Gute Sonne, schlechte Sonne

FEATURE: SONNENBAD AN DER ALTEN DONAU
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Dermatologen warnen vor Hautkrebs durch häufige Sonnenbäder, andere vor einem erhöhten Krebsrisiko durch einen Mangel an Vitamin D.

Fensterglas schützt vor Falten nicht. Denn das hautschädigende UV-A-Licht bahnt sich seinen Weg auch durch Glas. So kann man auch an einem sonnenbeschienenen Arbeitsplatz bei geschlossenem Fenster faltig werden. „Schon das bloße Tageslicht hat einen Anteil an UV-A-Strahlen, die die Hautalterung beschleunigen“, sagt Daisy Kopera, Leiterin des neuen Zentrums für ästhetische Medizin an der Grazer Universitätshautklinik. Sie empfiehlt: „Wie das tägliche Zähneputzen sollte auch die tägliche Verwendung einer Creme mit UV-Schutz selbstverständlich sein.“

Das Falten verursachende UV-A-Licht dringt übrigens tiefer in die Haut ein als UV-B, das bräunt und einen Sonnenbrand verursachen kann. Beide gemeinsam reduzieren und schwächen die sogenannten Langerhanszellen in der Oberhaut, die quasi als Leibwächter fungieren und die Haut vor allem möglicher Unbill schützen sollen. Unter anderem alarmieren sie andere Immunzellen, dass ein Molekül oder Fremdkörper eindringen will. Sind sie jedoch durch UV-Licht geschädigt, können sie diesen Schutz nur noch bedingt bieten.

Jedoch: Es gibt auch einen Schutz für diese Schutzzellen. Unter anderem kann PLE (Polypodium leucotomos), ein Extrakt aus einem in Zentralamerika beheimateten Farn, diese Langerhanszellen und damit das dermale Immunsystem schützen. An der Universitätsklinik Graz haben Forscher Reparaturenzyme identifiziert, die ebenfalls das Immunsystem der Haut stärken und das Hautkrebsrisiko drastisch reduzieren können (PLE und Reparaturenzyme werden bereits in diversen Sonnenschutzmitteln verarbeitet). „Nach ungeschützter Sonnenexposition dauert es rund zehn Tage, bis sich Langerhanszellen so weit erholt haben, dass sie ihrer eigentlichen Aufgabe wieder hundertprozentig nachkommen können“, betont Markus Dawid, Leiter der Dermatologie im Kaiser-Franz-Josef-Spital.

Die positiven Seiten der Sonne

Soll man also Sonnenlicht, das demnach nicht nur Hautkrebs und Falten verursachen, sondern auch der Immunabwehr der Haut einen Dämpfer geben kann, tunlichst meiden? Die Strahlen der Sonne haben zweifellos auch ihre positiven Seiten: Sie steigern nicht nur Laune und Lust auf Sex, sondern beeinflussen auch den Hormonhaushalt und kurbeln vor allem die Produktion von Vitamin D an. Dieses Vitamin – 80 bis 90 Prozent des benötigten Vitamins werden mithilfe von UV-B-Strahlen in der Haut gebildet – darf als Mangelvitamin bezeichnet werden: Fast die Hälfte aller erwachsenen Österreicher und 65 Prozent der über 65-Jährigen weisen einen Mangel auf. Auch viele Kinder sind betroffen.

Das stark erforschte Sonnenvitamin aber wird von der Wissenschaft zunehmend als gesundheitlicher Tausendsassa entdeckt, von dem nicht nur Knochen, Zähne und Muskeln profitieren, sondern auch Herz und Vitalität. Zudem schützt es vor Infekten und soll lebensverlängernd wirken. Es mehren sich auch die Hinweise, dass ein Vitamin-D-Mangel mit einem höheren Krebsrisiko verbunden ist.

Ohne Sonnecreme?

