Fleisch für Arme: Was wir morgen essen

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Auf den Tellern der Reichen werden fleischliche Genüsse rarer, eine Feminisierung der Küche wird stattfinden. In Deutschland hat die kulinarische Zukunft bereits begonnen, in Österreich noch nicht ganz.

Arbeiterhaushalt: Grete Maier, Haus- und Putzfrau, kocht sechsmal die Woche ein Fleischgericht: Schweinsbraten, faschierte Laberln, Schnitzel. Ihr Mann, der Maurer Hans, will es so.

Managervilla: Fleisch gibt's bei den Müllers allerhöchstens dreimal die Woche. Und dann ist es schottisches Hochlandrind oder Biopute.

Haben Steak und Schnitzel als Statussymbol auf dem Teller ausgedient? „Ja“, meint Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler, Autorin des Buches „Was essen wir morgen?“. Ihre Erkenntnis: In höheren sozialen Schichten geht der Fleischkonsum zurück. Und wenn Fleisch gegessen wird, dann muss es qualitativ hochwertig sein. Die Elite schaut auf Herkunft und Rasse und will Fleisch vom Limousine-Rind oder von der Charolaise-Kuh.

Fleisch ist heute schon billig, vom begehrten Sonntagsbraten wurde es zum banalen Grundnahrungsmittel. Jahrhundertelang war das Schnitzel der Champagner unter den Lebensmitteln, inzwischen haben Karree & Co. ihren luxuriösen Nimbus längst verloren. In Deutschland hat sich das bereits statistisch niedergeschlagen. Laut nationaler Verzehrstudie sinkt hier der Fleischkonsum mit steigendem Bildungsniveau und Einkommen.


Studenten als Fleischesser. Rützlers Zukunftsszenario ist beim Nachbarn also schon Gegenwart. Österreichs fleischliche Gelüste liefern ein nicht so klares Bild, wie die brandaktuelle, noch nicht veröffentlichte Umfrage der Allianz Gruppe und der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit aufzeigt. Der „Presse am Sonntag“ liegen Details aus der Studie vor. Demnach konnten bei der Häufigkeit des Fleischverzehrs keine großen Unterschiede in Bezug auf die Schulbildung ausgemacht werden.

Die größten Fleischfreunde sind, und das überrascht, Studenten und Schüler. 50 Prozent verspeisen öfter als zwei- bis dreimal die Woche Braten und Ähnliches. Es folgen (Fach-)Arbeiter mit 42 Prozent und freie Berufe, Selbstständige und Landwirte mit 36 Prozent. Insgesamt ist der Fleischkonsum in Österreich zu hoch.

Das konstatierte auch der österreichische Ernährungsbericht, der zuletzt 2008 erschien. „Österreich liegt mit einem durchschnittlichen Fleischverbrauch von 66 Kilogramm pro Kopf und Jahr an der Spitze in Europa“, heißt es da. Das Einkommen, meint auch der österreichische Ernährungsbericht, habe nur sehr geringen Einfluss auf das Ernährungsverhalten. Eine Grafik im selbigen zeigt jedoch, dass sich die Bildungsschere hinsichtlich Fleischkonsum doch bereits ein wenig auftut: In Haushalten, in denen das Familienoberhaupt nur primäre Schulbildung (weniger als neun Jahre) aufwies, standen pro Person und Tag rund 200 Gramm Fleischwaren zur Verfügung, wenn der Vater Doktor oder Magister war, waren es knapp 150 Gramm.

Einig sind sich alle, wenn es um geschlechtsspezifische Unterschiede geht: Männer konsumieren mehr Tierisches, Frauen greifen viel lieber zu gesundem Gemüse. Die Männer, so die kulinarische Prognose, werden es den Frauen aber immer mehr nachmachen. Angeführt von der „upper Class“ soll die Feminisierung der Küche immer größere Gesellschaftskreise erreichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2009)

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