Advent – Hochsaison für Sodbrennen

Weihnachtsplaetzchen
WeihnachtsplaetzchenErwin Wodicka - BilderBox.com
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Die Zuckerbombenkekse und Weihnachtspunsch können einen "Sodbrennen-Tsunami" auslösen – auch bei jenen, die sonst nicht darunter leiden.

Jedem sei er vergönnt, der – mitunter – unvermeidliche Weihnachtspunsch auf dem Christkindlmarkt. Allerdings könnte das Süßgetränk manchem sauer aufstoßen: Sehr leicht löst die Zuckerbombe Punsch Sodbrennen aus, ein Brennen, das sich vom Magen bis in den Hals hinter dem Brustbein ausbreitet. Auch Menschen, die im Prinzip gar nicht an einer Refluxkrankheit leiden, kann Punsch dieses Brennen bescheren. „Der Alkohol und die hohe Zuckerkonzentration im Punsch sind echte Trigger für Sodbrennen. Gemeinsam mit Vanillekipferln oder anderen Keksen kann dann so etwas wie ein ,Sodbrennen-Tsunami‘ ausgelöst werden“, sagt Martin Riegler, medizinischer Leiter des Reflux-Medical-Diagnose- und Therapiezentrums in Wien.

Als eine erste akute Gegenmaßnahme empfiehlt der Arzt eine Salatgurke, „mit der Schale genossen, das lindert die Beschwerden rasch“. Viel Wasser zu trinken ist auch hilfreich. Wer Mandeln pur isst und gut kaut, wird meist auch baldige Erleichterung erfahren. Weitere Tipps finden sich in Rieglers Buch „Nie wieder Sodbrennen. Reflux verstehen und in den Griff bekommen“, das er zusammen mit Karin Hönig-Robier geschrieben hat. Die Imbalance des Stoffwechsels durch die permanente Zufuhr von konzentriertem Zucker, so die Autoren, sei einer der Gründe für das Volksleiden Sodbrennen.

Eine Hochsaison für Sodbrennen läutet alle Jahre wieder die Adventzeit ein. Alkohol (Punsch) und Zucker (Weihnachtskekse) sind Säurelocker, der (vorweihnachtliche) Stress tut sein Übriges: „Der Schließmuskel zwischen Speiseröhre und Magen, quasi ein Anti-Reflux-Ventil, ist einer der ganz wenigen Muskeln in unserem Körper, der auf Stress mit Entspannung reagiert“, sagt Internist und Gastroenterologe Marcus Franz. Entspannung heißt in dem Fall aber, dass die Verbindung zwischen Speiseröhre und Magen offen ist – der ätzende Magensaft hat freie Fahrt in Richtung Speiseröhre. „Bis zu zehn Prozent der Tageszeit darf man Reflux haben, das ist normal und noch nicht krankhaft“, so Franz. Einen derartigen Reflux haben mehr oder weniger alle erwachsenen Menschen.

Dauert das aber länger an, kommen die Probleme: vom Sodbrennen (als Leitsymptom) über chronische Heiserkeit bis zu Asthma, trockenem Husten, Zahnschäden, Schluckstörungen, Druck in der Brust und im allerschlimmsten Fall Speiseröhrenkrebs. So weit muss es aber gar nicht kommen, rechtzeitige Therapie kann dem entgegenwirken. Riegler und Hönig-Robier beschreiben in ihrem Buch auch diverse Behandlungsmöglichkeiten – von der Lebensstiländerung (Ernährung, Sport) über Medikamente bis zur Operation.

Strenge Diät

Einer Operation ist Andrea Grossmann gerade noch einmal entkommen. Die Fernsehköchin und Hoteliersfrau aus Pörtschach hatte bereits einen Operationstermin. „Stress und Zeitdruck waren sicher auch daran schuld, dass ich mehr als 20 Jahre an mitunter fast unerträglichem Sodbrennen litt. Ich musste fast jede Nacht zwei-, dreimal aufstehen und ging ohne Medikamente gar nicht mehr außer Haus.“ Knapp vor ihrem Operationstermin lernte sie den Arzt Martin Riegler kennen und befolgte seine Ernährungsempfehlungen. Sie ist heute symptomfrei und braucht keine Medikamente mehr. „Am Anfang war es sicher hart. In der strengen Phase durfte ich weder Zwiebel oder Knoblauch noch Erdäpfel oder Körner essen. Schon bald aber ging es mir besser, und die Diätregeln wurden lockerer. Es ist wirklich faszinierend, wie gut mir diese Kur getan hat.“ Jetzt schreibt Andrea Grossmann gemeinsam mit Riegler ein Kochbuch, das nächstes Jahr im Kneipp-Verlag herauskommen wird. Voraussichtlicher Titel: „Genussvoll essen gegen Reflux und Sodbrennen“.

