Der Mensch als Honigbiene

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Apitherapeut Antonio Couto im Selbstversuch: Für sechs Monate bestand die Ernährung des Portugiesen aus Pollen, Honig und etwas Gelee Royal. Was hat das mit seinem Körper gemacht?

Pollen, Honig, Bienenbrot und wiederum Pollen. Das waren die Bestandteile seiner Menüs, die hin und wieder mit etwas Obst angereichert wurden. „Es war ein Selbstexperiment“, sagt Antonio Couto. Weil er zeigen wollte, dass Bienenprodukte eine ausreichende Tagesnahrung ohne Nebenwirkungen darstellen. Vor allem aber sollte die Reichhaltigkeit der Bienenprodukte dokumentiert werden.

„Essen wie eine Honigbiene“, so lautete der Titel dieses Experiments, das Couto sechs Monate lang verfolgte und das er Ende Jänner bei der Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Apitherapie vorstellte. Der heute 53-jährige Portugiese hat sich der Apitherapie verschrieben, also der medizinischen Anwendung von Bienenprodukten (lat. apis = Biene). Mit dieser „Bienenkur“ wollte der Apitherapeut aus Lissabon auch zeigen, dass Bienen nur jene Produkte in der Natur aufnehmen, die auch für den Menschen gut sind.

Vor dem Tag eins gab es natürlich zahlreiche Vorbereitungen. Zwei Wochen vor Beginn der Diät stimmte Antonio Couto seinen Körper auf den bevorstehenden Menüplan ein. Er nahm dreimal täglich 20 Gramm Pollen (= Blütenstaub), einen Esslöffel Honig, einen Esslöffel Bienenbrot (bereits eingelagerter und von den Bienen fermentierter Pollen), zehn Tropfen alkoholische Propolislösung (= von den Bienen verarbeitetes Kittharz mit antibiotischer Wirkung) sowie etwas mehr Gemüse und Früchte als normal, dafür aber kein Fleisch und keinen Fisch zu sich.

Energie zum Fliegen

Der Pollen sei das „einzigartigste und am meisten Kraft verleihende Nahrungsmittel in der Natur“, sagt Couto. „Die Bienen benötigen Energie zum Fliegen, und Pollen gibt ihnen diese.“ Der Apitherapeut zitiert Hippokrates, der schon vor 2400 Jahren meinte, dass Pollen zur Langlebigkeit beiträgt. Einigen wissenschaftlichen Studien zufolge, soll eine Grundnahrung aus viel Pollen und etwas Honig die beste Garantie für ein langes Leben darstellen.

Dann suchte Couto den Hausarzt auf, um seinen Zustand mit einem Bluttest zu überprüfen. Der Arzt schüttelte nur den Kopf über „das verrückte Vorhaben“, sei dann aber beeindruckt gewesen, als er sich über die Zusammensetzung des Pollens, über den hohen Anteil an Vitaminen, Eiweißen und Mineralien informierte. Der Bluttest ergab normale Werte, nur der Cholesterinspiegel war überhöht. „Das war Mitte Jänner, da wurde ich über Weihnachten von meiner Familie zu üppig versorgt“, erzählt Antonio Couto.

Der Start erfolgte am 1. Februar. Im Selbstversuch wurde frischer Cistus-Pollen (auch als Rock-Rose bezeichnet) verwendet. Von nun an war der Essensplan genau vorgegeben: zum Frühstück 100 Gramm Pollen, zum Mittagessen 100 Gramm Pollen, zum Abendessen 50 Gramm Pollen. Um den Pollen aufzuspalten, benutzte Couto Frucht- und Gemüsesäfte, manchmal auch Joghurt oder Kefir. Zum Pollen fügte er noch 20 Tropfen Propolisextrakt und einen Löffel Honig hinzu. Dazu kamen täglich zwei Gramm Gelee Royal (Königinnenfuttersaft). Und hin und wieder etwas Obst, Apfel oder frische Erdbeeren.

„Ich habe mich in meinem Leben noch nie so gut gefühlt wie in diesen Tagen und Wochen“, sagt Couto, als er am Beginn des zweiten Monats wieder seinen Hausarzt aufsuchte. Er habe sich energiegeladen gefühlt, zudem habe er um eine Stunde weniger Schlaf pro Nacht benötigt. Die Blutwerte waren bei der zweiten Abnahme wieder normal, auch das Cholesterin sei auf den üblichen Wert gesunken. Weiters hat er fünf Kilo abgenommen, was den Hausarzt, einen beleibten Mann, besonders interessierte. Nach drei Monaten Api-Diät betrug der Gewichtsverlust acht Kilogramm. Nun erbat sich auch der Hautarzt frischen Pollen, um seinerseits abzunehmen.

