Wie man Darmkrebs am besten erkennt

Gerfried Lexer
Gerfried LexerChristine Pichler
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Es muss nicht immer eine Koloskopie sein: Mit einfachen Stuhltests kann Darmkrebs bereits in der Vorstufe erkannt werden. Kritiker halten dagegen: Nur eine Darmspiegelung sei für die Prävention geeignet.

Die Untersuchung ist unter Patienten gar nicht beliebt: Wer hat schon gern ein 1,70 Meter langes und einige Zentimeter breites Rohr in seinem Körper? Kein Wunder, dass sich viele Patienten vor einer Koloskopie fürchten. Obwohl: Die moderne Darmspiegelung wird sanft und mehr oder weniger schmerzfrei durchgeführt. Der Patient wird vom Arzt in eine Art Dämmerschlaf versetzt. Er spürt wenig – bekommt gar nicht so wirklich mit, was passiert. Dennoch lassen nur rund zehn Prozent der anspruchsberechtigten Österreicher diese Vorsorgeuntersuchung machen.

Die Folgen: An die 5000 Menschen erkranken jährlich an Dickdarmkrebs, rund 2500 sterben Jahr für Jahr daran. Sehr viele könnten noch leben, wenn sie eine Koloskopie hätten durchführen lassen. Manche Ärzte propagieren daher mittlerweile eine Alternative: „Es muss nicht immer der Schlauch sein, es gibt einen anderen effizienten Weg der Vorsorge, bei dem vorerst auch die lästige Vorbereitung, also die Darmreinigung wegfällt“, sagt Gerfried Lexer, Chirurg und Intensivmediziner. Das neue Vorsorgemodell sieht am Anfang ein oder zwei einfache, aber hochwertige Stuhltests vor. Erst wenn einer davon positiv ist, geht es zur Koloskopie. Auf diese Art könne man wahrscheinlich 60 Prozent der infrage kommenden Österreicher eine Darmspiegelung ersparen und dennoch die Fälle von Dickdarmkrebs reduzieren, ist der Arzt überzeugt.

80 Euro für DNA-Test

Für die Erstabklärung sollte ein immunologischer Stuhltest auf Blut verwendet werden. Doch selbst, wenn der Test negativ ist, gibt es noch nicht gleich eine Entwarnung. Zur Sicherheit folgt ein zweiter Stuhltest, mit dem man eine Krebs-DNA erkennen kann. Wird hier ein pathologisches Gen geortet, ist eine Koloskopie unumgänglich. „Der DNA-Test kostet derzeit 80 Euro. Zusammen mit dem Bluttest deckt er 85 Prozent aller Veränderungen auf, die bösartig sind oder werden können“, sagt Lexer.

Ganz anders sieht das Gastroenterologin Monika Ferlitsch, Professorin an der medizinischen Universität Wien und Beirätin für Darmkrebsvorsorge der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie. „Hinsichtlich Krebsvorstufen ist der DNA-Test nicht optimal, er hat da eine Genauigkeit von nur 42 Prozent, das heißt 58 Prozent der Krebsvorstufen werden übersehen. Erst wenn ein Karzinom vorhanden ist, ist der DNA-Test zu 90 Prozent zuverlässig. Aber das sehe ich nicht als Krebsprävention.“

Lexer widerspricht. Die Darmspiegelung, kontert er, sei weniger verlässlich als der DNA-Test. „Mit der Koloskopie sieht man beispielsweise nicht die Hinterseite der Darmfalte, so können laut internationaler wissenschaftlicher Publikationen bis zu 40 Prozent der Pathologien übersehen werden.“ Der Patient wiege sich in Sicherheit, hätte aber möglicherweise Krebs oder eine Vorstufe davon. Erst ein Weitwinkelendoskop könne diese Mängel beheben, „doch damit ist kaum ein Arzt ausgerüstet“.

Doch auch über die Wirkung einer Untersuchung mit dem Weitwinkelendoskop scheiden sich die Geister. „Ich habe so ein Weitwinkelobjektiv ausprobiert und bin nicht wirklich davon überzeugt. Außerdem verteuert das die Untersuchung ungemein“, sagt Friedrich A. Weiser, Gründer der Wiener Gruppenpraxis Medico Chirurgicum, in der monatlich rund 1000 bis 1200 Koloskopien durchgeführt werden. „Bei einer Darmspiegelung bleiben nur sechs Prozent der Polypen unentdeckt, 40 Prozent ist viel zu hoch.“ Lexer hält an der Zahl fest. Sie stamme von einer internationalen Studie aus den USA, den Niederlanden und Israel. Die Probanden seien sowohl mit der herkömmlichen als auch mit der Weitwinkel-Koloskopie untersucht worden. „Ob ein Arzt Polypen entdeckt oder übersieht, hängt vor allem mit der Qualität der Koloskopie zusammen und nicht unbedingt nur mit dem Einsatz des Weitwinkelobjektivs“, entgegnet Monika Ferlitsch.

Kontrolle alle vier Jahre

Krebsvorstufen schlummern übrigens zehn bis 15 Jahre im Körper, ehe aus einem Polypen ein Darmkarzinom wird. „Deswegen sollte die Dickdarmkrebs-Vorsorge nicht wie bisher ab 50, sondern bereits ab 40 erstmals durchgeführt werden. Ein negativer DNA-Test sollte alle vier Jahre kontrolliert werden“, sagt Lexer. Er ist sich sicher, dass diese neue Art der Vorsorge von der Bevölkerung stärker angenommen werde als die jetzige Koloskopie. „Warum soll jemand, der sich gesund fühlt, diese Prozedur über sich ergehen lassen?“, argumentiert er. Sei aber einer der Stuhltests positiv, sehe wohl jeder die Notwendigkeit einer Darmspiegelung ein. „Und dann ist sie ja auch sinnvoll. Ich bin überzeugt, dass man die Zahl der Fälle von Dickdarmkrebs mit der Vorsorge neu um bis zu 80 Prozent senken kann.“ Voraussetzung freilich: Es nehmen genug Österreicher daran teil. Monika Ferlitsch will der neuen Vorsorgevariante nicht so recht trauen, die Koloskopie sei absolut durch nichts zu ersetzen. „Aber ein Stuhltest ist sicher besser als gar nichts“, fügt sie hinzu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2016)

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