Wie das Handy den Schlaf der Jugend stört

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Symbolbild.(c) Bloomberg (Kiyoshi Ota)
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Der Großteil der Jugendlichen nimmt das eingeschaltete Handy mit ins Schlafzimmer, etliche verschicken sogar im Halbschlaf noch SMS. Doch »Bettgefährte« Smartphone und SMS im Schlaf rauben Energie und Gesundheit.

Die Lehrerin beschwert sich über den 13-jährigen Kurt – er ist während des Unterrichts ständig unkonzentriert. Klassenkamerad Till ist stets grantig und fahrig. Und die um ein Jahr ältere Susanne hatte wieder einen leichten Radunfall – den dritten innerhalb kurzer Zeit. Mit schuld daran ist das eingeschaltete Handy im oder neben dem Bett. Es raubt Schlaf, Energie und letztlich Gesundheit.

Ping, ein SMS geht ein. Es ist knapp nach Mitternacht, Kurt war gerade beim Einschlafen. Er nimmt das Handy vom Nachtkästchen. „Bist wo du“ steht da am Display. Was meint Till damit, was soll das? Kurt ist wieder hellwach und anderntags in der Schule müde und unkonzentriert – rund die Hälfte aller Jugendlichen wird durch eingehende SMS regelmäßig nächtens geweckt.

„Mehr als 80 Prozent der jungen Menschen ab dreizehn, vierzehn Jahren nehmen ihr Handy mit ins Schlafzimmer“, sagt Reinhold Kerbl, Schlafmediziner und Facharzt für Kinderheilkunde. „Leider, denn das kostet die Jugendlichen einerseits eine halbe bis eine Stunde Schlaf pro Nacht. Sie schlafen aber nicht nur weniger, sie schlafen auch schlechter. Und das hat eine Reihe von negativen Folgen.“ Das Mobiltelefon ist zur wichtigsten nächtlichen Schlafstörung bei unserer Jugend geworden. Liegt das Handy auf dem Nachtkästchen oder gar Polster, hindert es viele am Einschlafen. Entweder, weil ein SMS kommt, oder weil die jungen Menschen nachschauen, ob vielleicht ein SMS gekommen ist, oder weil sie noch schnell ein SMS schreiben wollen. Und das passiert häufig auch im Halbschlaf. „Sleep Texting“ oder „Sleep Text Messaging“ nennt sich dieses Phänomen, das ein abnormes Schlafverhalten darstellt und häufiger vorkommt als allgemein angenommen. Simsen ist bei der Jugend zum Automatismus geworden, und da wird dann schnell einmal auch traumwandlerisch gesimst. Und freilich: Wer im Halbschlaf SMS schreibt, schreibt oft sinnlose Dinge, wie eben „Bist wo du“ – die Erinnerung ist nach dem Aufstehen weg.

Schlafrhythmus gestört. Aber auch wer nachts nicht unbedingt den SMS-Finger rührt, ist häufig auf Bereitschaftsmodus und schläft mit dem Handy als Bettgefährten schlechter. Kerbl, der am LKH Leoben die Abteilung für Kinder und Jugendliche leitet: „Die Jugendlichen sind nicht wirklich entspannt, unbewusst warten sie darauf, ob nicht doch noch eine Message kommt. Der geistige Tonus ist angespannt, der Schlafrhythmus gestört, die zur Erholung wichtigen Schlafphasen sind unterbrochen.“

Noch ein Faktor stört die nächtliche Ruhe: Auch bei Handys ist der Anteil blauen Lichts relativ hoch, und blaues Licht dämmt bekannterweise die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Weniger störend ist hingegen als Einzelkomponente der Elektrosmog, den ein eingeschaltetes Handy verbreitet. Kerbl hat das mit Kollegen untersucht. „Der Elektrosmog allein ist die unbedeutendste Komponente. Würden die Jugendlichen keine SMS schreiben oder darauf warten, wäre das halb so schlimm.“ Aber mit einem eingeschalteten Smartphone bleiben die Teenager nicht wirklich cool und schlafen schlecht.

Belohnung statt Verbot. Die Folgen sind, wie erwähnt, Tagesmüdigkeit, schlechte Laune, Unkonzentriertheit in der Schule, aber auch auf der Straße, im Verkehr – das Unfallrisiko ist erhöht. Verringert ist hingegen die Stärke des Immunsystems – regelmäßig zu wenig und schlechter Schlaf schwächt unsere Abwehrkräfte, Grippe- und andere Viren haben da leichteres Spiel. Auch die kognitiven Fähigkeiten leiden enorm unter Schlafmangel.

Die wirksamste Lösung: Handy raus aus dem Schlafzimmer. Ein derartiges elterliches Verbot wird vielleicht bei Volksschulkindern fruchten, bei Jugendlichen wird man damit wohl eher nichts erreichen; viel eher schon mit Deals, mit Belohnungsstrategien. „Man könnte eine Shoppingtour oder eine Karte für ein Konzert versprechen, wenn das Handy die nächsten zwei bis drei Monate aus dem Schlafzimmer verbannt wird“, rät der Kinder- und Jugendarzt und meint abschließend: „Abgesehen von den körperlichen gesundheitlichen Auswirkungen reduzieren Handy und Tablet auch echte soziale Kontakte. Und das könnte auf Dauer auch krank machen.“

SCHLAFLOS

Das Handy im Bett ist die wichtigste nächtliche Schlafstörung bei Österreichs Teenagern – es kostet die Jugendlichen pro Nacht eine halbe bis eine Stunde Schlaf. Zudem ist die Schlafqualität schlechter.

Kopfweh. Jugendliche, die häufig das Handy verwenden, haben insgesamt öfter Kopfschmerzen und neigen verstärkt zu Tinnitus (Ohrgeräuschen), ganz abgesehen von Problemen mit dem Daumengrundgelenk.

Auch andere elektronische Medien wie Fernseher, Computer oder Tablets gehören nicht ins Schlafzimmer – sie beeinflussen Schlafdauer und -qualität ebenfalls negativ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2015)

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