Neues Portal: Hindernislauf zur Gesundheitsakte

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Die Elektronische Gesundheitsakte ist seit 2. Jänner in Betrieb, obwohl sie erst ab Herbst mit Daten befüllt wird. Vorerst können sich Versicherte nur von ELGA abmelden – mit hohem Bürokratieaufwand.

Wien. Der erste Schritt mutet etwas merkwürdig an, wenn auch nur auf den ersten Blick: Die Elektronische Gesundheitsakte wurde am gestrigen Donnerstag insofern in Betrieb genommen, als der Patient ab sofort die Möglichkeit hat, sich von ELGA abzumelden. Datenschutzrechtlich ergibt das Sinn: „Der Patient soll aussteigen können, bevor die ersten Daten im Umlauf sind“, erklärt die Geschäftsführerin der ELGA Gmbh, Susanne Herbek.

Bis auf Weiteres wird der Widerspruch zur Teilnahme die einzige (und nicht gerade unkomplizierte) Option im ELGA-Portal bleiben. Der eigentliche Betrieb startet erst im Herbst 2014. Ab dann werden Patientendaten schrittweise online gestellt. „Die Presse“ gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen zu ELGA.

1. Was ist die Elektronische Gesundheitsakte – und was soll sie leisten?

ELGA ist ein Informationssystem, in das die Krankengeschichte jedes Versicherten eingetragen wird: Befunde, Medikamente und Entlassungsberichte. Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser, Apotheken und Pflegeeinrichtungen haben Zugriff, sobald der Patient die E-Card gesteckt hat. Ausgeschlossen sind Arbeitsmediziner, Amtsärzte und Versicherungen. Der Patient selbst kann seine Daten über die Serviceseite gesundheit.gv.at verwalten (mehr dazu unter den Punkten 5 bzw. 6).

2. Wie lange haben die einzelnen Gesundheitsdienstleister Zugriff auf die Patientendaten?

Ärzte, Spitäler und Pflegeheime verlieren ihre Berechtigung nach 28 Tagen, Apotheken bereits nach zwei Stunden. Die Fristen können vom Patienten aber beliebig verkürzt oder – bis zu einem Jahr – verlängert werden.

3. Ab wann wird die Elektronische Gesundheitsakte befüllt – und mit welchen Daten?

Ab Herbst werden die öffentlichen Spitäler in den Pilotregionen Wien und Oberösterreich Befunde und Entlassungsberichte ins System stellen. Die Krankenhäuser der anderen Bundesländer steigen schrittweise ab 2015 ein. Kassenärzte und Apotheken folgen Mitte 2016, wobei es auch hier Testläufe geben wird (offen ist noch, in welchen Bundesländern). Im Vollbetrieb soll ELGA ab 2017 laufen, wenn auch die Privatspitäler mitmachen.

4. Welchen Nutzen hat ELGA für den Patienten und den Steuerzahler?

Die Elektronische Gesundheitsakte soll nicht nur die Behandlungsqualität erhöhen, sondern auch beim Sparen helfen, indem nämlich Mehrfachbefunde und Doppelverschreibungen verhindert werden. Laut Gesundheitsministerium belaufen sich die Errichtungskosten auf 130 Millionen Euro. Nach dem ersten Jahr im Vollbetrieb will man diesen Betrag bereits wieder eingespart haben.

5. Wie kann ich meine Gesundheitsdaten online abrufen und verwalten?

Über die Seite gesundheit.gv.at gelangt man zum ELGA-Log-in. Für die Anmeldung ist entweder eine Bürgerkarte (samt Kartenlesegerät) oder eine Handysignatur – also eine elektronische Unterschrift via Mobiltelefon – erforderlich. Beides setzt einen relativ hohen bürokratischen Aufwand voraus. Nähere Informationen finden sich unter buergerkarte.at bzw. können telefonisch bei der ELGA-Serviceline unter 050/124 44 11 erfragt werden. Ist man erst einmal im ELGA-Portal eingeloggt, kann man seine Dokumente kontrollieren und verwalten: Man sieht, wer wann zugegriffen hat. Und es besteht die Möglichkeit, ausgewählte Informationen zu sperren.

6. Was muss ich tun, wenn ich aus ELGA komplett aussteigen möchte?

Abmelden kann man sich elektronisch über das ELGA-Portal oder mittels eines Formulars, das entweder auf der Seite gesundheit.gv.at ausgefüllt oder telefonisch bei der ELGA-Serviceline angefordert werden kann. Dem Formular muss eine Kopie des Lichtbildausweises beigelegt werden.

7. Sind meine Gesundheitsdaten in der Elektronischen Gesundheitsakte geschützt?

Datenschützer sind skeptisch, obwohl das Gesetz hohe Sicherheitsstandards für ELGA vorschreibt. Einen Hackerangriff könne man nie ganz verhindern, sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger. Er fasst es so zusammen: „Die Frage ist, was einem wichtiger ist: der Datenschutz oder eine höhere Behandlungsqualität, die durch ELGA sichergestellt wird. Ich habe mich für Zweiteres entschieden.“

8. Warum wird ELGA von der Ärztekammer so vehement bekämpft?

Die Elektronische Gesundheitsakte sei derzeit „völlig unbrauchbar“, kritisiert die Standesvertretung. Denn der Arzt müsse die ganze Krankengeschichte des Patienten lesen und könne nicht nach einzelnen Daten suchen. Das koste viel Zeit. Laut ELGA-Geschäftsführerin Susanne Herbek ist eine solche Suchfunktion aber vorgesehen – man müsse sich nur gedulden, bis das System in Betrieb sei. Ein Insider vermutet andere Gründe für die ELGA-Skepsis der Ärztekammer: „Man fürchtet sich vor der Transparenz, die durch ELGA entsteht. Jeder Schritt wird protokolliert. Und damit wird die Arbeit jedes Arztes für Patienten und Kollegen nachvollziehbar.“

AUF EINEN BLICK

Die Elektronische Gesundheitsakte ist am Donnerstag in Betrieb gegangen. Vorerst gibt es nur einen Zweck: Jeder Krankenversicherte hat ab sofort die Möglichkeit, sich von ELGA abzumelden. Der eigentliche Betrieb startet erst im Herbst 2014. Ab dann werden die Patientendaten schrittweise ins System gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2014)

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