Sieben Jahre Suche: Die Schmerzen, die kein Arzt erkannte

sieben Jahre lang auf die richtige Diagnose warten: Fibromyalgie.
sieben Jahre lang auf die richtige Diagnose warten: Fibromyalgie.(c) Clemens Fabry
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Ulrike Ischler litt an starken Schmerzen im Oberkörper, dazu kamen Begleiterscheinungen wie Schwindel und Infektionen. Bis die Diagnose Fibromyalgie gestellt wurde, dauerte es lang.

Es begann mit Verspannungen. Dann wurden die Schmerzen stärker, breiteten sich auf Kreuz, Nacken, Arme, Beine und Brust aus. „Ich war damals nicht ganz 45 und bis dahin eine gesunde, sportliche und beruflich erfolgreiche Frau“, erzählt Ulrike Ischler. Zu den Schmerzen gesellten sich Infektionen, Schwindelanfälle, Magen-Darm-Probleme. „Laufend kam etwas Neues dazu, manchmal konnte ich nicht einmal mehr richtig durchatmen“, erinnert sich die heute 53-Jährige. Mehr als sieben Jahre pilgerte sie von Arzt zu Arzt, nahm alle möglichen Medikamente, kam mehrmals ins Spital, doch die Ärzte fanden nichts.

Nach vielerlei Diagnosen – von Bandscheibenvorfall über Muskelverspannung bis Borreliose – kam endlich die richtige Diagnose: Fibromyalgie. Früher sagte man Weichteilrheuma dazu. Es handelt sich um eine schmerzhafte Erkrankung des rheumatischen Formenkreises, vier bis sechs Prozent der Bevölkerung sind betroffen, Frauen häufiger als Männer, vom Ausbruch bis zur Diagnose dauert es im Schnitt sieben Jahre. Viele Ärzte stempeln Patienten mit Fibromyalgie nicht selten als Hypochonder ab.

„Wir wissen nicht genau, woher die Krankheit kommt, eine genetische Prädisposition ist sicher gegeben“, sagt Klaus Machold, Professor an der Klinischen Abteilung für Rheumatologie an der Med-Uni Wien. „Charakterisiert ist sie durch eine ausgebreitete Schmerzsymptomatik links und rechts sowie unterhalb und oberhalb der Gürtellinie mit Beteiligung der Wirbelsäule.“

Mögliches Trauma

Schwierig ist die Diagnose, weil Labor und Bildgebung keine verwertbaren Befunde liefern und Fibromyalgie viele Begleiterscheinungen hat: Schlafstörungen, Müdigkeit, Potenzschwierigkeiten, Verdauungsprobleme, Durchblutungs- und Konzentrationsstörungen, Magen- und Herzbeschwerden, gelegentlich Atemnot, Migräne, häufig auch Depressivität, manchmal Panikattacken.

„Immer wieder beobachten wir auch, dass Fibromyalgie-Patienten in ihrer Kindheit oder Jugend ein Trauma erfahren haben“, sagt Ärztin und Psychotherapeutin Elfriede Kastenberger. Etliche ihrer Patienten hätten seelisches Leid durch Missbrauch, Misshandlung, Gewalt oder Verlust erfahren. „Daher ist eine ausschließlich medikamentöse Therapie nicht zielführend. Wichtig ist ganz sicher eine Traumatherapie.“ Als Medikamente empfehlen Experten Schmerzmittel, Antidepressiva und angstlösende Mittel. Wichtig seien auch leichte Bewegungstherapie und Entspannungsübungen.

Patientin Ulrike Ischler half eine Therapie des amerikanischen Arztes Paul St. Amand, der behauptet, Fibromyalgie entstehe dadurch, dass der Körper überschüssige Phosphate nicht ausscheiden könne. Ein Mittel mit dem Wirkstoff Guaifenesin könne dies bewerkstelligen. Kritiker zweifeln an der Wirksamkeit, doch der Wiener Internist Bernhard Hohenberger sagt: „Ich habe mit Guaifenesin eine Erfolgsquote von rund 30 Prozent, darunter befinden sich auch Patienten, die schon bei zig Ärzten waren und 20 verschiedene Tabletten nehmen.“

Zur Therapie gehören auch eine rigide Diät und das Vermeiden von Salicylaten. „Es war ein schwerer Weg“, sagt Ischler, die auch eine Selbsthilfegruppe (Info unter u@ischler.com) gegründet hat. „Aber ich bin jetzt ein neuer Mensch, es geht mir wieder gut.“

Tipps

Buch: „Fibromyalgie. Die Schmerzkrankheit erkennen und erfolgreich behandeln“, von Eberhard J. Wormer, Mankau-Verlag, 15,40 Euro

Infos:

www.shg-fms.at
www.fibromyalgie.cc
www.rheumatologie.at
www.fibromyalgie-guaifenesin.info

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2015)

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