Mammografie-Screening: Die Botschaft, die nicht ankommt

(c) Stanislav Jenis
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Das neue Mammografie-Screening-Programm sollte mehr Frauen dazu bringen, sich rechtzeitig untersuchen zu lassen. Die Bilanz nach einem Jahr fällt allerdings ernüchternd aus. Vorsorge scheint ohne ärztliche Beratung nicht zu funktionieren.

Wenn es um die eigene Gesundheit geht, lässt sich das ärztliche Gespräch nicht so einfach ersetzen. Das ist wohl die wichtigste Erkenntnis aus dem seit Anfang 2014 angebotenen neuen Mammografie-Screening-Programm. Denn obwohl das von der Sozialversicherung, Ärztekammer, dem Gesundheitsministerium und den Bundesländern geschnürte Paket zur besseren Früherkennung von Brustkrebs durch schriftliche Einladungen mehr Frauen dazu bewegen sollte, sich vorsorglich untersuchen zu lassen, zeichnet sich bisher das Gegenteil davon ab. 600.858 Mammografien wurden im vergangenen Jahr durchgeführt. Rund zwei Drittel von ihnen im Zuge des neuen Programms. Im Vergleich zu den Vorjahren ist das ein Rückgang von rund 15 Prozent.

„Die Message kommt bei der Hauptzielgruppe der 45- bis 69-jährigen Frauen, die noch nie zu einer Vorsorgeuntersuchung gegangen sind, nicht an“, beklagt Thomas Helbich, Radiologe und Krebsforscher am AKH Wien und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Senologie. „Besonders betroffen sind sozial benachteiligte, dem Gesundheitswesen tendenziell fernstehende Personen, die einen solchen Brief nicht gewöhnt sind und ihn vielleicht nicht einmal verstehen.“

Anonymer Brief ohne Stempel

Helbich fordert daher die rasche Wiedereinbindung der Hausärzte sowie Gynäkologen, damit diese ihre Patientinnen – wie in der Zeit vor 2014 – zu Vorsorgeuntersuchungen an Radiologen überweisen dürfen. „Ein anonymer, weißer Briefumschlag ohne Stempel oder dergleichen wird zumeist als Postwurf missinterpretiert und weggeworfen und kann eine persönliche Empfehlung eines Vertrauensarztes ohnehin nicht ablösen“, betont der Mediziner. „Wir hatten in Österreich ein funktionierendes System, das teilweise beschnitten wurde. Dabei war das neue Screening-Programm durchaus gut gemeint. Nur die Umsetzung ist bisher nicht wirklich gelungen.“

Um mehr Frauen zu erreichen, braucht es seiner Meinung nach zusätzlich zu den Einladungen begleitende PR-Maßnahmen in Form von motivierenden Fernsehspots und Zeitungsanzeigen, die von professionellen Agenturen konzipiert werden sollten. Zudem müsse deutlicher auf die Vorteile des Programms hingewiesen werden, um bei den Betroffenen eine Bewusstseinsänderung und ein Umdenken herbeizuführen. „Denn es ist ein durchdachtes Programm, um das wir weltweit beneidet werden. Werden beispielsweise bei der Mammografie keine ausreichenden Ergebnisse erzielt, kann zusätzlich sofort eine Ultraschalluntersuchung erfolgen. In vielen Ländern ist das nicht möglich.“

Darüber hinaus würden die Befunde immer von zwei Radiologen unabhängig voneinander begutachtet. Diese müssen entsprechend geschult sein und eine Mindestanzahl solcher Untersuchungen pro Jahr durchführen.

Einladungen alle zwei Jahre

Das neue Screening-Programm richtet sich ausschließlich an Personen ohne Anzeichen von Brustkrebs. Frauen im Alter zwischen 45 und 69 Jahren erhalten vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger alle zwei Jahre per Post eine persönliche Einladung zur Mammografie, die sie – binnen drei Monaten – annehmen können. Die Betroffenen müssen aber auf den Brief nicht warten, sie können sich durch einen Anruf bei der Hotline 0800/500 181 auch selbst einladen. Diese Möglichkeit haben auch Frauen zwischen 40 und 44 und 70 bis 74 Jahren. Niedergelassene Mediziner (Hausärzte, Gynäkologen) dürfen ihre Patientinnen in diesem Alter (40 bis 74) nur bei einem erblich bedingten erhöhten Brustkrebsrisiko oder bei Symptomen (tastbare Knoten, Verhärtungen, Verformungen, Blutungen aus der Brustwarze, Krebsangst, also die große Sorge, an Krebs zu erkranken, etc.) zur Mammografie schicken, also zu einem Radiologen überweisen. Nicht aber zu einer Vorsorge wie bis Ende 2013, als dies nach eigenem Ermessen der Ärzte geschah – durchschnittlich ebenfalls alle zwei Jahre.


Einlenken nach Kritik. Frauen unter 40 (weil das Krebsrisiko noch zu gering ist) und über 74 (wer bis dahin nicht an Brustkrebs erkrankt, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr) werden weder zur Vorsorgeuntersuchung gebeten noch können sie sich selbst einladen. Und Ärzte dürfen sie wiederum nur bei Verdacht bzw. Symptomen überweisen. Nach heftiger Kritik vonseiten der Ärzteschaft können seit 1. Juli 2014 Frauen zwischen 45 und 69 Jahren auch mit ihrer E-Card zur Mammografie gehen – eine Wiederholung ist alle zwei Jahre möglich. Eine Einladung oder Zuweisung ist dann nicht mehr notwendig. Zudem wurde die Altersobergrenze abgeschafft. In Österreich erkranken pro Jahr 5000 Frauen an Brustkrebs, rund 1600 sterben.

Rückgang trotz Reform

Weniger Frauen bei Vorsorge gegen Brustkrebs.
600.858 Mammografien wurden im vergangenen Jahr durchgeführt. Rund zwei Drittel von ihnen im Zuge des neuen Mammografie-Screening-Programms, das seit Anfang 2014 angeboten wird und sich ausschließlich an Personen ohne Anzeichen von Brustkrebs richtet. Im Vergleich zu den Vorjahren zeigen diese Daten einen Rückgang von 15 Prozent. Die Monatshöchstzahl wurde im Mai 2014 mit knapp 57.000 erreicht. Die Mammografiestatistik aus Wien zeigt für 2014 sogar ein Minus von 21,5 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)

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