Gesund älter werden beginnt im Jetzt

Wer mit 40 oder 50 beginnt, bewusster zu leben, kann gesund alt werden. Noch früher damit zu starten kann freilich nicht schaden.
Wer mit 40 oder 50 beginnt, bewusster zu leben, kann gesund alt werden. Noch früher damit zu starten kann freilich nicht schaden.(c) Bilderbox
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Wer gesund alt werden will, sollte seinen Lebensstil spätestens zwischen 40 und 50 umstellen, sich gesünder ernähren und Schutzimpfungen holen. Das raten zumindest Experten der Biogerontologie.

Ein heute 30-Jähriger hat gute Chancen, 100 Jahre alt zu werden. Geschenkt sind die Jahre freilich nicht, man muss schon selbst etwas dazu beitragen – und auch allerspätestens mit 40, 50 damit anfangen. „Das ist eine kritische Lebensphase, in der wir noch gut intervenieren und präventive Maßnahmen setzen können, um einigermaßen gesund zu altern“, erklärt Beatrix Grubeck-Loebenstein, Leiterin des Forschungsinstituts für Biomedizinische Alternsforschung an der Universität Innsbruck. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die noch relativ junge Disziplin der Biogerontologie, die sich mit den Ursachen biologischen Alterns befasst. „Wir versuchen, die Lebensqualität im Alter zu erhöhen.“

An dem biologischen Alterungsprozess sind die Gene nur zu 30 Prozent „schuld“, zu 70 Prozent sind Umwelt und Lebensstil dafür verantwortlich. „Der Lebensstil, den man mit 40, 50 Jahren pflegt, hat einen großen Einfluss darauf, wie das Alter sein wird. Deshalb sind Menschen dieses Alters auch eine wichtige Zielgruppe der Biogerontologie.“

Aber warum ist gerade das Alter zwischen 40 und 50 so entscheidend? Das Regenerationsvermögen des Körpers lässt bekanntlich nach, und das erwähnte Alter, so die Forscherin, ist eine wirkliche Zäsur. Bis dahin werden laufend neue gesunde Zellen nachproduziert. Dann geht's bergab.

Neue T-Zellen reifen nicht mehr. Besonders betroffen vom Alterungsprozess ist etwa die Thymusdrüse. In diesem Organ reifen T-Zellen (Lymphozyten, die eine wichtige Rolle im menschlichen Immunsystem spielen und die unter anderem Antigene erkennen). Die Thymusdrüse bildet sich jedoch zurück, bis zum 40., 50. Lebensjahr sind die Thymuszellen mehr oder weniger komplett durch Fettgewebe ersetzt. Neue T-Zellen können also nicht mehr reifen. Das ist nicht ganz so schlimm, wie es sich vorerst anhört, denn es sind ja genug T-Zellen im Körper vorhanden, sie können jahrelang in Milz oder Lymphknoten überleben. Und wenn sie rechtzeitig vorstimuliert werden (zum Beispiel durch Impfung) und zu Gedächtniszellen differenzieren, können sie – im Konzert mit anderen Zellen – auch bis ins hohe Alter noch wertvolle Dienste leisten.

Das sogenannte immunologische Gedächtnis, das für den Schutz vor Erkrankungen und die Wirksamkeit von Impfungen sehr wichtig ist, entwickelt sich in jüngeren Jahren besser. „Wer beispielsweise vorhat, nach der Pension viel zu reisen, sollte sich Reiseimpfungen bereits mit 40, 50 holen, dann ist ausreichender Impfschutz im Alter viel eher garantiert“, empfiehlt Grubeck-Loebenstein. „Wer sich aber erst mit 60 erstmals gegen Gelbfieber oder Tollwut impfen lässt, muss mit einer schlechteren Wirkung rechnen.“ Auch mit der Grippeimpfung sollte man möglichst nicht bis 60 warten.

Freilich: Mit einem gesunden Leben kann man nie früh genug beginnen, „aber mit 40 kann man da noch ziemlich viel bewegen, später wird's immer mühsamer.“ Stichwort regelmäßige Bewegung: Wer nicht schon vor dem vierten, fünften Lebensjahrzehnt damit angefangen hat, hat jetzt noch gute Karten, sich mit regelmäßigem Nordic Walking oder Radeln in Richtung gesundes Altern zu bewegen. „Mit 60 oder gar 70 fällt es dann ungleich schwerer, dann können sich erwiesenermaßen nur noch sehr wenige dazu überwinden.“

Das Gleiche gilt auch für das gesunde Essen – mit 60 fällt eine Ernährungsumstellung ungleich schwerer als mit 40. „Wenn ich mit 40 aufhöre, zu viel Alkohol zu trinken, hat die Leber noch eine reelle Chance, sich zu regenerieren. Das ist 20 Jahre später viel, viel schwieriger.“


Soziale Kontakte. Gesunde Ernährung hat aber auch Stolperfallen. Denn nicht alles ist so gesund wie der Ruf, der manchem vorauseilt. So zeigt eine aktuelle Untersuchung der Arbeiterkammer Niederösterreich, dass die ach so gesunden Smoothies oft nicht halten können, was die Werbung verspricht, und mehr Zucker- denn Vitaminbomben sind. „Den höchsten Zuckergehalt haben die offenen Smoothies der Fast-Food-Ketten Burger King und McDonalds. Mit fast 79 Gramm pro 100 Milliliter trinken Konsumenten zum Fruchtmark auch 20 Stück Würfelzucker mit“, heißt es in einer Aussendung. Überraschend sei, so die AKNÖ, dass selbst Gemüse-Smoothies keine Garantie für einen geringen Zuckerwert seien. Der grüne Smoothie von Merkur, der aus Kohl, Gurke, Vogerlsalat und Spinat gemixt wird, enthalte noch immer zwölf Stück Würfelzucker. Viel Zucker aber ist ein Aging-Mittel, das den Alterungsprozess schon beschleunigen kann.

Ganz wichtig für ein gesundes Altern, so Grubeck-Loebenstein, seien auch soziale Kontakte. Einsamkeit kann nämlich auch verschiedenste Krankheiten auslösen. Mit 40 kann man noch Freundschaften aufbauen, mit 60, 70 fällt das vielen immer schwerer. Die Weichen für gesundes Altern sind also spätestens mit 40, 50 zu stellen, die letzte große Chance für gutes Älterwerden.

Alt und gesund

Gesund alt zu werden kann man nicht planen. Einiges kann dabei aber helfen: etwa regelmäßige körperliche Aktivität und gesunde Ernährung. Ebenso soziale und psychische Rahmenbedingungen, wie lebenslanges Lernen, eine erfüllte Partnerschaft, soziale Kontakte oder eine positive Lebenseinstellung. Auch die Gene spielen eine wichtige Rolle.

Diese Faktoren haben einen positiven Einfluss auf den Alterungsprozess:

– gesellschaftliche Faktoren wie Lebensgewohnheiten, Lebensstandard, soziale Verhältnisse, Berufssituation, Bildungsniveau oder die medizinische Versorgung,

– individuelle Faktoren wie der Lebensstil (z.B. Ernährung, Bewegung, Rauchen, Alkoholkonsum), das soziale Verhalten, Stressbewältigung etc. sowie

– genetische Faktoren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2015)

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