Zecke: Das Chamäleon der Medizin

Die Zecken und das Chamäleon der Medizin
Die Zecken und das Chamäleon der MedizinAPA/DPA/Patrick Pleul
  • Drucken

Von Kopfweh bis Herzleiden: Borreliose, von Zecken übertragen, löst eine Vielfalt an Symptomen aus.

Ständig müde, chronische Blasenentzündung, häufige Kopfschmerzen oder Nachtschweiß – das sind nur vier der unzähligen Symptome, die eine Borreliose, exakter Lyme-Borreliose, auslösen kann. „Wegen der Vielfalt an Symptomen wird die Borreliose auch gern Chamäleon der Medizin genannt“, sagt die Grazer Notärztin Elke Schäfer, Mitglied von ILADS (International Lyme and Associated Diseases Society).

Und weil diese Infektion derart viele Gesichter hat – eine Art Sommergrippe als Frühsymptom, wandernde Gelenks- und Rückenschmerzen sowie Lähmungserscheinungen können auftreten, aber auch Herzrhythmusstörungen und Magen-Darm-Beschwerden, Depression und Haarausfall, Gedächtnisstörung und Schwindel –, wird sie auch häufig falsch diagnostiziert. Denn die typische Wanderröte auf der Haut ist gar nicht so typisch, sie zeigt sich nur in 30 bis 50 Prozent aller Fälle.

Schäfer: „Übertragen wird die Borreliose von Bremsen, Stechmücken und freilich von Zecken.“ Letztere übertragen auch FSME (Frühsommer-Meningo-Enzephalitis; Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute). Einer der Unterschiede: Die FSME ist eine Viruserkrankung, die Borreliose eine bakterielle Infektion.

Die großen Unterschiede. Für FSME gibt es eine hochwirksame Impfung, für Borreliose nicht. Noch nicht. Denn wie die „Presse am Sonntag“ erfuhr, hat Baxter einen entsprechenden Impfstoff bereits in der Pipeline. Unter Beteiligung der MedUni Wien hat man den Wirkstoff OspA, ein Eiweißmolekül, das auf der Oberfläche der Borrelien sitzt, erfolgreich im klinischen Versuch getestet.

Aber so weit, dass die Krankheit ausbricht, muss es gar nicht erst kommen. Denn während das FSME-Virus unmittelbar nach dem Zeckenstich in die Blutbahn gelangen kann, lässt sich die Borreliose-Infektion Zeit. „Es dauert zwölf bis 24 Stunden, bis die Bakterien nach einem Zeckenstich übertragen werden“, sagt der bekannte Tropenexperte Herwig Kollaritsch. Und genau das ist die Chance. Wer das Spinnentier – mit einer Zeckenpinzette – rechtzeitig entfernt, muss nicht mit einer Infektion rechnen. „Daher sollte man den Körper nach einem Ausflug stets nach Zecken absuchen.“ Diese Maßnahmen können schon reichen. „Mitunter allerdings“, wirft Elke Schäfer ein, „kommt es vor, dass auch Borreliose sofort nach dem Stich übertragen wird.“ Vorbeugen kann man dem Stich einer Zecke teilweise mit enger, heller Kleidung (hell, weil die Zecke dann leichter sichtbar ist) und Repellentien, also Einreibemitteln oder Sprays gegen Gliederfüßler wie Zecken oder Stechmücken.

Heilung möglich. FSME ist kaum behandelbar, Borreliose kann jedoch geheilt werden; im Anfangsstadium meist mit einer dreiwöchigen Antibiotika-Therapie. Je später aber mit der Therapie begonnen wird, desto umfangreicher ist sie, desto schlechter die Aussichten – da die Krankheit mit längerer Dauer immer mehr Organe befallen kann, weil die Bakterien Zeit haben, sich im ganzen Körper auszubreiten. „Zudem wird im chronischen Stadium häufig zu kurz und zu niedrig dosiert“, weiß Schäfer. Der Grund dafür ist oft eine (dramatische) Erstverschlechterung (sogenannte Jarisch-Herxheimer-Reaktion), weswegen die Patienten die Therapie frühzeitig abbrechen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.