Der Selbsttest verlief jedenfalls zufriedenstellend, das Wohlbefinden ebenfalls. „Ich erzählte dem Arzt, dass ich mich jeden Tag ausgeruht und stark fühlte, physisch wie psychisch“, so Couto. Wenn er mit Freunden ein Restaurant besuchte, „hat es mir wirklich keine Schmerzen bereitet, dass ich nichts bestellt habe“.

Nach vier Monaten Diät erhöhte Couto den Anteil des Honigs von zwei auf zehn Esslöffel täglich und jenen von Gelee Royal von zwei auf fünf Gramm täglich, um wieder an Gewicht zuzulegen. Die nächsten zwei Monate verliefen weiter positiv. Mit dem 31. Juli war das Experiment beendet. Am 1. Februar brachte Couto 62 Kilogramm auf die Waage, nun, nach sechs Monaten, waren es 56 Kilogramm.

Das Ende der Diät

Gab es nun, am Schluss der Diät, den Wunsch nach einem besonderen Essen? Couto schüttelt den Kopf. „Nein, frischer Pollen ist wirklich eine Supernahrung, die Diät bescherte ein besonderes Gleichgewicht.“ Und es sei ein guter Weg gewesen, ohne Stress und Nebenwirkungen etwas Gewicht zu verlieren.

Noch besser als Pollen wäre Bienenbrot gewesen, dieses habe er aber in der erforderlichen Kontinuität nicht zur Verfügung gehabt. Bienenbrot ist der von den Bienen eingetragene Pollen, den die Bienen verarbeiten und in die Wabenzellen einlegen. Der im Handel übliche Pollen wird den in den Bienenstock einfliegenden Bienen mit einer Pollenfalle abgenommen. Den Selbstversuch hat Couto bereits 2009 durchgeführt. Aber schon seit 1998 nimmt er zum täglichen Frühstück etwas Pollen zu sich, und das bis heute. Seine Empfehlung ist die Einnahme einer Portion Pollen als Zusatznahrung: beim Mann zum Frühstück 50 bis 70 Gramm Pollen, bei der Frau wegen der geringeren Testosteronkonzentration nur 20 bis 40 Gramm. Blütenpollen hat antibiotische Eigenschaften, stärkt das Allgemeinbefinden, steigert die Libido und behindert unter anderem die Entwicklung von Krebs- und Tumorzellen.

Spezialist für Bienengift

Antonio Couto ist als Apitherapeut eigentlich ein Spezialist für Mikrobienenstiche, wobei er der Biene (Arbeiterin) den Giftstachel entnimmt und diesen gleich 20- oder 30-mal an den jeweiligen Akupunkturstellen des Körpers einsetzt. Die Giftinjektion pro Stelle ist minimal und für den Menschen kaum oder gar nicht spürbar.

Steckbrief

Antonio Couto (53) ist Apitherapeut, der sich in Lissabon auf die Behandlung mit Mikrobienenstichen spezialisiert hat.

„Essen wie die Honigbiene“, so lautete sein Selbstversuch, den er während sechs Monaten durchgeführt hat (im Bild: ein Pollengemisch als Mahlzeit). Couto war am 30. und 31.Jänner zu Gast bei der Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Apitherapie in Zell an der Pram (OÖ). ÖGA

Auf einen Blick

Pollen sind je nach der Blütenpflanze unterschiedlich zusammengesetzt. Pollen enthalten Wasser, Eiweiß, Kohlenhydrate und Mineralstoffe.

Gelee Royal ist der Königinnenfuttersaft, den die Arbeitsbienen aus speziellen Drüsen herstellen. Die Inhaltsstoffe sind unter anderem Kohlenhydrate, Eiweiß, B-Vitamine und Spurenelemente.

Heilkraft. Über die therapeutische Heilkraft von Bienenprodukten – Honig, Pollen, Gelee Royal, Propolis, Wachs, Bienengift und Bienenstockluft – informiert die Österreichische Gesellschaft für Apitherapie. www.apitherapie.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)

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