Gut gegangen: Schuhe als Trainingsgerät

Bunte Crocs
Bunte Crocs(c) Clemens Fabry
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Schuhe, mit denen man wie barfuß geht oder sich mit einer runden Sohle abrollen muss – Fußbekleidung erfüllt zunehmend auch gesundheitliche Aufgaben. Doch welche sind empfehlenswert?

Männer sind netter zu Frauen, die High Heels tragen. Das ist die Quintessenz einer psychologischen Studie aus Frankreich. Und je höher die Absätze, desto hilfsbereiter die Herren. Hohe Hacken wirken also offenbar. Das tun sie allerdings nicht nur positiv, denn sie verhindern einen physiologischen Gang und sind bei Dauereinsatz ungesund. Frauen, die häufig Stöckelschuhe tragen, büßen das unter anderem mit einer verkürzten Wadenmuskulatur. Anderen Schuhen wiederum wird zugeschrieben, dass sie sich physiologisch positiv auswirken – sind die sogenannten gesunden Schuhe aber wirklich gesund? Und ist Barfußgehen tatsächlich so vorteilhaft? „Die Presse am Sonntag“ befragte dazu fünf Experten.

Schuhe wie barfuß.

„Es stimmt schon, dass beim Barfußgehen die gesamte Fußmuskulatur trainiert wird. Aber unsere an Schuhe, Asphalt und Beton gewöhnten Füße sind degeneriert und deformiert, sind nicht mehr für das Barfußgehen ausgerichtet, daher strengt uns das an. Mit Schuhen ist die Stoßbelastung in der Antrittsphase ja auch tatsächlich kleiner“, sagt Lukas Karamat, orthopädischer Chirurg am orthopädischen Spital Wien-Speising. „Eben weil unsere Fußmuskulatur schwach geworden ist, sollte man sie wieder stärken, indem man so oft wie möglich barfuß geht“, meint Hans Jörg Trnka, Teamleiter der Fußchirurgie am orthopädischen Spital Speising sowie Leiter des Fußzentrums in Wien. Mit den Schuhen Five Fingers etwa ist man mehr oder wenig wie barfuß unterwegs, aber vor Verletzungen weitgehend geschützt. Weitgehend, denn spitze Steine oder Äste sind durch die dünne Sohle dieser Zehenschuhe (wie Fingerhandschuhe für die Zehen) dennoch spürbar, unter Umständen sogar schmerzhaft.

„Diese Schuhe stellen bei sportlicher Nutzung eine nicht zu unterschätzende Stressbelastung für den untrainierten Fuß dar“, meint Sabine Stelzig, Fachärztin für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie bei Mediclass, Österreichs größtem Ärzte- und Gesundheitszentrum. Einhellige Expertenmeinung: Solche Schuhe sind auf alle Fälle Trainingsgeräte und nicht Alltagsschuhe. Vor allem am Anfang sollte man daher nicht übertreiben, sie nicht länger als eine Stunde tragen. „Aber wenn man das öfter macht, tut sich muskelmäßig wirklich etwas, auch die tief liegenden Muskeln werden trainiert“, sagt Renate Kaiser, die seit 20 Jahren bei einem orthopädischen Schuhmacher tätig ist. „Ich bin jedenfalls eine begeisterte Five-Fingers-Trägerin.“

Runde Sohlen

Ebenfalls als Trainingsgerät anzusehen sind laut medizinischen Experten Schuhe mit dicker, weicher, abrollender Sohle, starker Dämpfung und bewusst erzeugter Instabilität, wie etwa MBT, Joya oder Ky-Boots. Die instabilsten waren die ersten dieser Generation, die MBT – die Firma hat inzwischen Konkurs angemeldet. Jeder Schritt mit so einem Schuh kann als Trainingsakt gesehen werden, denn der Träger muss bei jedem Schritt stabilisieren und Spannung halten. Das sei bis zu einem gewissen Grad auch Koordinationstraining, ergänzt Heribert Salfinger, ebenfalls Orthopäde am orthopädischen Spital Speising.

Das Ringen um Stabilität fordert aber auch den Muskel. Trainiert wird die gesamte Beinmuskulatur, bis zu Hüfte und Gesäß. Sogar die Muskeln der Wirbelsäule werden aktiviert. Doch zu viel des Guten bringt nichts: Zu langes und häufiges Tragen stellt eine Überforderung dar und ist daher kontraproduktiv, das ist kein gutes Training mehr, sondern nur noch Überlastung. Als kontraproduktiv sehen einige Experten derlei Schuhwerk auch für Personen mit Fußfehlstellungen oder anderen Problemen. Trnka indes empfiehlt MBT und Co. gern Patienten mit Problemen im Sprunggelenk. Nicht nur, aber auch wegen der guten Dämpfung, die eine Schonung des gesamten Bewegungsapparats gewährleiste. Das könnte unter Umständen auch eine Reduzierung von Rückenschmerz, Hüftbeschwerden und Verspannungen mit sich bringen.

