Fast ein Kleinwagen auf dem Kopf...

Fast Kleinwagen Kopf
Fast Kleinwagen Kopf(c) BilderBox (Wodicka; A-4062 Thening)
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Es stört. Vor allem, wenn man seine Haare schon in jungen Jahren verliert. Das beste Mittel gegen die Glatze ist meist noch immer eine Haarverpflanzung. Wirkt aber noch etwas anderes auch?

Manche stört es mehr. Zu ihnen gehört der 38-jährige Unternehmer Christian H. Wie vielen jungen Männern erging es auch ihm: beginnende Geheimratsecken im Alter von erst 26Jahren. „Das hat mich sehr gestört, aus beruflichen und freilich auch aus Gründen der Eitelkeit.“ Und jedem 20- bis 30-Jährigen mit lichtender Haarpracht, der behaupte, das sei ihm völlig egal, glaube er nicht. „In diesem Alter beschäftigt einen das schon sehr.“ Der gut aussehende Unternehmer befasste sich intensiv damit, wie sein Problem zu lösen sei – und landete bei der Wiener Moser Medical Group, wo ein Team von 17 Experten Haartransplantationen durchführt. „Die gehören zu den weltbesten Zehn“, schwärmt Christian H. Immerhin gilt die Moser-Methode der Eigenhaarverpflanzung als weltweiter Goldstandard der Haarchirurgie.

Seit 1979 beschäftigt sich das Unternehmen mit der Verpflanzung von Eigenhaar, das am Haarkranz bis ins hohe Alter produziert wird – auch wenn es sonst rundherum schon recht kahl auf dem Kopf ist. „Aus diesem Haarkranz können wir eine bestimmte Anzahl von Haarfollikeln, also Haarwurzeleinheiten, in Form eines schmalen Haarstreifens oder einzeln entnehmen und sie quasi auf dem Kopf umverteilen – dort implantieren, wo es notwendig ist. Die Haare wachsen hier dann mehr oder weniger lebenslang“, erklärt Karl Moser. Vor der Verpflanzung werden die Haarfollikel unter einem Bildschirmmikroskop speziell präpariert, sinngemäß auf ihre „neue Aufgabe“ an anderer Stelle vorbereitet. Alles in allem dauert der Vorgang – je nach Menge der zu verpflanzenden Haare – vier bis sieben Stunden, die Kosten dafür belaufen sich auf 3000 bis 11.000 Euro.

Total natürlich. Für Freunde des Details sei der Vorgang ganz kurz erklärt: Während die Haarfollikel auf ihre spätere Bleibe auf dem Kopf vorbereitet werden, setzt der Arzt mit feinsten Messerchen an kahlen Kopfstellen viele kleine Stichkanäle von je 0,6 Millimeter Größe – „heute haben wir bei zwei Patienten rund 7000 solcher Schlitze gemacht“ –, und hier werden die Haarfollikel dann mit mikrochirurgischen Pinzetten eingesetzt, Stück für Stück, „und sehr eng, sodass es vom bestehenden Haarbild nicht zu unterscheiden ist“.

„Heute verwendet man viel kleinere Einheiten als noch vor zehn Jahren, es ist alles viel exakter. Da hat sich unheimlich viel getan“, bekräftigt Dagmar Millesi, Fachärztin für plastische und ästhetische Chirurgie in Wien. Zu ihr kämen inzwischen fast schon mehr Frauen als Männer, und bei allen sehe es sehr natürlich aus. „Bei mir hat nicht einmal mein Friseur etwas vom Eingriff gemerkt“, bestätigt Christian H. Hat der Eingriff wehgetan? „Man spürt nur die Injektionen zur örtlichen Betäubung, das fühlt sich wie Bienenstiche an. Dann tut es absolut nicht mehr weh“, sagt der 38-Jährige. „Viele meiner Klienten erklären, eine Zahnarztbehandlung sei wesentlich unangenehmer“, sagt Karl Moser. Nach drei, vier Tagen sei vom Eingriff fast nichts mehr zu sehen. Es sind dann bald einmal die Haare zu sehen, die ja zu wachsen beginnen und bis ins hohe Alter nicht mehr ausfallen. „Die Klienten sind glücklich“, weiß Moser. Wiewohl noch immer viele den Eingriff leugnen und ihren neuen Haarwuchs mit dem Einreiben von Haarwässerchen und dergleichen mehr erklären.

Helfen Haarwässerchen und Co. überhaupt? „Bei einer hormonell bedingten Glatze, also bei der androgenetischen Alopezie, ist eine Verpflanzung die erfolgversprechendste Methode“, sagt Daisy Kopera, Professorin und Expertin für Haarkrankheiten an der Medizinischen Universität Graz. „Das ist allerdings teuer, einige haben da fast einen Kleinwagen auf dem Kopf.“ Anders liegt der Fall, wenn die Haare aus irgendeinem Grund zu lange „schlafen“. Normalerweise ist ein Kopfhaar vier bis sechs Jahre in der aktiven Wachstumsphase und geht dann in eine zwei bis vier Monate dauernde Ruhephase über, in der sich die Haarwurzel regeneriert. Danach wird wieder neues Haar produziert.

Nun kann es aber sein, dass sich die Ruhephase infolge von Chemotherapie, Stress, Krankheit, psychischer Belastung, viel länger hinauszieht, zu viele Haare zu lange „schlafen“. Die Haarwurzel geht zwar nicht zugrunde, aber die Anzahl der Haare nimmt deutlich ab, neue kommen nicht nach, die Kopfhaut wird sichtbar. L'Oréal mit dem weltweit größten Zentrum für Haarforschung in Paris ist da unlängst ein Durchbruch mit dem neuen Wirkstoffmolekül Stemoxydine gelungen. Kopera: „Da gibt es jetzt mit einem neuen, lokal anwendbaren Mittel die Möglichkeit, die Wachstumsphase ,schlafender‘ Haare schneller wieder anspringen zu lassen – das Haar wächst also wieder rascher nach. Hier geht es aber nicht um Glatzenbekämpfung, sondern um Haarverdichtung.“

Kein Wundermittel. Andere wirksame Haarwuchsmittel? Einige Erfolge wurden mit Minoxidil-Lösung (eigentlich ein blutdrucksenkendes Mittel) sowie mit den rezeptpflichtigen Finasterid-Tabletten erzielt. „Aber es gibt noch unzählige andere Mittel, von denen ich die meisten gar nicht kenne. Ein echtes Wundermittel ist nicht dabei, sonst würde niemand mehr unter Haarmangel leiden“, meint Kopera. Auch Softlaserbehandlungen würden keine dramatischen Verbesserungen bringen. „Schlimmstenfalls schaden sie der Geldtasche.“

Eine nicht unbedeutende Rolle spiele die Ernährung. „Bei einer Diät, bei der man in drei Monaten zehn Kilo abnimmt, ist diffuser Haarausfall programmiert.“ Nahrungsmittel, die Haare sprießen ließen, gebe es zwar nicht, aber gelatinereiche Kost wie Aspik oder Rindsuppe sowie Zink, Selen oder Kieselerde können die Haarstruktur verbessern. Christian H. braucht kein Selen, keine Kieselerde. Sein Haar ist voll und, sollte es notwendig sein, „würde ich jederzeit wieder eine Transplantation machen lassen“. Denn es sei ein Supergefühl, dichtes Haar zu haben. „Man fühlt sich einfach dynamischer, und man sieht ja auch um etliche Jahre jünger aus.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2013)

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