Erhebliche Zweifel an Diabetes-Studien

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Themenbild: DiabetesAPA (HELMUT FOHRINGER)
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Ein Großteil der wissenschaftlichen Texte über Diabetesmedikamente entsteht offenbar in buchbaren Schreibbüros.

Durch die weltweite Adipositas-Welle gibt es immer mehr Typ-2-Diabetiker. Ein Milliardenmarkt für Diabetesmedikamente ist entstanden. Die ihrer Entwicklung und Zulassung zugrunde liegenden wissenschaftlichen Studien sind laut dem British Medical Journal (BMJ/1. Juli 2015) zum Teil "zwielichtig". Wenige Autoren publizieren viel, Pharma-Angestellte und Schreibüros scheinen demnach die Regel zu sein.

"Super-Trialisten ("Vielschreiber", was Studien betrifft; Anm.) beherrschen die Literatur über Diabetesmedikamente", lautet der Titel einer aktuellen Aussendung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Er nimmt auf eine Analyse des in Fachkreisen als kritisch angesehenen British Medical Journal Bezug. Die Autoren hatten alle Publikationen von per Zufallsprinzip kontrollierten wissenschaftlichen Studien (Zuteilung der Probanden zu den Vergleichsgruppen "randomisiert") über blutzuckersenkende Medikamente von 1993 bis 2013 analysiert.

Studien: Nur sechs Prozent sind unabhängig

Das Ergebnis laut der DGE: "Von den 110 'Top"-Autoren', die auf den Veröffentlichungen von 991 randomisierten und kontrollierten Studien erschienen, wurden pro Autor im Durchschnitt 20 Arbeiten (vier bis 47), von elf unter ihnen sogar 42 Arbeiten (36 bis 77) publiziert. 48 der 110 Top-Autoren waren Angestellte pharmazeutischer Unternehmen 8...). Von den 991 Studien waren 906 kommerziell gesponsert. Bei 704 Artikeln konnte ein Interessenskonflikt erkannt werden.

Eine bedenkliches Detail: "Nur sechs Prozent (42 Studien; Anm.) waren völlig unabhängig. Ein Großteil der wissenschaftlichen Texte entstand auch in buchbaren Schreibbüros. "Schreibagenturen wurde in den Publikationen (...) in 439 Fällen (44 Prozent) gedankt."

Von 1993 bis 2013 hatten sich in der US-Wissenschaftsdatenbank PubMed 3782 Artikel von 13.592 Autoren über neue blutzuckersenkende Substanzen gefunden. Davon wurden die 110 "profiliertesten" Autoren ausgewählt, die 991 der Studien veröffentlicht hatten.

Wichtige Informationen fehlen

Das International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) hat vier Kriterien für eine Autorenschaft aufgestellt, die alle erfüllt sein müssen: Wesentlicher Beitrag zu Planung, Ablauf, Beschaffung, Analyse oder Interpretation der Daten. Manuskriptentwurf oder Revision des Artikels. Finale Approbation vor Veröffentlichung. Verantwortlichkeit für die Richtigkeit und Vollständigkeit. Diese Kriterien waren nur bei 21 Prozent der Studien vollständig erfüllt. "Es wurden weiterhin oft Namen von 'honorary authors' ohne wesentlichen Beitrag genannt, umgekehrt wurden Namen von 'ghost authors' weggelassen. Auf internationalen Kongressen wie etwa dem Europäischen Diabeteskongress in Wien 2014 wurden in manchen Plenarvorträgen zu neuen Antidiabetika jedoch mitwirkende Schreibagenturen schon erwähnt", fasste der Bochumer Endokrinologe Helmut Schatz die Ergebnisse zusammen.

Wie Schatz als ehemaliger Klinikchef feststellt, würden die "Ghost-Writer" zwar in ihren Manuskripten keine Fehler oder nicht zutreffende Aussagen machen. Sie würden aber zum Teil wichtige Informationen auslassen. Der Experte aus eigener Erfahrung, er hat laut eigenen Worten Angebote auf Autorenschaft von Artikeln von Schreibagenturen abgelehnt: "Die Formulierungen waren so gewählt, dass man ungünstige Befunde oder negative Tatsachen etwa über neue Diabetesmedikamente beim üblichen Durchlesen kaum oder nicht bemerkte, wenn man sie nicht schon vorher schon gekannt hatte."

(APA)

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