Schlafapnoe: Lebensgefährliches Schnarchen

Schlafapnoe: Lebensgefährliches Schnarchen
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Nächtliche Sägegeräusche vom Bettnachbarn sind lästig. Doch in manchen Fällen kann sich dahinter eine ernste Krankheit verbergen. Bei der Schlafapnoe kommt es laufend zu Atemstillständen mit teils schweren Folgen.

Es gehört zu den häufigsten Klischees, etliche Scheidungen sind darauf zurückzuführen und selbst Morde wurden deswegen schon verübt: Ein schnarchender Bettnachbar kann eine Lautstärke von Spitzen bis zu 90 Dezibel erreichen, was dem Lärm eines Presslufthammers nahekommt. Und das kann die mehr oder weniger freiwilligen Zuhörer ganz schön nerven, in seltenen Fällen sogar Mordlust wecken – den letzten bekannten Mord in Sachen Schnarchen beging ein chinesischer Student im Jahr 2010, er konnte die nächtlichen Lärmbelästigungen seines Kommilitonen einfach nicht mehr ertragen und griff zum Messer.

Schnarchen kann aber auch ohne Gewaltanwendung einige lebensgefährliche Risken bergen. Dann nämlich, wenn das Schnarchen mit zahlreichen Atemstillständen verbunden ist, die durch einen Verschluss der Atemwege hervorgerufen werden. Die Mediziner nennen dieses Phänomen obstruktive Schlafapnoe. Hannes B. etwa hatte 60 bis 70 Atemstillstände (Apnoen) in der Stunde. „Ich habe schlecht geschlafen und war bei Tag ständig müde, ausgelaugt, lustlos.“ Bei Sitzungen, erzählt der Wiener, seien ihm ständig die Augen zugefallen, auch Lebenslust und Partnerschaft hatten ziemlich gelitten. „Ich war ständig gereizt und ungeduldig.“

Kein Tiefschlaf. Atemstillstände von einigen Sekunden bis zu einer Minute – und das bis zu 70 Mal in der Stunde – führen zu einer Sauerstoff-Unterversorgung aller Organe und stellen für den Körper eine gewaltige Belastung und enormen Stress dar. Der Körper wird immer wieder in Alarmbereitschaft versetzt: Um ein Ersticken zu verhindern, kommt es zu ständigen Weckreaktionen im Gehirn. Der Betroffene wacht meist zwar nicht ganz auf, aber Tiefschlafphasen, die zur Erholung und Regeneration unerlässlich sind, gibt es mitunter fast keine mehr.

Zu weiteren möglichen Folgen der Schlafapnoe gehören unter anderem Tinnitus, Magengeschwüre, Diabetes, Bluthochdruck. Das Risiko von Herzinfarkt oder Schlaganfall ist deutlich höher, auch plötzliche Erblindung kann drohen. „Man darf nicht vergessen, dass die Atemstillstände auch im Sehzentrum zu einer bedrohlichen Sauerstoffunterversorgung führen können“, sagt Neurologe und Schlafforscher Manfred Walzl. Bei Männern kommen noch häufig Impotenz oder zumindest Erektionsstörungen dazu. Die dramatischste Folge des Schnarchens ist der plötzliche Herztod.

Doch am Anfang stehen nach durchschnarchten Nächten meist „nur“ Tagesmüdigkeit, Sekundenschlaf und Gereiztheit – sie können schon ein Hinweis darauf sein, dass das Sägen krankhafter Natur ist. Zur Unterscheidung: Das primäre Schnarchen allein, also Sägegeräusche ohne Atemaussetzer, richtet kaum gesundheitlichen Schaden an, wobei sich die Wissenschaft da noch nicht so ganz sicher ist. Sicher ist: 2,5 bis drei Millionen Österreicher schnarchen, mehr Männer als Frauen. „Einfaches Schnarchen ist in erster Linie für den Bettnachbarn störend, also ein soziales Problem“, sagt Walzl.

Woran könnte nun die Danebenliegende erkennen, dass ihr Partner apnoekrank und nicht nur eine Lärmbelästigung ist? Wenn der Schnarchende nicht nur sägt, sondern immer wieder nach Luft schnappt, ist das ein fast untrügliches Zeichen für eine Schlafapnoe. Weitere Zeichen sind möglicherweise auch morgendlicher oder nächtlicher Kopfschmerz sowie häufiger Harndrang in der Nacht. „Ich musste früher mindestens dreimal pro Nacht auf die Toilette“, erzählt Hannes B.

Klarheit bringt die Diagnose mittels Schlaflabor. „Es muss aber nicht immer gleich das große Schlaflabor mit EEG, EKG und anderen Parametern im fremden Bett sein“, meint Lungenfacharzt Martin Huppmann. Fürs Erste reicht auch der Apnoetest im eigenen Bett, im Fachjargon Polygraphie genannt. Ab Juli dieses Jahres zahlt auch die Wiener Gebietskrankenkasse diese Untersuchung, bei der der Betroffene ein Aufzeichnungsgerät mit nach Hause bekommt. Huppmann: „Damit wird die ganze Nacht jeder Atemzug, jeder Atemstillstand gemessen sowie die Sauerstoffsättigung im Blut.“ Vom Ergebnis dieser Messung sei es abhängig, ob eine Untersuchung in einem großen Schlaflabor überhaupt nötig sei oder nicht – hier gibt es jedenfalls Wartezeiten von neun Monaten und mehr.

