Wandern: Mehr Lust in jeder Beziehung

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THEMENBILD: WANDERN / SOMMERAPA/BARBARA GINDL
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Wandern hat viele positive Effekte. Nun fanden Wissenschaftler heraus, dass die Bewegung in den Bergen auch die Beziehungsqualität von langjährigen Paaren verbessern und Depressionen verringern kann.

Niemand sollte sich lang ärgern, wenn der Ostertisch ein bisschen zu üppig ausgefallen ist. Denn die (wenn auch nur langsam) beginnende Freiluftsaison lässt sich gut für Bewegung nützen. Damit können aber nicht bloß zusätzliche Kalorien weggegangen werden. Wer sich für das Wandern entscheidet, könnte damit unter Umständen sogar auch seine Beziehungsqualität verbessern. „Das haben wir bei einer Studie mit verheirateten Paaren zwischen 50 und 65 Jahren festgestellt“, sagt Arnulf Hartl. Der Wissenschaftler forscht an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg zum Themenkomplex Natur und Gesundheit. Bergsteigen als medizinische Therapie und Prävention ist dabei ein Schwerpunkt.

Die Ausgangslage der angesprochenen Studie: Ehepaare, die schon geraume Zeit verheiratet sind, verbrachten im Gasteiner-Tal eine Woche mit täglichen geführten Wanderungen und Aufenthalten im Thermalwasser. Die Forschungsfrage dahinter: Kann ein Thermenbergurlaub die Beziehungsqualität verbessern und als Osteoporoseprävention gesehen werden? Die Antwort in beiden Fällen ja.

Bei der Beziehung fiel dieses Ja noch offensichtlicher aus, die signifikante Besserung, gemessen am Auftreten von belastenden Beziehungsproblemen, hielt 240 Tage und länger an. Freilich wird dies nicht ganz allein auf das Wandern zurückzuführen sein, aber eine positive Wirkung auf die Beziehung hatte das gemeinsame Bergerlebnis allemal.

Wandern wirkt aber auch in vielen anderen Bereichen – zum Beispiel gegen unspezifische, chronische Rückenschmerzen. Auch da kann Hartl mit einer Studie aus Österreich aus dem Oberinntal (Gemeinde Grins) aufwarten: Schon eine Wanderwoche in den Tiroler Bergen hätte chronische Rückenschmerzen vier Monate lang reduziert. „Auch Beweglichkeit und Haltung wurden verbessert, der Schmerzmittelverbrauch konnte reduziert werden“, sagt Hartl. Wandern in der Ebene hätte wahrscheinlich nicht denselben Effekt: „Es ist schon auch das dreidimensionale, schwierige Terrain, das Ausgleichsbewegungen fordert und die Rückenmuskulatur stärkt.“

Positiver Stress in der Höhe

Das Höhenklima trägt zu unserer Gesundheit bei. Ein Aufenthalt in einer Höhe zwischen 1000 und 3000 Metern bedeutet für den Körper positiven Stress, fanden Wissenschaftler der Universität Köln heraus. Demnach verbessert ein Bergurlaub eindeutig die Funktion von Herz, Kreislauf und Lunge. Auf dieses Ergebnis kam auch Wissenschaftler Hartl: Eine Woche Bergwandern im Salzburger Land inklusive gesundheitspsychologischen Coachings verbessere die Fitness von Lunge und Herz nachhaltig. „Das Coaching bewirkte, dass die Teilnehmer auch nach dem Bergurlaub weiterhin Bewegung in den Alltag einbauten“, sagt Hartl. Angeboten wird psychologisch gecoachtes Wandern übrigens von den Lifetime-Hotels.

