Wenn das Blut „falsch“ gerinnt

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Ein Gefäßverschluss kann tödlich sein. Welche Rolle spielt die eigene Immunabwehr dabei? Ein Forschungsnetzwerk an der Med-Uni Wien will die Zusammenhänge aufdecken.

Herzinfarkt, Schlaganfall oder Lungenembolie sind lebensbedrohliche Erkrankungen und haben einiges gemeinsam: Ein Blutgefäß wird verschlossen. Das kann durch ein Blutgerinnsel passieren. Dessen Entstehung ist noch nicht vollständig geklärt. Unter dem Titel „Zelluläre Mediatoren zwischen Entzündung und Thrombose“ untersucht ein großes Netzwerk an der Med-Uni Wien den Einfluss des Immunsystems auf die Blutgerinnung.

Das Netzwerk ist einer der jüngsten bewilligten Spezialforschungsbereiche (SFB) des Wissenschaftsfonds FWF und wird für die ersten vier Jahre mit 5,4 Millionen Euro gefördert. „Thrombotische Prozesse, zu denen Schlaganfall und Herzinfarkt zählen, sind mit einer krankhaften Aktivierung der Blutgerinnung verbunden“, sagt der Sprecher des Netzwerkes, Johannes Schmid. Besonders chronische Entzündungen – wie bei Zuckerkrankheit, Fettleibigkeit oder einigen Krebserkrankungen – sind hierfür verantwortlich. Aber auch ungesunde Ernährung kann Entzündungsprozesse fördern.

Auch Atherosklerose ist eine chronische Entzündung in den Blutgefäßen: Die Gefäße „verkalken“. Das führt zu einer fehlerhaften Gerinnung. An dem Prozess sind verschiedene Immunzellen beteiligt. „Wenn jemand etwa einen zu hohen Cholesterinspiegel hat, beginnen Abwehrzellen die Cholesterinverbindungen aufzunehmen.“ Die Zellen wandeln sich um und als Folge vermehren sich die Muskelzellen, die das Blutgefäß umgeben. Das Gefäß wird enger.

„Es entstehen Verwirbelungen im Blutstrom“, sagt Schmid. „Das fördert die Bildung von Ablagerungen an der Gefäßwand.“ Wenn sich dann eine Ablagerung löst, wird die Blutgerinnung aktiviert und das Gefäß kann verstopfen.

Insgesamt arbeiten im SFB-Netzwerk zirka sechzig Grundlagenforscher und Kliniker in zehn verschiedenen Forschungsgruppen. Die Gruppe von Johannes Schmid beschäftigt sich mit Signalwegen, die bei Entzündungsprozessen ablaufen. Dazu verwendet die Gruppe unter anderem Vorläuferzellen von Blutplättchen, die an der Gerinnung mitbeteiligt sind. „Wir versetzen die Zellen in einen dauerhaften Entzündungszustand. Dadurch wollen wir herausfinden, ob die gebildeten Blutplättchen veränderte Eigenschaften aufweisen oder eine höhere Tendenz haben, ein Blutgerinnsel zu bilden.“

Therapiestudien geplant

Die Kardiologin Irene Lang arbeitet mit ihrem Team auch mit Patienten. Sie sammeln Blutpfropfen, Thromben, von Patienten, die so einen Verschluss hatten, für die Analyse im Labor. „Wir wollen nicht nur die Mechanismen entdecken, die zum Verschluss führen, sondern auch jene, die das Gefäß offen halten“, sagt Lang. Sie plant Therapiestudien: Denn bestimmte Immunzellen stoßen ihre eigene Erbsubstanz aus, die die Blutgerinnung aktiviert. Mit neuen Medikamenten, die die ausgestoßene Erbsubstanz abbauen, könnten Blutgerinnsel besser aufgelöst werden.

Auch derzeitige Therapien sollen verbessert werden. Viele Patienten mit erhöhtem Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erhalten blutverdünnende Medikamente. Diese unterdrücken teilweise die Blutgerinnung, um einem Verschluss vorzubeugen. „Doch Blutverdünner sind sehr unspezifisch“, sagt Schmid.

Denn für die Patienten besteht auch im normalen Leben ein erhöhtes Blutungsrisiko – beispielsweise ein Nachteil bei Operationen. Deshalb wollen die Forscher an der entzündlichen Komponente ansetzen. Nicht das Gerinnungssystem, sondern die Entzündung soll unterbunden werden, um so die Patienten vor einem Schlaganfall, Herzinfarkt oder einer Embolie zu schützen. Die normale Blutgerinnung bliebe so erhalten.

LEXIKON

Die Blutgerinnung soll den Körper bei Verletzungen vor hohem Blutverlust schützen. Zellen und Bestandteile des Blutes bilden einen Klumpen, der die Wunde verschließt. Aber auch eine veränderte Fließgeschwindigkeit oder Schäden in der Gefäßwand können diese Gerinnung auslösen. Es entsteht ein Thrombus, der vom Blut mitgerissen werden kann. Bei einem Gefäßverschluss entsteht ein Infarkt, da das Gewebe zu wenig Sauerstoff und Nährstoffe erhält.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2014)

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