Die letzten Tage: "Am Ende bäumt sich das Leben auf"

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THEMENBILD: ALTENPFLEGE BEI DER ãCARITASÒ - ILLUSTRATION ZUM Ò WELT-HOSPIZ-UND PALLIATIVE CARE-TAG 2005 ÒAPA
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Viele Menschen hängen gerade dann, wenn es zu Ende geht, an ihrem Leben. Und vieles, was sie vorher über Lebensqualität gedacht haben, hat keine Gültigkeit mehr. Eindrücke einer Diskussion über Mythen zum Lebensende.

Hochachtung für das Pflegepersonal. Viele Menschen im Publikum nicken zustimmend, als Werner Koenne ausspricht, wie sehr er die Ärzte und Pfleger im Haus der Barmherzigkeit für ihre Arbeit bewundert. Nach einem Schlaganfall war er acht Wochen lang im Koma gelegen – und erhielt danach eineinhalb Jahre palliative Behandlung. Nun schildert der 80-Jährige, wie er zu einem Beispiel dafür wurde, dass Palliativmedizin nicht nur Sterbebegleitung sein muss, sondern in manchen Fällen auch wieder Heilung bringen kann. „Irgendeine Stimme in mir hat mich gefragt, ob ich sterben will oder nicht“, erzählt er. „Nein, ich will nicht sterben“, habe er damals gesagt. Die Stimme habe zwar gemeint, dass es mühsam werde, doch er habe beschlossen, bei den Lebenden zu bleiben.


Wenig Erfahrung mit dem Tod. „Wie verbringen wir Österreicher die letzten Tage – Fakten und Mythen am Lebensende?“ ist der Titel der Veranstaltung, die das Haus der Barmherzigkeit Ende Mai veranstaltet. Und Koenne kommt auf dem Podium die Rolle zu, die Erfahrung eines Menschen weiterzugeben, der selbst mit dem Tod in Berührung gekommen ist. Und der damit den anderen Teilnehmern eines voraus hat. „Wir haben alle sehr wenig Erfahrung mit Sterben“, sagt Herbert Watzke – zumindest nicht mit dem eigenen. Aus beruflicher Sicht hat der Palliativmediziner dagegen viel mit dem Tod anderer Menschen zu tun. Und er bestätigt, was Koenne gesagt hat – dass Menschen am Lebensende oft sehr am Leben hängen. Und Aussagen von früher, als man noch gesund war – dass man in einer solchen Situation, in der man sich jetzt befindet, wohl lieber sterben würde – haben plötzlich keine Gültigkeit mehr. Dementsprechend sei es ein Fehler, aus der Sicht von außen darüber befinden zu wollen, was genau Lebensqualität für einen einzelnen ausmacht. Und auch Patientenverfügungen, ergänzt Moraltheologe Matthias Beck, würden deswegen immer wieder mündlich widerrufen. Denn „wenn der Tod kommt, bäumt sich das Leben oft noch einmal dagegen auf“.

Wo und in welchem Umfeld man seinen letzten Lebensabschnitt verbringen möchte, ist dabei auch eine gewichtige Frage. Oft ist der Wunsch zu hören, dass man in gewohnter Umgebung sterben möchte – meist in der eigenen Wohnung. Und womöglich umgeben von Angehörigen oder anderen Menschen, die einem nahe stehen. Allein, die Realität sieht meist anders aus. Wie Demograph Alexander Hanika von der Statistik Austria vorrechnet, starb etwa im Jahr 2012 rund die Hälfte aller Menschen in Österreich in einer Krankenanstalt. Immerhin, in den letzten 25 Jahren ist dieser Wert gesunken. Dafür ist der Anteil jener Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen verstarb, in diesem Zeitraum von 5 auf 17 Prozent gestiegen. Der Anteil jener Menschen, die an ihrer Wohnadresse starben, blieb dagegen weitgehend stabil bei rund 25 Prozent.

Und Hanika wirft auch noch einen Blick in die Zukunft – die Zahl älterer Menschen wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten massiv ansteigen. Umso wichtiger würden deswegen institutionelle Pflegeeinrichtungen, die sich der älteren Bevölkerung annehmen. Und Pflegeberufe müssten massiv aufgewertet werden, in gesellschaftlicher und in finanzieller Hinsicht. Denn sie sind es, die in Zukunft noch viel mehr Menschen im Alter, in der Krankheit und beim Sterbeprozess begleiten werden.

Am Ende. Leben.

Benefizabendzugunsten der Palliativstation der Elisabethinen Graz.
Fr., 13.Juni, 19 Uhr im Gr. Minoritensaal, Mariahilferplatz 3, 8020 Graz
Lesung: »Über das Helle im Dunklen« Steffi Krautz und Stefan Suske
Film: Schüler der HLW Sozialmanagement der Caritas Graz-Seckau auf der Palliativstation
Vortrag:
Arnold Mettnitzer – »Bitte höre, was ich nicht sage!«

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2014)

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