In einer anderen Studie wies er nach: Wasserfälle und deren gesunde Aerosole verstärken das Heilsame der Höhe bezüglich Lungenfunktion und Immunkräfte. So konnten regelmäßige Aufenthalte beim Krimmler Wasserfall asthmatische Symptome bei Kindern deutlich verringern. „Wasserfälle, Berge und Quellen als natürliche Gesundheitsressourcen des alpinen Raums“ ist auch Hartls Vortragsthema auf dem Kongress „Heilkraft der Alpen“ (10. bis 12. April in Mauterndorf, Salzburg).

Nicht nur alpines Gelände

Freilich: Es muss nicht immer alpines Gelände sein, das Heilmittel Wandern wirkt auch in tieferen Ebenen. Etwa im Wiener Wald, wo Wandern zur Arznei gegen Stress werden kann. Denn Städte stressen, bei Menschen, die in (Groß-)Städten leben, sind Hirnzentren, die Angst und Stress steuern, viel stärker aktiviert. In Österreich leben übrigens bereits 67Prozent in Städten, in Deutschland sind es 88 und in Belgien gar 97Prozent. Verstädterung aber bringt unter anderem Bewegungsarmut mit sich, die ein Risikofaktor für die Entwicklung mancher psychischer Störungen sein kann.

Auch bei Depressionen kann Wandern mitunter ein wertvolles Hilfsmittel sein. „Bergwandern verringert Depression und Suizidrisiko“, weiß Reinhold Fartacek, Leiter der Suizidprävention der Salzburger Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Auf dem Alpen-Heilkraft-Kongress wird er über seine Wanderstudie „Übern Berg“ berichten: Die Teilnehmer hatten alle mindestens einen Suizidversuch hinter sich, litten an ausgeprägter Hoffnungslosigkeit und an einer klinisch manifesten Depression. „Man sagt, solche Menschen kann man nicht dazu motivieren, körperlich etwas zu tun“, erzählt Fartacek, „unsere Studie bewies das Gegenteil.“ Sie zeigte auch, dass regelmäßiges Wandern – es waren insgesamt neun Wochen – Hoffnungslosigkeit und Depression signifikant bessert, Freude und Selbstwertgefühl steigert, Ängstlichkeit reduziert und die Schlafqualität verbessert.

Mehr Lebensmut

Er sei richtig gerührt gewesen, erzählt Fartacek, als er die Patienten einige Wochen nach Studienende bei einem organisierten Bergwochenende wiedersah. „Sie sahen alle viel besser aus, waren fröhlicher und blickten mit viel mehr Zuversicht in die Zukunft. Es war ein so positives Erlebnis.“

Er als Psychiater würde einem depressiven Patienten nie nur Antidepressiva und Psychotherapie verschreiben: „Ich würde jedem immer auch Aktivität in freier Natur ans Herz legen. Wer in der diskreten Anfangsphase einer depressiven Verstimmung regelmäßig wandert, kann in vielen Fällen damit den Ausbruch einer echten Depression verhindern.“ Dem weitverbreiteten Burn-out-Syndrom können Märsche über Wiesen und durch Wälder selbstredend auch vorbeugen. Hartl, Fartacek und andere Mediziner sind sich einig: Wandern als Medizin müsste man eigentlich verschreiben können.

Wandern als Medizin

Wandern wirkt vielseitig. Es stärkt Herz, Lunge, Gelenke und Muskeln, bessert Blutwerte, Beziehungs- und Schlafqualität, senkt außerdem Stress und den Blutdruck, nur um einige körperliche Beispiele zu nennen. Doch auch für die Psyche ist das regelmäßige Gehen gut. Studien belegen: Wandern mindert Depressionen und wirkt stimmungsaufhellend. Eine aufkommende Depression kann so mitunter abgewendet werden.

Tipp zum Bergurlaub: Optimal sind drei Wochen und mehr, aber besser eine Woche als gar keine. Die richtige Höhe: 1000 bis 2000 Meter, für einen Kurztrip sind Touren unter 1000 Meter besser.

Webtipp: www.lifetimehotels.at, www.heilkraftderalpen.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2015)

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