Auswege aus dem Ärztemangel

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Unbesetzte Ambulanzen und Ordinationen zwingen die Politik zum Handeln. Bessere Arbeitsbedingungen sollen dem Ärztemangel entgegenwirken.

Wien. „Wanted. Vorarlberg sucht Turnusärzte.“ Mit diesem Slogan kämpfen Vorarlberger Krankenhäuser um Medizinabsolventen. Als Lockmittel gibt es außer gutem Gehalt und bezahlter Weiterbildung auch das Versprechen, keine Wartezeit für eine Turnusstelle zu haben. Letzteres bieten mittlerweile schon mehrere Krankenhäuser an – doch ungewollt. Denn ein großer Andrang und damit Wartezeiten für Turnusstellen sind in Österreich mittlerweile mehr Rarität als Regel. In Wien beträgt die Wartezeit nur mehr drei Monate. „Das ist um einiges weniger als früher, als es teilweise bis zu drei Jahre Wartezeit waren“, erklärt Christoph Mierau, Sprecher des Wiener Krankenanstaltenverbundes. Auch die Ärztekammer klagt, für Stellen immer schwieriger Bewerber zu finden. Wie dem Problem nun nachhaltig begegnet werden soll – daran scheiden sich die Geister. Die Politik reagiert spät aber doch.

Im Oktober starten die ersten Studienanfänger der neu gegründeten Linzer Medizinfakultät. Die derzeit 60 Studienplätze werden in den nächsten Jahren auf 300 pro Jahr ausgeweitet. Diese eingerechnet gibt es heuer in ganz Österreich 1466 Studienplätze – so viele wie noch nie zuvor. Das ändert freilich nichts an den kritisierten Arbeitsbedingungen.

Zahlen der Ärztekammer zeigen, dass heuer beispielsweise nur ungefähr 60 Prozent der Absolventen des Jahrgangs 2011 in Österreich ärztlich tätig sind. Viele sind ins Ausland abgewandert. 2013 waren in Deutschland 2700 Ärzte aus Österreich tätig. „Wir befinden uns in einem internationalen Wettbewerb“, sagt Martin Stickler, Sprecher der Ärztekammer Österreich.

Ein tendenziell steigendes Interesse gibt es von Ärzten aus Osteuropa, die in Österreich arbeiten wollen. Heuer wurden bereits von der Ärztekammer 200 Deutschprüfungen, die für ausländische Ärzte verpflichtend sind, abgenommen. „Um den Ärztemangel zu beseitigen, ist aber die Anzahl zu gering“, erklärt Stickler.

Durch die Arbeitszeitrichtlinie der EU sind 48 Stunden pro Woche als Höchstarbeitszeit festgeschrieben. Durch die notwendige Anpassung verstärkt sich kurzfristig der Ärztemangel, doch weniger Dienste und Überstunden machen den Beruf attraktiver.
Zur Entlastung der Turnusärzte ist das Abgeben bestimmter ärztlicher Tätigkeiten an das Pflegepersonal geplant, zum Beispiel: Blut abnehmen, Infusionen anhängen oder Spritzen verabreichen.

Die neue Ärzteausbildung sieht nach dem Studium statt des dreijährigen Turnus eine neunmonatige Basisausbildung vor. An diese schließt eine Facharztausbildung an. Die Ärztekammer kritisiert, dass keine verpflichtende Lehrpraxis für die neue Ausbildung vorgesehen ist. Mit einer solchen Lehrpraxis würden sich mehr Bewerber für den ländlichen Bereich finden, der stark unter dem Ärztemangel leidet.

Bereits beschlossen ist die neue Primärversorgung. Sie sieht ein Netzwerk mehrerer Gesundheitsdienstleister vor, das sich um die Patienten kümmert. Geleitet wird dieses vom Hausarzt. Auch wird es Gemeinschaftspraxen geben. Das neue Modell soll außer der Verbesserung für Patienten auch eine bessere Work-Life-Balance für Ärzte bringen. „Unter dem Strich muss eines geschaffen werden“, so Stickler, „der Arztberuf muss wieder Freude machen.“
Siehe Oberhauser-Interview S. 9

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2014)

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