Mit dem neuem Knie kam der Keim

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Krank durch Krankenhaus: In Österreichs Spitälern sterben jährlich schätzungsweise 2400 Patienten an Spitalskeimen. Banale Händehygiene könnte sehr viele Menschenleben retten.

Höllische Schmerzen, mehrfache Operationen, monatelange Spitalsaufenthalte, Behinderungen, Jobverlust, Tod: 4,1 Millionen Menschen erkranken in Europa jährlich an Krankenhauskeimen, 37.000 sterben definitiv daran, bei weiteren 110.000 Todesfällen sind Keime mitbeteiligt, schätzt das European Centre for Disease Prevention and Control. In Österreich sterben demnach etwa 2400 Menschen Jahr für Jahr an Krankenhauskeimen. „Hätten wir so viele Verkehrstote, würde die Politik sofort aktiv werden und mit Riesenaufwand versuchen, diese Zahl zu reduzieren“, meint Franz Allerberger, Bereichsleiter Humanmedizin bei der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit.

Rupert Hauer, 55, hat eine Ansteckung mit Krankenhauskeimen überlebt. Ob er beim Einsatz eines künstlichen Knies im Februar 2010 im Krankenhaus Klosterneuburg oder später daselbst beim Punktieren des Knies infiziert wurde, weiß er nicht. Im Mai jedenfalls konnte Hauer noch immer nicht gehen, „das Knie war mordsgeschwollen und tat verdammt weh“. Der Zimmerer wechselte das Krankenhaus, ging nach Zwettl. Jetzt erst behandelte man die Keime, die Knieprothese musste wieder heraus und Hauer zwei Monate lang stärkste Antibiotika nehmen. „Das hat meinen gesamten Verdauungstrakt kaputtgemacht.“ Heute ist sein Berufsleben kaputt. „Ich habe nach Monaten Spitals- und Reha-Aufenthalten zwar eine neue Spezialprothese bekommen, aber in der Zwischenzeit meinen Job als Zimmerer verloren.“ Er könnte ihn auch gar nicht mehr ausüben: „Ich kann meinen Fuß nur noch maximal 90 Grad abbiegen, niederknien oder auf eine Leiter steigen, das ist alles vorbei.“

„Wenn gewisse Standards eingehalten würden, könnte die Zahl von nosokomialen Infektionen, also im Krankenhaus erworbene Erkrankungen durch Keime, signifikant gesenkt werden“, sagt Maria Kletecka-Pulker, Generalsekretärin der Plattform Patientensicherheit in Wien. Um 20 bis 30 Prozent sagen die einen, um gute 50 Prozent die anderen. Banale Händehygiene könnte da nachweislich viel dazu beitragen. Dennoch vernachlässigen nach verschiedenen Quellen bis zu 70 Prozent des Krankenhauspersonals eine effiziente Händehygiene. Daran sei auch die Arbeitsdichte schuld, meint Thomas Hauer, ärztlicher Leiter des deutschen Beratungszentrums für Hygiene in Freiburg. Keine Zeit für die paar Minuten zum Händewaschen, noch besser Desinfizieren?

„Das hat schon auch mit Bequemlichkeit zu tun“, sagt der Mediziner Norbert Pateisky von der Asseku Risk Safety Management, einem Unternehmen, das die Sicherheit im Spital erhöhen will. Oft würde auch ein einfaches Anschubsen reichen, wenn sich jemand nicht an die Hygienevorschriften hält. „Wir haben nach Schulung der Mannschaft durch Teamtrainings einen Hygiene-Copiloten eingeführt, der im Bedarfsfall an die Händedesinfektion erinnert. In einem 500-Bettenhaus haben wir so an der beteiligten Station in vier Monaten eine 70-prozentige Verbesserung erreicht.“ Es geht also sehr wohl, wenn etwas getan wird.

So freilich geht es nicht: Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz hat im AKH Wien beobachtet, wie ein Arzt drei Patienten untersucht und sich dazwischen nicht die Hände gewaschen hat. Als sie ihn darauf angesprochen habe, hätte er geantwortet: „Händewaschen oder Desinfizieren, das mache ich in der Ambulanz nie.“ Bakterien ist damit Tür und Tor geöffnet.

Hätten nicht sterben müssen. „Wir haben in Österreichs Spitälern eine Infektionsrate von 6,2 Prozent, das kann besser werden“, so Elisabeth Presterl, Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle. „Aber im Großen und Ganzen sind Österreichs Spitäler sicher.“ Und dennoch sterben wöchentlich rund 46 Menschen an einer nosokomialen Infektion. Menschen, die in vielen Fällen nicht hätten sterben müssen!

Lexikon

Nosokomiale Infektionen sind jene, die während eines Aufenthaltes in einem Krankenhaus oder in einer anderen Gesundheitseinrichtung erworben werden.

Am 1. Tag der Patientensicherheit (Schwerpunkt: „Hygiene und Vermeidung von Infektionen in Gesundheitseinrichtungen“) gibt es eine Reihe von Veranstaltungen; unter anderem am 17. September im AKH Wien; am 18. September laden der KAV und die Plattform Patientensicherheit ins Wiener Rathaus (Vorträge, Infostände und anderes), 10 bis 17 Uhr. Infos: www.tagderpatientensicherheit.at.

Lesenswert: „Grüne Antibiotika. Heilkräftige Medizin aus dem Pflanzenreich. Wirksame Hilfe gegen MRSA und resistente Krankenhauskeime“, Mankau-Verlag, 190 Seiten, 17,50 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2015)

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