Seiten- statt Rückenlage. Von der Diagnose hängt auch die Therapie ab. Bei primärem Schnarchen oder leichter Schlafapnoe hilft – im Falle von Übergewicht – oft schon eine Gewichtsreduktion. Übergewicht fördert übrigens das Schnarchen, weil sich Fett auch im Rachenraum einlagert und so den Atemweg einengt. Auch Seiten- statt Rückenlage im Bett kann die akustische Belästigung mitunter beseitigen. „Manche Betroffenen nähen einen Tennisball in ein T-Shirt, um nicht mehr in Rückenlage zu kommen“, erzählt Walzl. Auch Anti-Schnarchring, -schiene, -spray oder -spange sowie Schnarchpflaster können in leichten Fällen hilfreich sein.

„Manchen hat auch schon Logopädie geholfen“, berichtet Josef Hoza, der 2010 die Selbsthilfegruppe Schlafapnoe gegründet hat. Interessantes weiß Sepp Fegerl, ärztlicher Leiter im Gesundheitszentrum für Regeneration und Prävention Vollererhof in Puch bei Salzburg, zu berichten: „Ich habe oft erlebt, dass eine Darmsanierung durch eine F.X.-Mayr-Kur das Schnarchen beendet hat. Wenn der Darm nicht richtig arbeitet, führt das zu einer Fehlverdauung mit Fermentationsprozessen, die auch eine Erschlaffung der Rachenmuskulatur bewirken. Und diese Erschlaffung fördert das Schnarchen.“

Eine Operation sollte erst am Ende der Therapieskala stehen und nur bei strenger Indikation vorgenommen werden. Das Mittel der Wahl bei mittlerer und starker Apnoe, so Huppmann, sei die Beatmungstherapie, CPAP-Therapie genannt (Continuous Positive Airway Pressure). Dabei handelt es sich um ein Gerät mit Atemmaske. Was viele nicht wissen: Die Gebietskrankenkasse zahlt jährlich eine neue Maske.

„Am Anfang war mir der Gedanke, ich müsse nun lebenslänglich nachts so eine Maske tragen, fast unerträglich“, erzählt Hannes B. „Ich habe acht Monate täglich eine halbe Stunde Didgeridoo gespielt, nur um dieser Maske zu entkommen.“ Didgeridoo-Blasen, das in einigen Fällen helfen kann (weil dadurch Gewebe und Halsmuskulatur gefestigt werden), hat Patient B. nichts gebracht. Gerät und Maske wurden seine ständigen nächtlichen Begleiter. Als B. 1996 seine erste CPAP-Ausstattung bekam, waren die Geräte auch noch groß und laut. Heute sind sie kleiner als eine Damenhandtasche und ziemlich leise geworden.

„Irgendwie ist mir Gerät plus Maske zum Freund geworden, auch wenn die Maske gerade am Anfang wirklich gewöhnungsbedürftig ist“, sagt der heute 70-Jährige. „Ich liebe meine Maske zwar nach wie vor nicht innig, aber ich möchte nicht mehr ohne sie schlafen.“

Fakten zum Schnarchen

Beratung

Entstehung: Schnarchen entsteht durch die Schwingungen erschlaffter Rachenweichteile (Gaumensegel und Zäpfchen). Es liegt immer eine Blockade, respektive eine Einengung der Atemwege vor. Es kommt beim schlafenden Menschen in den oberen Atemwegen zu Vibrationen und zu den bekannten Geräuschen.

Krankhaftes Schnarchen: Medizinische obstruktive Schlafapnoe ist eine gefährliche Krankheit – hier verschließt sich der enge Atemweg immer wieder, es kommt dabei zu Atemstillständen von einigen Sekunden bis zu einer Minute – und das bis zu 70-mal in der Stunde. Die Folgen können Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall und im schlimmsten Fall vorzeitiger Tod sein.

Ursachen: Risikofaktoren und Verstärker für normales und krankhaftes Schnarchen sind unter anderem Veranlagung, Übergewicht, Alkohol, Nikotin, die Verwendung von Beruhigungs- und Schlafmitteln, Nasenscheidewandverkrümmung, Polypen und schließlich das Alter per se.

Häufigkeit:/b> Man geht davon aus, dass bei den über 40-Jährigen etwa 40 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen schnarchen, bei den über 50-jährigen Männern sollen es gar mehr als die Hälfte tun. Von Schlafapnoe sind offiziell rund 400.000 Österreicher betroffen, die Dunkelziffer aber ist höher. Denn viele gehen wegen „ein bisschen Schnarchen“ nicht zum Arzt – und riskieren damit unter Umständen ihr Leben.

Rat und Hilfe bietet unter anderem die Selbsthilfegruppe Schlafapnoe.
Info:www.schlafapnoe-shg.at
✆ 0664/150 86 27 (wochentags 9–16 h).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2014)

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