Gesundheit: Psycho-Gesetz ist vielen Firmen egal

Themenbild: Psychische Belastungen
Themenbild: Psychische BelastungenImago
  • Drucken

Seit zwei Jahren sind alle Unternehmen verpflichtet, Maßnahmen zur Prävention von psychischen Erkrankungen zu ergreifen. Doch nur 21 Prozent der Firmen halten sich daran.

Wien. Obwohl der Begriff Burn-out in aller Munde ist, sind psychische Erkrankungen in vielen Firmen noch immer ein Tabu. Um das zu ändern, wurde das Arbeitnehmerschutzgesetz geändert. Demnach sind seit Anfang 2013 alle österreichischen Unternehmen verpflichtet, Maßnahmen zur Verhinderung von psychischen Erkrankungen vorzunehmen. Das Gesetz gilt für sämtliche Firmen, auch wenn diese nur einen Mitarbeiter beschäftigen.

Das Arbeitsinspektorat hat einen Leitfaden veröffentlicht, wie hier vorzugehen ist. Zunächst sind die Betriebe verpflichtet, eine Evaluierung der Stressfaktoren am Arbeitsplatz vorzunehmen. Dazu sollen die Mitarbeiter befragt werden. Die Ergebnisse der anonymen Befragung müssen nachvollziehbar sein und dokumentiert werden. Nach der Feststellung der Ist-Situation müssen die Unternehmen einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Lage erstellen.

Die Vorschriften sorgen für Kritik. Viele Firmen ärgern sich über den finanziellen und bürokratischen Aufwand. Große Konzerne beschäftigen mittlerweile Arbeitspsychologen. Laut Gesetz können auch die in den Unternehmen bereits tätigen Arbeitsmediziner für den psychologischen Bereich zuständig sein.

Eine am Dienstag vom Meinungsforschungsinstitut Ifes im Auftrag der Arbeiterkammer veröffentlichte Umfrage zeigt jedoch, dass die Wirtschaft das Gesetz teilweise ignoriert. Befragt wurden 245Betriebsräte von größeren Unternehmen. Dabei handelt es sich meist um den Vorsitzenden des Betriebsrats beziehungsweise deren Stellvertreter.

Herausgekommen ist, dass nur 21 Prozent der Unternehmen die vom Gesetz vorgeschriebene Evaluierung psychischer Belastungen durchgeführt haben. 33 Prozent der befragten Betriebsräte gaben an, dass in ihren Firmen die Evaluierung erst in Teilbereichen vorgenommen wurde. „Zwei Jahre Schonfrist ist genug“, ärgert sich Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske. Es sei untragbar, dass sich so viele Firmen nicht an das Gesetz halten. Er verlangt verschärfte Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat. Laut „Presse“-Informationen drückten die Arbeitsinspektoren bislang ein Auge zu.

Wurde bei einer Kontrolle festgestellt, dass eine Firma noch keine Evaluierung der psychischen Belastungsfaktoren vorgenommen hat, gab es meist eine Nachfrist.

Ruf nach Arbeitsinspektoren

„Nur den Zeigefinger zu heben ist zu wenig“, meint Kaske. Er verlangt empfindliche Strafen bei Verstößen. Möglich sind Bußgelder von bis zu 16.000 Euro.

Ein Vorbild bei der Früherkennung von psychischen Erkrankungen ist interessanterweise die Erste Bank. Das Institut hat schon 2005 ein eigenes Gesundheitszentrum gegründet. Dort sind drei Arbeitsmediziner, zwei Psychologen und eine Psychotherapeutin beschäftigt. Die Erfolge können sich sehen lassen.

Im Jahr 2006 waren in ganz Österreich acht Prozent der Erkrankungen auf psychische Probleme zurückzuführen, bei der Erste Bank war dies damals ebenso. Doch mit dem Gesundheitszentrum hat sich bei der Erste Bank die Situation geändert. Während der Anteil der psychischen Erkrankungen österreichweit mittlerweile auf zwölf Prozent gestiegen ist, ist der Wert bei der Erste Bank auf vier bis fünf Prozent gesunken. „Durch Präventionsmaßnahmen haben wir uns viel Geld gespart“, sagt Eva Höltl, Leiterin des Gesundheitszentrums, im „Presse“-Gespräch.

Jeder Mitarbeiter könne sich anonym an das Gesundheitszentrum wenden. Dort gibt es eine Vielzahl von Angeboten – von psychologischer Einzelberatung bis zu Angeboten für den Stressabbau. Die Erste Bank kooperiert hier mit verschiedenen Einrichtungen.

Mit verstärkten Maßnahmen gegen psychische Belastungen erspart sich auch der Staat viel Geld. Laut OECD-Bericht verursachen psychische Erkrankungen in Österreich Kosten in der Höhe von 3,5Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das sind über elf Milliarden Euro. Jährlich erhalten 840.000 Österreicher vom Arzt Psychopharmaka verschrieben, davon sind zwei Drittel Antidepressiva.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.