Genuss beim Essen ist denn auch eine nahezu therapeutische Empfehlung. „Genussvoll essen heißt auch langsam essen“, betont Marcus Franz. Das hastige Essen, eine weitverbreitete Unsitte unserer Zeit, hat zur Folge, dass die Nahrung mechanisch zu wenig zerkleinert wird. „Das reizt die Speiseröhre, denn so rutscht die Nahrung schlechter, das macht aber auch dem Magen Probleme.“ Dazu kommt, dass beim hastigen Essen Luft mitgeschluckt wird, was wiederum den Reflux verstärkt.

„Achtsam und mit Bedacht essen ist ein Weg, Refluxbeschwerden einzudämmen. Generell ist Achtsamkeitstraining eine Möglichkeit, Sodbrennen in den Griff zu bekommen“, sagt Petra Fuss, Verhaltenstherapeutin und Ernährungspsychologin mit Schwerpunkt Reflux. „Reizüberflutung und Leistungsdruck der Jetztzeit, aber auch die durch Hektik bedingte flache Atmung bedeuten negativen Stress für unseren Körper, mehr Cortisol wird ausgeschüttet, mehr Magensäure produziert.“ Wer noch keinen Reflux hat, kann ihn so bekommen, eine bestehende Refluxkrankheit wird verschlechtert. Atem-, Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen, so Fuss, könnten hier wahre Wunder wirken.

„Die Speiseröhre ist der Spiegel der Seele“, bekräftigt auch der Chirurg und Wissenschaftler Riegler. „Hals und Speiseröhre sind von Nerven versorgt, die im Gehirn entspringen. Aber wir sind erst am Beginn, das wissenschaftlich zu verstehen. Es spricht jedoch vieles dafür, dass Emotionen und Sodbrennen miteinander zu tun haben.“

Rezept

Im Frühling 2016 erscheint ein Kochbuch mit Rezepten gegen das Sodbrennen, voraussichtlicher Titel: „Genussvoll essen gegen Reflux und Sodbrennen“. Die Autorin, Fernsehköchin und Hoteliersfrau Andrea Grossmann, hat der „Presse am Sonntag“ vorab ein Rezept verraten.

Pochiertes Filet vom Wildlachs auf Mangold mit Olivenöl-Emulsion:

Salz, 5–6 Pfefferkörner oder etwas geschroteten Pfeffer, Zitronenthymianzweig, 1 Zweig Zitronenverbene, 300 g Mangold, 1 TL Olivenöl, Salz, Pfeffer aus der Mühle, 1 Prise Muskat, 1 EL Olivenöl, 1 Tomate.

Mangold waschen, trocken schleudern und Strunk entfernen. In ca. 4 cm dicke Streifen schneiden. Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und den Mangold darin anschwitzen. Würzen.

½ l Wasser mit den Gewürzen aufkochen lassen. Lachsfilet einlegen und 8–10 min ziehen lassen (nicht kochen), der Fisch sollte innen noch glasig sein. Warm stellen.

Olivenöl mit 1 EL Gewürzfond (Pochierwasser vom Lachs) gut verrühren, eventuell etwas salzen. Tomaten in Scheiben schneiden, mit Mangold und Lachs anrichten, Lachs mit der Olivenöl-Emulsion beträufeln. Mit Petersilie oder Zitronenverbene garnieren.

Wissen

Buchtipp: „Nie wieder Sodbrennen. Reflux verstehen und in den Griff bekommen“, Martin Riegler, Karin Hönig-Robier, Maudrich-Verlag, 160 Seiten, 19,90 Euro.

1,5 Millionen Österreicher leiden unter der Refluxkrankheit (Reflux = das Zurückfließen von Mageninhalt oder -säure in die Speiseröhre).

Ursachen für die Refluxkrankheit sind unter anderem Bewegungsmangel, Übergewicht, ungesundes Ess- und Trinkverhalten (zu viel, zu süß, zu fett, Alkohol, Nikotin) und permanenter Stress.

Infos im Internet:
refluxmedical.com balancehotel.at
internist-franz.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2015)

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