Jungbrunnen Wein und Liebe: Medizin ohne Rezept

(c) FABRY Clemens
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Jungbleiben beim Altwerden: Kann man selbst etwas dazu beitragen? Ja. Tipps zum gesunden Anti-Aging geben derzeit Fachleute in Lech.

Die schöne Seite der Medizin: Jungbrunnen Liebe, Jungbrunnen Wein – zwei der ansprechenden Themen, die bei Academia Medicinae in Lech am Arlberg ab heute behandelt werden. Das Motto der Veranstaltung „Jung bleiben, alt werden“. Kann Liebe, kann denn Wein dazu beitragen? In gewisser Weise ja.

Liebe beflügelt, „sie ist ein hervorragendes Medikament zur Verjüngung der Seele“, erklärt der Philosoph Martin Poltrum, auch Psychotherapeut am Anton-Proksch-Institut Wien, „und diesen Jungbrunnen gibt es für 30-Jährige genauso wie für 80-Jährige.“ Ob jung oder alt: Das beglückende Gefühl, das Liebe schenkt, ein Gefühl der Geborgenheit, der Beheimatung macht Menschen stark, versöhnt sie mit dem Leben. „Und allein das ist schon ein Quell von Gesundheit und Jungerhaltung“, sagt Poltrum.

Und was sagte einst Friedrich Nietzsche in „Nachgelassene Fragmente“: „Man scheint sich transfiguriert, stärker, reicher, vollkommener, man ist vollkommener . . . Und nicht nur, dass sie das Gefühl der Werte verschiebt . . . Der Liebende ist mehr wert, ist stärker.“ Was der Philosoph im 19. Jahrhundert schrieb, bestätigt die moderne Forschung: „Liebe trägt sehr stark zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls bei. Man wird in seiner Einzigartigkeit anerkannt, bestätigt“, weiß Poltrum, „da treten viele körperliche Beschwerden in den Hintergrund.“ Eine Liebesbeziehung sei das größte aller menschlicher Vermögen.

Auch junge Liebe, Verliebtheit – und davor ist auch ein 80-Jähriger nicht gefeit – kann etwas. Bei Verliebten schnellt etwa der Spiegel von Phenylethylamin (PEA) in die Höhe – PEA ist in der Lage, den Appetit zu zügeln. Verliebtheit ist also quasi die beste und wohl schönste Möglichkeit einer Diät. „Bei Frischverliebten ist auch das Immunsystem stärker und aktiver“, erwähnt Poltrum und erzählt aus seinem Alltag als Psychotherapeut: „Ein junger Mann litt seit Jahren sehr stark unter seiner Kleinwüchsigkeit. Er hatte schon alle möglichen Wachstumspräparate probiert, dachte bereits an eine Knochenverlängerung und kam schließlich todunglücklich zu mir in Psychotherapie. Nach der fünften Sitzung strahlte er, seine Körpergröße war plötzlich kein Problem mehr. Aber nicht meine Psychotherapie hatte ihm geholfen, sondern die Liebe. Er hatte eine Frau kennengelernt, die ihn großartig fand. Und so fühlte er sich dann auch. Liebe macht groß und relativiert viele Probleme. Und das zieht sich durch alle Altersschichten.“ Liebe, so Poltrum, sei eine verlebendigende und damit verjüngende Kraft. Und auch wenn Platon dereinst sagte „Liebe ist in dem, der liebt, nicht in dem, der geliebt wird“, so gilt all das Gesagte doch für eine erfüllende, das heißt beidseitige Liebe.

Dann aber habe jede Form von Liebe, so Poltrum, positive und gesundheitsfördernde Effekte und trage zur Verankerung im Leben bei – die Liebe zwischen Mann und Frau sowieso, aber auch die Freundesliebe, die Liebe zu einer Aufgabe, ja sogar die Liebe zu einem Hobby habe einen salutogenetischen Faktor. Freilich gibt es auch die Kehrseite der Liebe. Wenn eine Beziehung nur noch chronische Baustelle ist, raubt sie unheimlich viel Energie und macht á la longue krank. Im Anton-Proksch-Institut versucht Psychotherapeut Poltrum mit Liebesfilmen und anschließenden Gesprächsrunden die Seele von Suchtkranken wieder für die Liebe zu öffnen, „denn Liebe kann ein wichtiger Mosaikstein auf dem Weg zur Heilung von der Sucht sein. Liebe ist generell heilsam.“

LEXIKON WEIN

Die Medizin im Wein machen seine Inhaltsstoffe und da vor allem seine Polyphenole aus. Sie werden zu den sekundären Pflanzenstoffen gezählt und schützen auch Trauben vor UV-Strahlung, Temperaturschwankungen, Insekten, Pilzbefall und dergleichen.

Gesundbrunnen: Das wohl interessanteste und am besten beforschte Polyphenol ist das Resveratrol, das als echter Gesundbrunnen und als wahre Anti-Aging-Substanz gilt.

Orange Wines: Was derzeit ein echter Hype unter Weinkennern ist, ist in Wahrheit alles andere als neu – schon vor rund 4500 bis 5000 Jahren wurden Weine so hergestellt: Die Trauben werden gestampft (nicht gepresst) und kommen zur Maischgärung in riesige Amphoren. Dort verbleiben Traubensaft, Schale, und Kerne wochen- bis monatelang. So gelangt viel des Tausendsassas Resveratrol, das sich in erster Linie in der Schale befindet, in den Wein.