Voraussetzung für jedwede positive Wirkung jedenfalls: Man geht richtig, was bei den „Wackelschuhen“ nicht unbedingt naturgegeben ist. Wenn man damit falsch geht, kann das zu Verspannung, Kreuzschmerzen und Problemen mit der Achillessehne führen, warnen die Experten. Im guten Schuhhandel wird daher beim Erwerb eines solchen Trainingsgeräts auch gleich eine Trainingsgehstunde angeboten. Ist das nicht der Fall, sollte man seine Schuhe nicht dort kaufen.

Fit-Flops

Etwas schwächer im Trainingseffekt sind etwa die Fit-Flops. Auch sie haben eine abgerundete, leicht destabile Sohle, „die generell dafür sorgt, dass die Knie entlastet werden und die Wirbelsäule ein wenig geschont wird“, sagt Orthopäde Karamat. Man darf ja nicht vergessen, dass Knie und Wirbelsäule bei jedem Schritt auf Asphalt oder Beton einen Stoß abkriegen. Für einen Stadtbummel oder Strandspaziergang seien Fit-Flops also durchaus empfehlenswerte Fußbekleidung, die Fuß-, Bein-, Po- und Rückenmuskulatur stimuliert. Ob sie auch, wie der Hersteller verspricht, Cellulite bekämpft, zweifeln allerdings alle Experten stark an. „Wäre das wirklich der Fall und könnte irgendeiner dieser Schuhe Cellulite bessern oder gar zum Verschwinden bringen, würden ja viel, viel mehr Frauen damit umherlaufen“, glaubt Stelzig.

Als relativ neuer Schuh unter den sogenannten gesunden sei noch der Vionic erwähnt, der den Fuß stabilisieren, entlasten und mittels innovativer Einlagetechnologie Rücken- und Knieschmerzen reduzieren soll. Manche Orthopäden empfehlen diesen Schuh vor allem Menschen, die mit dem Fuß sehr stark nach innen einknicken. Denn das Längsgewölbe, also das Gewölbe an der Innenseite der Fußsohle werde mit dieser Fußbekleidung sehr gut abgestützt. Dieser Schuh könne auch als Schuh angesehen werden, Vionic sei kein Trainingsgerät, aber sicher angenehm zu tragen, lautet die Expertenmeinung.

Massagenoppen

Wellness-Schuhe mit eingebauten Massagenoppen, die die Reflexzonen stimulieren und die Durchblutung fördern sollen (etwa von Scholl oder Vital-Verwöhnschuhe), können gesunden Füßen schon guttun. Kleiner Pferdefuß an derlei Massagenoppen: Sie scheren mehr oder weniger alle Füße über einen Kamm, sind also nicht auf das persönliche Fußbett ausgerichtet. Dabei wäre es sicher viel effektiver, wenn individuell angepasst stimuliert wird – das ist wohl auch eine Frage der Machbarkeit und des Preises.

Kompressionsstrümpfe

Wer seine Füße nicht nur in gesunde Schuhe stecken, sondern auch mit besonderen Strümpfen oder Stutzen unterstützen möchte, könnte zu Kompressionsstrümpfen greifen. Keine Angst: Die modernen haben absolut nichts mehr mit den dicken, unansehnlichen Gesundheitsstrümpfen der Vergangenheit zu tun. Wenn die Marke Item m6 von medizinischen Fertigungstechniken und vitalisierender Wirkung spricht und damit wirbt, dass der verwendete Hightech-Forming-Faden den Druckverlauf exakt definieren könne und die Füße einen Extrakick Energie bekämen, so ist das laut Trnka bedingt nachvollziehbar. „Durch solche Strümpfe wird das Blut zwar kontinuierlich hinaufgepresst und dadurch auch mehr Sauerstoff von der Vene zur Muskelfaser transportiert, auch die Blutzirkulation wird nachgewiesenermaßen verbessert – aber ob das auch merklich Energie spendet?“ Es sei weder bewiesen, dass das stimmt, noch, dass es nicht stimmt.

„So positive Seiten Wellness-Schuh oder Kompressionsstrumpf haben mögen“, meint Orthopädie-Expertin Renate Kaiser abschließend, „Wunder darf sich niemand davon erwarten.“

Zu klein

Mit falschen Schuhgrößen ausgezeichnet sind rund 87 Prozent der Kinderschuhe – sie sind zu klein. Mehr als die Hälfte der Kinder trägt daher zu kurze Schuhe und schädigt damit die Füße. Die meisten Kinder sind nicht in der Lage, die Passform von Schuhen korrekt einzuschätzen. Tipp: Fuß- und Innenlänge der Schuhe messen, nur so kann sichergestellt werden, dass die erforderlichen zwölf bis 17 Millimeter Spielraum vorhanden sind. Infos: www.kinderfuesse.com/ pdf/Elternfolder.pdf

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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