbaren Effekt des Tumors auf den Patienten und seine Partnerschaft. Aber auch die Therapie kann vielfältige Auswirkungen auf die Sexualität haben“, sagt der Salzburger Onkologe Richard Greil im Gespräch mit der „Presse“. Gemeinsam mit seinem Team bietet Greil in der zur Onkologie an den Landeskliniken Salzburg gehörenden Lebensstilambulanz regelmäßig sexualmedizinische Beratung für die Patienten an. „Wir sind die erste Onkologie in Österreich, die sich mit diesem Thema gezielt beschäftigt“, erklärt Greil.

Denn Sexualität gegenüber den Patienten anzusprechen sei für viele Ärzte nach wie vor eine große Hürde. Es wäre an der Zeit, dieses Tabu aufzubrechen und den Patienten auch einen wichtigen Teil ihrer Lebensqualität zurückzugeben. „Wir müssen Ärzte anders ausbilden, damit sie überhaupt wahrnehmen, wo das Problem liegt“, betont Greil. Schließlich strahle man als Mediziner auch nonverbal aus, ob man über heikle Fragen mit den Patienten reden wolle oder nicht.

Akademie für Sexualmedizin

In Salzburg schlossen übrigens kürzlich die ersten Absolventen des Lehrgangs der Österreichischen Akademie für Sexualmedizin ihre Ausbildung ab. Drei Absolventen arbeiten an der Lebensstilambulanz in Salzburg.

Brust- oder Prostatakrebs sind jene Tumore, bei denen man am ehesten an Auswirkungen auf die Sexualität denkt. Doch jede Tumorerkrankung kann zu Veränderungen führen. „Der Patient verliert das Grundvertrauen in seine Gesundheit, ist in seiner Selbsterfahrung tief erschüttert“, so der Onkologe. Dazu kommen verschiedene Nebenwirkungen durch Bestrahlungen, Medikamente, Langzeittherapien sowie freilich auch psychische Belastungen. Am stärksten seien die Auswirkungen bei Tumoren im kleinen Becken, sagt Greil und nennt Trockenheit der Scheide, Erektionsstörungen oder ein verändertes Lustempfinden als mögliche Folgen.

Mit einem Missverständnis räumt der Onkologe auf: Eine operativ entfernte Brust führt nicht dazu, dass die Männer ihre Partnerin weniger begehren. Doch bei vielen Frauen ist die Operation ein dramatischer Einschnitt, sie empfinden sich selbst als weniger attraktiv.

Wie sich eine schwere Erkrankung auf die Partnerschaft auswirkt, ist unterschiedlich. Bei etwa einem Drittel der Patienten werde die Beziehung tiefer und inniger, bei einem Drittel führe es zum Bruch, erwähnt der Mediziner: „Man will nicht mehr mit Kompromissen leben.“

Das heikle Thema aus der Tabuzone zu holen ist für den Onkologen ein wichtiger Schritt. Denn viele Probleme ließen sich – wenn sie angesprochen werden – auch beseitigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2013)

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