Sodbrennen: Als würde ständig etwas im Hals stecken

Waltraud Husek
Waltraud HusekDie Presse
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Bewegungsarmut, üppige Mahlzeiten und Übergewicht können Sodbrennen fördern. Das wiederum ist nur eines der Symptome der Refluxkrankheit. Und diese kann auch Menschen treffen, die schlank und sportlich sind.

Einen Blattsalat ohne Essig? Kann ich mir nicht vorstellen, ich liebe Essig. Da brauche ich gleich gar keinen Salat mehr essen“, dachte Waltraud Husek vor etwa fünf Wochen. Sie ärgerte sich fast ein bisschen über den restriktiven 14-Tage-Diätplan, den ihr der Arzt gegen ihr Sodbrennen empfohlen hatte. Salat ohne Essig, kein Krümel Brot, kein einziges Reiskörnchen, keine Butter, keine Zwiebel, keine Suppe, „dafür drei bis vier Äpfel und harte Eier zum Frühstück.“ Die gebürtige Vorarlbergerin, die gern gutes Essen genießt, hat die strengen Ernährungsregeln dennoch eingehalten. „Na ja, 14 Tage kann man das schon einmal durchhalten.“

Heute gerät die 46-Jährige regelrecht ins Schwärmen, wenn sie von Salat ohne Essig spricht. „Das schmeckt hervorragend, nur mit Olivenöl, Salz und Kräutern, ich konnte mir das vorher auch nicht vorstellen.“ Nicht wirklich vorstellen konnte sich die dunkelhaarige Frau anfangs auch, dass die 14-Tage-Kur wirklich wirkt. Sie wirkte: Sodbrennen, das die Versicherungsangestellte vorher drei- bis viermal die Woche quälte, kommt jetzt sehr selten vor. „Falsche Ernährung, aber auch Bewegungsmangel schwächen das Anti-Reflux-Ventil am Ausgang der Speiseröhre, und das kann zu starkem Sodbrennen führen“, sagt Huseks Arzt Martin Riegler, medizinischer Leiter des Reflux-Medical-Diagnose- und Therapiezentrums in Wien.

Übergewicht "brennt". Sodbrennen ist nur eines der möglichen Symptome der Refluxkrankheit, bei der die aggressive Magensäure in die Speiseröhre (Ösophagus) zurückfließt (Reflux) und hier schwere Schäden anrichten kann. Der Reflux kommt zustande, weil der Schließmuskel am Übergang zwischen Magen und Speiseröhre (der sogenannte Ösophagus-Sphinkter) nicht mehr einwandfrei funktioniert. Gefördert wird dies unter anderem durch regelmäßiges Überessen. Auch Übergewicht oder große Mahlzeiten am späten Abend sowie eben Bewegungsmangel tragen ihren Teil dazu bei.

Mindestens 20 bis 30 Prozent der Österreicher werden regelmäßig von diesem Leiden, auch Gerd genannt (vom Englischen: gastroesophageal reflux disease), gequält. Und nicht ein jeder leidet unter Sodbrennen, Gerd kann sich ferner in Magenweh äußern, in Hustenreiz oder Asthma-Anfällen, in Stimmverlust oder Heiserkeit, in saurem Aufstoßen, in Hals- und Brustschmerzen oder vermehrter Schleimproduktion im Rachen. Auch hinter immer wiederkehrenden Kehlkopfentzündungen kann Gerd stecken.

