Wie gefährlich ist Zika?

A 4-month-old baby born with microcephaly is held by his mother in front of their house in Olinda
A 4-month-old baby born with microcephaly is held by his mother in front of their house in OlindaREUTERS
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Nach den Olympischen Spielen in Brasilien wird die Zahl der Infektionen mit dem Zika-Virus in Europa mit hoher Wahrscheinlichkeit ansteigen.

Am heutigen Sonntag enden die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro. Da dort das Zika-Virus stark verbreitet ist, werden etliche Brasilien-Besucher mit hoher Wahrscheinlichkeit infiziert heimkehren. Europa ist bisher weitgehend verschont geblieben, aber kürzlich haben Zika-Experten auf einem Neurologenkongress in Kopenhagen gewarnt, dass sich Europa für die zunehmende Globalisierung der Zika-Infektion rüsten muss.

Jetzt und noch bis Oktober gibt es allerdings eine kleine Verschnaufpause auch in den derzeit am stärksten betroffenen Ländern Mittel- und Südamerikas, wie etwa auch im Süden Floridas. Dort ist jetzt Winter, und damit sinken die Temperaturen ein wenig, vor allem die Niederschläge gehen zurück. „Das bedeutet, dass auch die Mückendichte abnimmt und die Übertragungen seltener werden“, erklärt Tropenexperte Herwig Kollaritsch, Leiter des Zentrums für Reisemedizin in Wien.

Steckmückenüberwachung

Kollaritsch' Aussage nach sei eine Ansteckung mit dem Zika-Virus für Österreicher aber nur bedingt ein Problem. Denn die Weitergabe dieser Flavivirusinfektion ist nur dort in größerem Ausmaß möglich, wo die beiden Mückengattungen Aedes aegypti und Aedes albopictus vorkommen – ohne Überträgermücken gibt es kaum Erkrankungen (mit Ausnahme von sexueller Übertragung).

„Wenn also ein Zika-Infizierter nach Österreich kommt, ist das bedauerlich für ihn, aber der Rest Österreichs muss sich nicht vor einer Ansteckung in großem Rahmen fürchten, maximal der Sexualpartner“, sagt Kollaritsch. In Österreich wird übrigens seit 2011 eine Stechmückenüberwachung von der Ages (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) durchgeführt. Das Zika-Virus wurde bisher noch nie nachgewiesen. Anders ist die Situation hingegen etwa in Italien oder Spanien, wo erwähnte Mückengattungen sehr wohl schon aufgetreten sind.

Apropos Italien: Ein Italiener dürfte sich in Haiti mit dem Zika-Virus infiziert haben. Ein Test wies das Virus in Urin, Sperma und Speichel nach. So weit, so nicht ungewöhnlich. Erstaunlich jedoch: Bei einem weiteren Test, etwa ein halbes Jahr später, war das Virus nicht mehr in Speichel und Urin, aber noch im Sperma nachweisbar. Gut, dass der 30-Jährige beim Verkehr mit seiner Frau in dieser Zeit stets Kondome benutzt hatte. Bekannt ist: Eine Infektion mit dem Zika-Virus ist an und für sich harmlos. Die Hauptsymptome – Fieber, Muskel – und Gliederschmerzen sowie Hautausschläge – halten meist nur wenige Tage an, Spätfolgen sind nicht die Norm. Wohl deswegen wurde eine Infektion mit dem Zika-Virus jahrzehntelang weder von Ärzten noch von Patienten ernst genommen. Das Virus wurde immerhin bereits 1947 erstmals bei einem Affen aus dem Zika-Wald in Uganda identifiziert. Im heurigen Februar jedoch hat die WHO den weltweiten Gesundheitsnotstand ausgerufen.