Daher raten viele Experten zur täglichen Sonnenexposition von 15 bis 30 Minuten. Und zwar sogar ohne jedwede Sonnencreme, denn Lichtschutzfaktoren würden verhindern, dass genügend Vitamin D aufgenommen wird. Eine Empfehlung, die wenig überraschend viele Dermatologen und manche Onkologen aufschreien lässt. Jedes zu lange Sonnenbad, argumentieren sie, belaste unser persönliches UV-Konto. Wenn es leer oder gar überzogen ist, steigt das Risiko für Hautkrebs. Kopera: „Sonnenschutzfaktor 15 etwa filtert schon über 90 Prozent der UV-Wirkung. Die restlichen zehn Prozent reichen aus, um genug der Vitamin-D-Vorstufe in die wirksame Form umzuwandeln.“ Anders sieht das der bekannte Vitaminforscher und Endokrinologe Michael Holick (Boston University Medical Center): „Wer auf dem Strand eine Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 30 verwendet, reduziert die Vitamin-D-Synthese in der Haut um 98 Prozent.“

Die Frage „Schmieren oder nicht?“ bleibt also strittig. Tatsache ist allerdings, dass die Zahl der Hautkrebserkrankungen zunimmt. Derzeit sind in Österreich jährlich rund 1600 Menschen von schwarzem Hautkrebs betroffen, vor rund 30 Jahren waren es nicht einmal 500. Und das, obwohl die Verwendung von Sonnenschutzmitteln inzwischen anerkannt ist. „Die meisten Menschen tragen Sonnencremen zu dünn auf“, sagt Dermatologe Dawid. 20 bis 30 Milliliter sollten es sein. Auch mit hohem Sonnenschutzfaktor von 50 werde man braun: „Im Prinzip reichen 18 Prozent der UV-B-Strahlen aus, um die Pigmentierung zu starten.“ Wer Bedenken wegen etwaiger hormoneller Wirkungen durch chemisch-synthetische Lichtschutzfilter hat, kann auf Produkte auf rein mineralischer Basis ausweichen.

Bräune bekommt man übrigens auch im Schatten, weil auch dort immer noch rund 50 Prozent der UV-Strahlung gemessen werden. Im und am Wasser steigt die Strahlung durch Reflexion um bis zu 90 Prozent an. Blasshäutige und Rothaarige sollten sich daher vielleicht auch bei einem Bad im Mittelmeer mit einem T-Shirt schützen – es muss ja nicht gleich Spezialbekleidung mit eingearbeitetem Sonnenschutz sein.

Bei Kindern (und vor allem Babys) ist eine solche durchaus zu überlegen, denn ihre Haut besitzt fast noch keinen Eigenschutz. „Die Hautschäden, die Sonnenlicht an ungeschützter Kinderhaut hinterlassen kann, sind nicht mehr wiedergutzumachen“, sagt Kopera. „Ohne Creme und Kappe soll der Nachwuchs daher keinesfalls der Sonne ausgesetzt werden.“ Aber auch Männern mit schütterem Haar oder Glatze empfiehlt die Hautärztin eine Kopfbedeckung. Andernfalls steige die Gefahr für die Entwicklung von Krebs am kahlen Haupt signifikant an.

Und wie verhält es sich mit der Wasserfestigkeit von Sonnenschutzmitteln? Kopera: „Cremen und Öle werden ja im Badewasser getestet, sind also schon bis zu einem gewissen Grad wasserfest. Wer sich allerdings nach dem Schwimmen abtrocknet, hat den Sonnenschutz im Badetuch.“ Auch Schwitzen mindert die Wirkung von wasserfester Sonnencreme.

Soll man nun sonnenbaden oder nicht? Eine Antwort haben nun Forscher der Karolinska Universitätsklinik zu bieten. Sie analysierten die Daten von fast 30.000 schwedischen Frauen, die über 20 Jahre beobachtet wurden. Das Ergebnis in Kürze: Sonnenanbeterinnen lebten grundsätzlich länger als Sonnenabstinenzlerinnen. Die Sonnenliebhaberinnen starben auch viel seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und zum Erstaunen aller fand man auch heraus: Nichtraucherinnen, die die Sonne mieden, hatten keinen gesundheitlichen Vorteil gegenüber Raucherinnen, die häufig in der Sonne waren.

Sonne ohne Reue

Die neue Krebshilfebroschüre „Sonne ohne Reue“ informiert ausführlich über alle wichtigen Aspekte zum richtigen Umgang mit der Sonne. Sie liegt ab sofort in allen Apotheken auf und ist auch bei der Krebshilfe erhältlich.

Internetadressen: www.krebshilfe.net, www.sonneohnereue.at

Hinweis: „360 Grad“ von Norbert Rief erscheint wieder am 26. Juni 2016.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2016)

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