Süßes macht sauer.
„Ich spürte ein Brennen nicht nur in der Speiseröhre, sondern auch im Kehlkopf“, berichtet Patientin Husek. „Es war ein unangenehmes Gefühl, als wenn mir ständig etwas im Hals stecken würde. Das trat häufig nach dem Essen auf, besonders nach einem schweren Essen.“

„Die Beschwerden treten besonders nach üppigen Mahlzeiten auf, denn dann muss der Magen besonders viel Säure produzieren, um das Essen zu verdauen“, schreiben Michael Rogy, Chirurg mit Schwerpunkt Magen- und Darmerkrankungen in Wien, und Erika Pirich, Ärztin für Allgemein- und Ernährungsmedizin in Wien, in dem Buch „Ernährung bei Sodbrennen“. Auch Süßigkeiten gehören zu den „Säurelockern“. Rogy: „Zu scharf gewürzte oder zu heiße Speisen und Getränke kurbeln die Säureproduktion ebenfalls an.“ Vorsicht ist auch bei fetten und frittierten Speisen wie Pommes frites geboten.

Ständige Säurebelastung kann zu einer Veränderung der Speiseröhrenschleimhaut, im schlimmsten Fall zu Speiseröhrenkrebs führen. Festgestellt wird dies im Rahmen einer Spiegelung von Magen und Speiseröhre.

Schokolade kann nicht nur wegen ihres Zuckergehalts Beschwerden machen. „Die Inhaltsstoffe von Kakao wirken auf den Schließmuskel zwischen Speiseröhre und Magen entspannend, so dass er nicht schließt. Besonders abends kann Schokolade leicht zu nächtlichem Sodbrennen führen“, sagt Autor Michael Rogy.

„Nicht jeder Betroffene reagiert auf die gleichen Nahrungsmittel mit Beschwerden“, schränkt Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin, ein. Während der eine Patient nach dem Konsum von Essiggurkerl Sodbrennen bekommt, macht das einem zweiten nichts aus. „Bei einigen erzeugt Kaffee Sodbrennen, bei anderen nicht. Das ist individuell verschieden, das muss jeder für sich selbst ausprobieren“, sagt Widhalm. Er hält wenig von einer verordneten Diät. „Viel besser ist es, anhand der individuellen Ernährungsgewohnheit sukzessive kleine Veränderungen vorzunehmen.“

Abnehmen hilft. „Ich habe vor allem Probleme mit Süßigkeiten und Süßspeisen, da muss ich echt aufpassen“, hat Waltraud Husek für sich herausgefunden. Und am Abend versucht sie, schweres Essen zu vermeiden. Probleme mit Übergewicht hat sie nicht – die Versicherungsangstellte ist schlank und sportlich. Dicken, Bewegungsfaulen und Rauchern, die unter Sodbrennen leiden, könnte Abnehmen, regelmäßiges Training oder ein Zigarettenverzicht Linderung verschaffen.

Wenn das alles nichts hilft, können es bestimmte Medikamente tun. Pflanzliche Mittel als physikalische Säurebarriere sind zum Beispiel für gelegentliches Sodbrennen geeignet. Säurebinder oder Protonenpumpenhemmer sollten nicht ohne ärztliche Aufsicht eingenommen werden (Langzeitschäden und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind möglich). Ist das Leiden weiter fortgeschritten, muss an eine Operation gedacht werden. „Aber nur bei rund drei Prozent der Patienten ist eine operative Maßnahme notwendig“, sagt Reflux-Experte Martin Riegler.

Waltraud Husek ist all das erspart geblieben. Sie hat rechtzeitig mit einer diätischen Therapie begonnen und hat das Problem nun im Griff. „Wenn ich übermorgen bei Freunden meine geliebten Marillenknödel bekomme, werde ich eben nicht drei oder vier essen“, sagt sie. „Aber einen werde ich mir schon gönnen.“

ERSCHIENEN

»Ernährung bei Sodbrennen« von Michael Rogy, Erika Pirich. Verlag Maudrich, 96Seiten, 14,50 €

Das Buch rät nicht zu einer strengen Einheitsdiät, sondern gibt Tipps und Ratschläge sowie 80Rezepte und medizinische Hintergrundinfos.

Tabelle. Im Buch gibt es Tabellen wie „Bei Sodbrennen gut beziehungsweise weniger gut verträgliche Lebensmittel“ sowie „Was tun im Akutfall von Sodbrennen“.