Ein Achtel, ein Viertel

Ist auch der Wein ein Heilmittel, wie schon die alten Ägypter empirisch festgestellt haben? Kann denn Alkohol tatsächlich jung erhalten? Was ist mit den vielen gefährlichen Seiten – vom Promille-Unfall bis zum Leberkrebs –, von denen man immer wieder hört? Das Wichtigste daher zuerst: Alkohol kann Jungbrunnen sein, aber nur in Maßen genossen. Zu viel des Guten kann in diesem Fall nur allzu rasch zum Killer werden. „Man kann das nicht oft genug betonen“, sagt Markus Metka, Präsident der österreichischen Anti-Aging-Gesellschaft. Das gesunde Maß ist ein gutes Achterl Wein für Frauen und ein Viertel für Männer – täglich. Aber es soll nicht irgendein Wein sein, rot ist besser als weiß und der Orange ist mindestens so gesund wie der Rote. In Wahrheit sind die Orange Wines – momentan der Hype bei Kennern – Weißweine. Was sie so speziell macht, ist die Art der Produktion: Die Trauben werden gestampft, kommen dann in riesige Amphoren und gären hier Monate in der Maische. Während des Gärprozesses hat der sich entwickelnde Wein Gelegenheit, sich viel des für den Menschen so gesunden Resveratrols anzueignen, das sich in den Schalen der Weintrauben befindet. Auch bei Rotweinen ist die Maischgärung üblich, womit auch sie länger in Kontakt mit der Schale sind und so mehr des weißen Feststoffs Resveratrol in den Wein gelangen kann. Bei Weißweinen aber werden die Schalen gleich nach der Pressung entfernt, sie haben also den geringsten Resveratrolgehalt.

Das Polyphenol Resveratrol, eine der am besten erforschten Substanzen weltweit, tut uns auf vielerlei Arten gut, wie tausende Studien belegen. Positive Effekte soll die Substanz unter anderem gegen Arteriosklerose, Alzheimer, Arthritis und eventuell auch Krebs haben. „Eine besondere Anti-Aging-Substanz“, so Metka, „die das Herz schützt, das gesunde HDL-Cholesterin erhöht, den Blutdruck senkt und die Zellalterung verlangsamt.“ Die Jungbrunnenwirkung auf unsere Zellen löst Resveratrol auf zwei Wegen aus: Zum einen versetzt es unsere Zellen in eine Art leichten Winterschlaf. „Sie laufen dann nicht mehr auf Hochtouren, teilen sich nicht mehr so schnell und altern daher langsamer.“ US-Wissenschaftler haben zudem herausgefunden, dass Resveratrol in der Lage sein könnte, die Langlebigkeitsgene Sirtuine zu aktivieren. Andere wissenschaftliche Untersuchungen wiederum haben ergeben, dass Resveratrol entzündungshemmend und ein hervorragendes Antioxidans sei, „auch auf diesem Weg wirkt es als Altersbremse.“

Bei der Zuckerkrankheit kann Rotwein ebenso gute Dienste leisten. Alois Jungbauer, Professor an der Wiener Universität für Bodenkultur, hat herausgefunden, dass 100 Milliliter Rotwein auf den Zuckerstoffwechsel eine ähnliche positive Wirkung haben wie eine Tablette des Diabetesmedikaments Metformin.

Traubensaft reicht nicht

Aber muss es Wein sein? Können nicht auch Trauben zur Jungerhaltung beitragen? „Leider nein“, sagt Metka. Man müsste kiloweise Trauben essen, um auf dieselbe Menge Resveratrol zu kommen, die zwei Gläser Rotwein bieten. Auch der Traubensaft beinhaltet viel weniger des guten Stoffs als der Wein. Und was ist mit extrahiertem Resveratrol in Tablettenform? Dies wurde schon mehrfach versucht, ist aber nicht gelungen. Denn wieder einmal ist, wie so oft in der Natur, das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Presst man nur einen Teil in Pillen, geht viel der vielfältigen Wirkung verloren, „Monosubstanzen sind generell nicht so wirksam und der Wein besitzt ja nicht nur Resveratrol, sondern unter anderem auch Quercetin, Acetylsäure, Kalium, Magnesium. Erst im Zusammenspiel mit seinen vielen anderen Inhaltsstoffen wird der Rebensaft zum kostbaren Anti-Aging-Drink“, sagt Metka und betont: „Aber nur bei moderatem Genuss, sonst verdreht sich das Ganze ins Gegenteil.“

TERMIN - Für immer Jung

„Jung bleiben – alt werden“ ist das Motto der ersten Academia Medicinae Lech, die vom 22. bis 24. Juni in Lech am Arlberg abgehalten wird. Bei der Veranstaltung, bei der auch interessierte Laien willkommen sind, werden sich prominente Referenten mit Anti-Aging-Strategien beschäftigen und die neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse präsentieren.

Die Grundlagen der Anti-Aging-Medizin beruhen neben der Genetik vor allem auf Aspekten der Ernährung, Umwelt, Bewegung und des Zusammenspiels von Körper und Geist.

Über „Jungbrunnen Liebe“ spricht Martin Poltrum heute, 22. Juni, um 15.30 Uhr, der „Jungbrunnen Wein“ wird dann um 17.30 Uhr behandelt (Referenten Markus Metka und Alois Jungbauer). Im Anschluss gibt es eine Verkostung von Orange Wines.

Kräuter & Cocktails. Themen wie „Positive Wirkung von Kräutern und Gewürzen auf den Fett- und Zuckerstoffwechsel“ oder „Neuester Stand der alterspräventiven Medizin“ oder „Wieviel und welche Bewegung ist gut für Anti-Aging?“ sind dann Montag und Dienstag an der Reihe. Am Montag findet zudem eine geführte Kräuterwanderung statt, abends gibt es Anti-Aging-Cocktails.

Aktuelle Informationen auf der Homepage www.aml.or.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2014)

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