Die Bakterien-Autobahn im nassen Bikini

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THEMENBILD: HITZE/FREIZEIT/SCHWIMMENAPA/PHILOMENA WOLFLINGSEDER
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Warmes Wasser ist ein perfekter Nährboden für Bakterien. Setzt man sich beim Aufenthalt in Österreichs Thermen und Hotelbädern Gesundheitsgefahren aus?

Eine nasse Badebekleidung ist eine mikrobiologische Autobahn, ein willkommener Tummelplatz für Keime, da besteht ein richtiger Saugeffekt“, sagt Mikrobiologe Arno Sorger. Er ist Geschäftsführer des Laboratoriums für Wasseruntersuchungen und Hygiene in Bischofshofen und erstellt seit mehr als 20 Jahren wasserhygienische Gutachten für Wasserbecken und Pools heimischer Thermen und Hotels. „Ein heikles Thema“, meint er. Denn an sich ist warmes Wasser ein guter Nährboden für Bakterien, und die Tatsache, dass sich meist viele Menschen in diesem Nass tummeln, macht die Sache nur komplizierter.

Grundsätzlich gilt: „Im Prinzip kann man in österreichischen Thermen- und Hotelpools unbedenklich schwimmen. Die Situation ist sehr gut, Österreich hat, nicht zuletzt wegen des Bäderhygienegesetzes, ein hohes Niveau hinsichtlich der Hygiene in Schwimmbädern und Thermen.“ Freilich: Schwarze Schafe gäbe es überall, doch eine nasse Badehose oder die Umkleidekabine stellten eine weit höhere Infektionsgefahr dar als das Wasser selbst: „Die Gefahr, dass man sich Keime im Schwimmbad holt, ist sehr, sehr gering.“

Am geringsten ist sie in großen Thermen. Würde da mit dem Wasser etwas nicht in Ordnung sein, gäbe es gleich Hunderte Kranke. „Das kann sich keine Therme leisten.“ Und die Situation in einem Wellness- oder Gesundheitshotel? „Ist im Großen und Ganzen auch sehr zufriedenstellend“, sagt Sorger und hat für alle Hotelurlauber in spe einen Tipp parat: „Wenn es in einem Hotel nach Hallenbad riecht, dann ist Vorsicht geboten.“ Denn es sei nicht das aktive, desinfizierende Chlor, das diesen Geruch verbreite, sondern das Chloramin, also das gebundene Chlor; je besser das Wasser aufbereitet ist, desto weniger Chloramin ist vorhanden. „Zu viel gebundenes Chlor im Wasser ist also ein Zeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist.“ Der Grenzwert liegt bei 0,3 Milligramm pro Liter Wasser. „Fragen Sie den Hotelier nach dem Wert“, rät Sorger. Wenn der Hotelier nichts sagt, hat er wohl einen Grund dazu.

Unappetitlich, aber nicht gefährlich. Apropos Hotelpools: 2007 und 2014 haben Tester des „Relax Guide“ 860 Schwimmbecken in österreichischen Wellnesshotels bewertet und Wassermessungen durchgeführt. Herausgeber Christian Werner: „2007 entsprachen rund 80 Prozent aller kontrollierten Wasserwerte nicht den Hygienestandards.“ Die Ergebnisse waren 2014 deutlich besser. Laut Werner bedeutet die Überschreitung gesetzlicher Grenzwerte nicht gleich Krankheitsgefahr. „Ich bin in den letzten 17 Jahren in mehreren Hundert Hotelpools geschwommen und habe mir ein einziges Mal eine Ohreninfektion zugezogen.“