Denn das Virus ist doch nicht ganz so harmlos wie gedacht. Zunächst einmal für Schwangere nicht – es besteht, wie „Die Presse am Sonntag“ bereits berichtete, die Gefahr schwerer Schädelmissbildungen bei Neugeborenen (Mikrozephalie, die Kinder werden mit einem besonders kleinen Kopf geboren; Folgen können geistige Behinderung und andere schwerwiegende neurologische Schäden sein). In New York etwa ist seit April eine Infektion mit dem Zika-Virus bei 50 Schwangeren diagnostiziert worden, im Juli wurde in Spanien das erste Baby mit einer Mikrozephalie in Europa geboren, in Texas ist ein Säugling kurz nach der Geburt an den Folgen der Infektion gestorben. Laut Forscher könnten Zehntausende von Kindern mit einer solchen Missbildung auf die Welt kommen. Mikrozephalie und andere Missbildungen von Föten, die mit einer Zika-Infektion in Verbindung stehen könnten, wurden mittlerweile in 13 Ländern registriert. Im Mai waren es „erst“ acht Länder. Das Universitätsspital in Lausanne ist derzeit dabei, ein weltweites Register für Schwangere mit dem Zika-Virus auszuarbeiten. Man hofft, dadurch das Virus besser verstehen und einbremsen zu können.

Nervenleiden mit Atemstillstand

Seit Kurzem ist erst bekannt, dass das Zika-Virus auch noch auf andere Weise bedrohlich werden kann: In Ländern, wo sowohl das Zika- als auch das Dengue-Virus vorkommt (vor allem Mittel- und Südamerika, Südostasien), gibt es immer öfter schwerere Verläufe einer Zika-Infektion – und zwar bei Menschen, die bereits mit dem Dengue-Fieber-Virus infiziert worden sind. Bei ihnen treten dann häufig neurologische Komplikationen wie das sogenannte Guillain-Barré-Syndrom auf. Dabei handelt es sich um ein neurologisches Leiden, bei dem das Immunsystem die Nerven angreift. Es kann zu einzelnen Nervenentzündungen kommen, zu Lähmungen der Gliedmaßen, aber auch zu einer generalisierten neurologischen Erkrankung mit Atemstillstand. Etwa ein Fünftel der Patienten behält Funktionsausfälle zurück, die Sterblichkeit beträgt durchschnittlich fünf Prozent.

Der Grund für solche Komplikationen? „Das Dengue- und das Zika-Virus sind verwandt und zu 60 Prozent genetisch identisch. Menschen mit einer Dengue-Virusinfektion tragen entsprechende Antikörper in sich. Diese Antikörper besetzen nun zwar das Zika-Virus, können es aber nicht neutralisieren“, erklärt Kollaritsch. Der Organismus erkennt den Dengue-Verwandten also nicht, das Zika-Virus kann sich demnach ungehemmt vermehren und sein schädliches Werk vollbringen. Bis das Immunsystem dann endlich auf die andere Infektion reagiert, hat das Virus oft schon großen Schaden angerichtet.

Emsige Impfforschung

Gegen das Dengue-Fieber gibt es eine Impfung, die allerdings nur dann infrage kommt und wirkt, wenn bereits eine Dengue-Infektion vorausgegangen ist. An einer Impfung gegen Zika wird weltweit gearbeitet. Unter normalen Umständen dauert es aber rund zehn Jahre bis zur Zulassung eines Impfstoffes. Baut man aber, wie es einige Pharmafirmen machen, auf verfügbare Impfstoffe auf, könnte es rascher gehen. Dennoch bleibt ein Riesenproblem. Gefährdet sind ja vor allem Ungeborene – und wer wird einen Impfstoffkandidaten an Schwangeren testen wollen?

ÜBERTRAGUNG

Das Zika-Virus wird durch Mücken und Geschlechtsverkehr übertragen.

Aktuell breitet sich das Virus vor allem in Mittel- und Südamerika aus. Die Überträgermücke ist aber in allen tropischen und einigen subtropischen Gebieten der Welt verbreitet, weitere Ausbrüche drohen.

In Europa ist die Möglichkeit einer Übertragung nicht ausgeschlossen, da die Asiatische Tigermücke in einigen Ländern heimisch geworden ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2016)

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