Zusatzversicherung entscheidet über Wartezeit bei OP

Zusatzversicherung entscheidet über Wartezeit bei OP
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In Österreichs Kliniken werden privat Versicherte deutlich früher operiert als Patienten ohne Zusatzversicherung. Nur Niederösterreich hat transparente Wartelisten.

Wien. Es ist eine unbequeme Wahrheit in Österreichs Krankenhäusern. Wer privat versichert ist – von Ärzten auch Küss-die-Hand-Patient genannt – kommt bei sogenannten elektiven, also nicht dringenden, Operationen früher dran als Patienten ohne Zusatzversicherung.

Zumeist handelt es sich dabei um chirurgische Eingriffe in der Orthopädie (vor allem Hüft- und Kniegelenksersatz- bzw. Schulteroperationen), Gynäkologie (Gebärmutterentfernungen), Augenheilkunde (Grauer Star) und HNO (Nasenoperationen bei Schnarchern).

Das ergaben aktuell wieder zwei Untersuchungen – eine vom Verein für Konsumenteninformation und eine des Instituts für Höhere Studien (IHS) mit Thomas Czypionka als Erstautor. In letzterer heißt es: „Mithilfe der Patientenbefragung konnte die von den Patientenvertretern geäußerte Annahme, dass eine private Krankenzusatzversicherung bzw. eine private Zuzahlung bzw. ein Besuch einer Privatordination die Wartezeit verkürzt, bestätigt werden. Patienten mit einer privaten Krankenzusatzversicherung haben in Fondsspitälern (öffentlichen Krankenhäusern mit öffentlicher oder privater Trägerschaft, keine reinen Privatspitäler, Anm.) eine signifikant kürzere Wartezeit als Patienten ohne private Krankenzusatzversicherung.“

1. Wie entstehen Wartezeiten für Operationen?

Kein österreichisches Krankenhaus hat die Kapazitäten, jede Operation unverzüglich durchzuführen. Also entstehen Wartezeiten, deren Kriterien die Spitäler im Wesentlichen selbst festlegen können. Der Knackpunkt: Elektive Operationen wie etwa die genannten orthopädische Eingriffe sind bei Patienten ohne Zusatzversicherung oft nur kostendeckend – manchmal sogar ein Verlustgeschäft, da bei der Abrechnung durch die Gebietskrankenkasse etwa Komplikationen nicht einkalkuliert werden. Privatversicherungen hingegen zahlen für dieselbe Behandlung bzw. Operation deutlich mehr – also werden Sonderklassepatienten oft vorgereiht, schließlich bringen sie das meiste Geld ein. Das geht so weit, dass diese Patienten Druck auf die Krankenhäuser ausüben und damit drohen, in ein anderes zu gehen, sollten sie nicht sobald wie möglich operiert werden. Insbesondere in Wien beklagen Ärzte darüber hinaus eine „gängige Kultur der Korruption“ – dass Ärzte also durch private Zuzahlungen von Patienten bestochen werden, sich für kürzere Wartezeiten in den Krankenhäusern einzusetzen.

2. Wie lang warten Patienten im Durchschnitt?

Der Studie des Instituts für Höhere Studien zufolge warten in Österreich Patienten im Durchschnitt 2,1 Monate auf eine Hüftgelenksoperation, die Wartezeit auf eine Kniegelenksoperation beträgt im Schnitt rund 2,5 Monate. Eine Befragung der Krankenanstaltenbetriebsgesellschaften stellte des Weiteren starke Unterschiede bei der Wartezeit sowohl zwischen als auch innerhalb der einzelnen Bundesländer fest. So variiert die Wartezeit auf orthopädische Operationen zwischen unter einem Monat und acht Monaten, die auf ophthalmologische Operationen zwischen unter einem Monat und fast zwölf Monaten.

In der Orthopädie (Hüft-, Knie- und Schultergelenksoperation) sind es im Burgenland rund 24 Wochen, in Kärnten unter vier Wochen. Die NÖ-Landesholding führt für Kniegelenksoperationen beispielsweise acht bis 29,7 Wochen an, die oberösterreichische Gespag für die orthopädischen Eingriffe insgesamt 6,6 bis 52 Wochen. Aus Salzburg (Salk) und in Tirol (Tilak) gab es keine Angaben. In Vorarlberg wurden rund 16 Wochen angegeben, in Wien beim KAV zehn bis 16 Wochen für Kniegelenksoperationen, bei der Vinzenz-Gruppe 8,6 bis 35,7 Wochen. In der Steiermark sind es bei Knie-OPs zwischen 1,9 und 21,4 Wochen – je nach Schweregrad. Auf eine Kataraktoperation (Grauer Star) wartet man in Vorarlberg mit rund 50 Wochen am längsten.

3. Sind die Wartelisten öffentlich einsehbar?

Zwar hat das Gesundheitsministerium versucht, mit einer Krankenanstaltengesetz-Novelle 2011 transparente Wartelisten für geplante Eingriffe durchzusetzen, doch wirklich gläsern wollen die Bundesländer als Spitalserhalter offenbar nicht sein. Im Internet und für Patienten wie Nichtpatienten einsehbar sind die Wartelisten nur in Niederösterreich und Oberösterreich. Sonst heißt die Antwort überall: „Nein“. Nur mögliche Patienten und bereits angemeldete erhalten die Infos. Czypionka: „Wir haben eine Kultur der Furcht vor der Wahrheit. Man hätte sich schon erwartet, dass der Steuerzahler, auch ohne selbst schon Patient zu sein, in die Wartelisten Einschau halten kann.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2014)

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