Die Merkwürdigkeit des Bienengifts

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Aus der Vielfalt der Apitherapie: Seit ca. 130 Jahren wird das Gift der Honigbiene bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt, seit 13 Jahren sorgt Propolisluft für ein besseres Gesundheitsklima.

Es ist eine farblose, durchsichtige Flüssigkeit. Für die einen bietet sie unerwartete Hilfe und einen beachtenswerten Rückgang von chronischen Schmerzen, für die anderen kann diese Flüssigkeit gefährliche, ja lebensbedrohende Reaktionen auslösen: die Verwendung bzw. Infiltration von Bienengift, lat. Apitoxin. Deswegen wird in der Apitherapie unbedingt auf den zuvor bei einem erfahrenen Arzt vorzunehmenden Allergietest hingewiesen.

Schon 1888 hat Philipp Terc, praktischer Arzt in Marburg an der Drau, auf „eine merkwürdige Beziehung des Bienengifts zu Rheuma“ hingewiesen. Terc hat mit der Behandlung von Rheumakranken durch Bienenstiche begonnen. Heute ist durch zahlreiche Studien die Wirkung bei schweren rheumatischen Erkrankungen, Ischias, Arthritis, Rückenschmerzen, Gelenkentzündungen oder bestimmten Sportverletzungen unbestritten. „Bienengift ist ein pharmakologisches Wunder der Natur, es regt zur körpereigenen Cortisonbildung an“, sagt Anton Reitinger, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Apitherapie (ÖGA). Personen, die öfter von Bienen gestochen werden, verfügen nachweislich über einen höheren Cortisonspiegel.

Aber wie schon erwähnt: Die Verträglichkeit des Bienengifts muss vorher mit einem Allergietest festgestellt werden. Diese Substanz ist für 0,5 bis maximal 1,5 Prozent der Menschen absolut ungeeignet. Wobei so ein Test auch die Gewissheit über das richtige Handeln gibt, sollte ein derartiger Allergiker in der freien Natur einen Bienenstich (oder Wespenstich) erhalten.

Hauptbestandteile des Bienengifts sind Peptiden wie Melittin (ca. 50 Prozent), Enzyme, Amine und Aminosäuren. Melittin vermindert Entzündungen und führt zur Produktion von körpereigenem Cortison. Auch der schmerzhemmende Wirkstoff Adolapin ist im Bienengift nachgewiesen. Die Giftblase einer Biene enthält 0,1 Milligramm Bienengift.

Stachel oder Injektionsnadel

Die Verabreichung des Bienengifts erfolgt im Rahmen der Api-Akupunktur, bei der Bienenstiche zur Therapie eingesetzt werden. Wobei nicht immer eine Injektionsnadel zum Einsatz kommen muss. Bei der Mikroakupunktur wird der Stachel der Biene wie eine Akupunkturnadel benutzt. Der Stachel verfestigt sich in der Haut, die Giftblase ist gut sichtbar. Nun sollte mit einer Pinzette der Stachel unterhalb der Giftblase herausgezogen und an drei bis vier weiteren Stellen wieder eingesetzt werden. Wird dies nicht getan, dann pumpt die Giftblase ihren gesamten Inhalt auf der gleichen Stelle in den Körper – wie eben bei einem Bienenstich, wenn man den Stachel nicht gleich flach wegschiebt. Vor Beginn einer Behandlung sollte auf jeden Fall die Hilfe eines apitherapeutisch erfahrenen Arztes in Anspruch genommen werden.

Anton Reitinger und der ÖGA ist es bei der Apitherapietagung 2014 gelungen, den Arzt Dietrich Klinghardt zum Thema „Biologische Behandlung der Lyme-Borreliose mit Bienengift“ nach Österreich zu holen. Der deutsche Mediziner arbeitet seit 1982 in New York und erhielt zweimal von der Global Foundation of Integrativ Medicine die Auszeichnung „Physician of the Year“ (Arzt des Jahres). „Es gibt keinen anderen Wirkstoff, der Borrelien besser bekämpft als das Melittin in Bienengift“, sagt Klinghardt. Seine Entwicklung der Diagnose- und Therapieformen ist inzwischen als Klinghardt-Methode bekannt geworden und wird auch in Österreich angewandt.

Klinghardt lokalisiert bei seiner Behandlung zuerst die schmerzenden Stellen des Patienten, etwa die Gegend über dem Schultergelenk oder im Bereich des oberen Rückens. „Jetzt wird sorgfältig nach empfindlichen Stellen gesucht. Ich bevorzuge es, mit meinem Daumen ein paar Sekunden ins Gewebe zu drücken.“ In jede der empfindlichen Stellen wird mit einer Tuberkulinspritze genau so viel Bienengift injiziert, wie der Menge eines „natürlichen“ Bienenstichs entspricht, wobei die Nadel einen Millimeter unter die Hautoberfläche sticht. Klinghardt mischt das Bienengift, das er aus Kanada bezieht, im Verhältnis von 50:50 mit einem Prozent Procain (einem Lokalanästhetikum). Bei der Apitherapietagung 2014 in Klosterneuburg injizierte sich Klinghardt zur Begeisterung der etwa 300 Teilnehmer die Injektion selbst auf dem Podium.

Propolis in der Luft

Eine noch neue Sparte in der Apitherapie ist der Propolis-Bienenduft-Verdampfer, der zur Verbesserung der Raumhygiene eingesetzt wird. Propolis ist das von den Bienen in den Stock geholte Knospenharz verschiedener Bäume, das mithilfe des Drüsensekrets der Bienenmandibeln verarbeitet wird. Durch die antibakterielle und keimtötende Wirkung von Propolis werden im Bienenstock schädliche Mikroorganismen abgetötet. Neben Harzen und Balsam (bis zu 65 Prozent) besteht Propolis aus pflanzlichen Wachsen, leicht flüchtigen ätherischen Ölen, Pollenkörnern und weiteren Spurenelementen (Analyse der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau). Imker können diese Substanz mithilfe eines Propolisgitters leicht gewinnen.

Beruhigende Wirkung

1990 hat der Italiener Luigi Fabretto das Propolis-Air-System entwickelt, mit dem die mit Propolis angereicherte Luft verbreitet wird. Damit wird eine krampflösende und beruhigende Wirkung erzielt. Schon nach wenigen Jahren begann Fabretto mit der Herstellung von Propoliskapseln für eigens konstruierte Verdampfer. Dabei wird Propolis bis zum Schmelzpunkt des Wachses erwärmt, sodass die flüchtigen Bestandteile der Substanz freigesetzt werden.

Die Universitäten in Turin und München haben die durch den Verdampfer erzielte Wirkung bestätigt. Das Propolis-Air-System wird in Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten, in einer kleineren Ausführung auch im Fond eines Autos verwendet. Studien haben gezeigt, dass sich die mikrobielle Belastung im Raum innerhalb von drei Tagen um 72 Prozent verringert. In einer dreimonatigen Probephase konnten in einem Mailänder Kindergarten die Fehlzeiten der Kinder um 62 Prozent reduziert, auch wurde die Dauer der Abwesenheiten um die Hälfte verkürzt. Bei Studien in Spitälern wurde die Verbesserung der Krankheitsverläufe konstatiert. Eine Propoliskapsel, die in den Verdampfer eingelegt wird, wirkt für 120 Stunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2015)

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