Auch die unappetitliche Seite der Thermen- und Hotelpoolwässer ist nicht automatisch krankheitserregend. „Wir gehen davon aus, dass jeder Badegast unbeabsichtigt und im Schnitt im Becken 100 Milliliter Harn und ein Gramm Fäkalien hinterlässt“, erzählt Mikrobiologe Sorger. „Aber daran ist meines Wissens noch niemand erkrankt.“ Selbst die Kleinen im Kinderschwimmbecken seien diesbezüglich nicht wesentlich gefährdeter als Erwachsene. Allerdings soll man seinen Nachwuchs immer wieder daran erinnern, nicht zu viel Wasser zu schlucken. Betonung auf zu viel, denn bei zwei Schlückchen geht die Welt nicht unter: Die Magensäure vernichtet viele Keime. Die Gefahr für Kinder läge anderswo: „Die Kleinen bleiben meist zu lang im Wasser, sind dann unterkühlt und deswegen leichter anfällig für Schnupfen oder Husten – und nicht wegen des Wassers. Denn Chlor macht Grippe- oder Erkältungsviren schnell den Garaus.“

Sammelbecken für Keime. Eine echte Infektionsquelle sondergleichen waren hingegen die Wäscheschleudern, in denen man Badehosen getrocknet hat, ein wahrer Tummelplatz für Mikroorganismen. Doch diese Zentrifugen sind heutzutage fast nirgends mehr anzutreffen, weil man erkannt hat, dass sie Sammelbecken für alle möglichen Keime sind.

Hände weg lassen sollte man auch von sogenannten Schwimmtampons. „Sie werden leider immer wieder schwangeren Frauen empfohlen“, bedauert der Gynäkologe Armin Witt, Professor an der Wiener Universitätsklinik für Frauenheilkunde. „Der Rückholfaden sorgt für eine Dochtfunktion und zieht das Chlorwasser weit in die Scheide.“ Chlor aber reize die Schleimhäute. „Das macht zwar noch keine Infektion, aber eine bereits bestehende Infektion oder bakterielle Besiedelung im Intimbereich kommt dann deutlich zum Vorschein.“ Sonst aber, so Witt, empfehle er werdenden Müttern das Schwimmen im Thermalwasser. Es sei entspannend und fördere das Wohlbefinden. „Sauna und Dampfbad sind hingegen eher abzulehnen, denn die Erhöhung der Körpertemperatur ist wehenfördernd.“

Auch vor Sprudelbecken oder Whirlpools wird gewarnt: „Wenn man sich das Wasser auf den Rücken sprudeln lässt, ist nichts dagegen einzuwenden“, sagt Ulrich Zerlauth, Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie, Infektiologie und Tropenmedizin am Klinikum Klagenfurt. „Wenn man sich aber so hinstellt, dass das Wasser in Körperöffnungen sprudelt, kann das zu einer Infektion führen.“ Denn in Wasser und Luft führenden Leitungen, wie sie in Sprudelbecken üblich sind, können sich Pseudomonaden (Nasskeime) festsetzen und einen Biofilm (Schleimschicht) bilden. So geschützt können diese Bakterien sogar mit Chemikalien nur sehr schwer beseitigt werden. Sonst, so Zerlauth, sei das heimische Becken- und Poolwasser aber sicher.

Weniger sicher ist da schon der Liegestuhl, auf den man seine Badehose zum Trocknen hängt. Da tummeln sich jede Menge Keime. „Daher nie ohne Handtuch auf einen Liegestuhl legen“, warnt Sorger. „Und auch nicht mit diesem Handtuch abtrocknen.“

Wer sich einen Fußpilz ersparen will, gehe mit Badeschlapfen und trockne sich die Füße wirklich gründlich ab, ehe er wieder in die Straßenschuhe schlüpft. Werden diese wenigen Regeln beachtet, sind sich alle Interviewten einig, wird ein Thermenbesuch zu einem gesunden Vergnügen.

Die Mediziner abschließend: „Das an und für sich gesunde Schwimmen wird durch die positive Wirkung von Thermalwasser noch gesünder. Aber schon allein das Planschen im warmen Wasser hat positive Effekte auf Körper, Seele und Wohlbefinden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2016)

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