Kaugummi nach dem Essen wird im Buch als eine der „goldenen Ernährungsregeln“ bei Sodbrennen bezeichnet.

Keine Milch. Große Mengen von Milch lassen nicht nur die Säureproduktion des Magens auf ein Vielfaches ansteigen, sondern können auch zu einer verzögerten Abheilung von Magengeschwüren führen.

Tipps gegen Sodbrennen im Urlaub

Wer immer wieder an leichterem Sodbrennen leidet, muss und soll nicht gleich zu Tabletten greifen – oft helfen ein paar kleine Maßnahmen. Und diese gelten auch im Urlaub.

•Stress meiden: Nicht direkt vom Bürosessel ins Flugzeug – Stress fördert Sodbrennen.
•Viel trinken: „Schon in der Früh, bevor man sich an den Strand oder Pool begibt, sollte man etwa zwei Liter Flüssigkeit trinken“, rät der Arzt und Reflux-Experte Martin Riegler. „Denn wie wir alle wissen, trinkt man im Bad oder auf einer Besichtigungstour eher wenig. Und Flüssigkeitsmangel kann zu Sodbrennen führen.“
•Mit Gurken ans Meer: „Jede Stunde einen grünen Apfel oder besser noch, fünf bis sechs Scheiben Salatgurke essen“, empfiehlt Riegler. Das stellt nicht nur Energie bereit, sondern beugt Sodbrennen auch vor. „Aber auch im Akutfall können Gurkenscheiben Sodbrennen lindern. Dann muss man allerdings alle 15 Minuten fünf bis sechs Scheiben essen. Das neutralisiert die Magensäure und beruhigt die Magenschleimhaut. Außerdem liefern Gurken Flüssigkeit, Vitamine und Faserstoffe.“
•Karottensaft an der Hotelbar: In Akutfällen können aber auch folgende weiteren Maßnahmen helfen: ein Glas frisch gepresster Karottensaft oder zimmerwarmes Wasser, Malven-, Kamillen-, Ringelblumenblüten- oder Eibischtee, fünf bis sechs Esslöffel Magertopfen, Weißbrot.
•Mandeln im Sack: Betroffene, die geschäftlich unterwegs beziehungsweise auf Urlaubsreise sind, sollten sich auch geschälte Mandeln einpacken. „Sie helfen ebenso bei akutem Sodbrennen, man muss sie nur gut kauen“, empfiehlt Chirurg Michael Rogy in dem Buch „Ernährung bei Sodbrennen“.
•Ferien ohne Cola: Bei Empfindlichen können süße Getränke sowie Drinks mit Kohlensäure, Weißwein, Zitrussäfte oder Kaffee Sodbrennen auslösen – müssen aber nicht, das ist individuell unterschiedlich. Wer auf Kaffee nicht verzichten will, sollte ihn zumindest nicht auf leeren Magen trinken – eine Tasse Kamillentee davor wirkt oft wahre Wunder.
•Mittagsbuffet ohne Pommes:Frittierte und panierte Speisen können bei einigen Menschen zu Sodbrennen führen. Auch zu üppige, zu fette, zu stark gewürzte oder zu heiße sowie saure Speisen (Essiggurken, Essig) und Süßigkeiten können Beschwerden hervorrufen.
•Keine späten Mahlzeiten: Urlaub hin, lange Nächte her – wer zu spät zu Üppiges isst, hat das nächtliche Sodbrennen mehr oder weniger gepachtet. Daher auch in den Ferien besser auf ausgedehnte, späte Mahlzeiten verzichten.
•Kleine Mahlzeiten: Besser mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt (fünf bis sechs) als drei große.
•Gut kauen: Dabei entsteht viel Speichel, der in der Lage ist, zu viel Säure im Magen zu neutralisieren.
•Kopf hoch: Bei nächtlichem Sodbrennen hilft es oft, den Kopf beim Schlafen etwas höher zu lagern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2014)

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