Was bei Seekrankheit hilft

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Australia New South Wales Maroubra beach in the evening PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY GOAF0imago/Westend61
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Wem beim Segeltörn schlecht wird: Kautabletten mit Vitamin C helfen. Ob das Vitamin auch bei Übelkeit nach einer Operation wirkt, wird jetzt getestet.

„Jahrelang habe ich unter der Seekrankheit gelitten, bei etwas höherem Wellengang war mir dauernd schlecht“, berichtet Judit Lehninger, eine begeisterte Seglerin – trotz wiederkehrender Übelkeit auf dem Wasser. Antihistaminika, die dagegen helfen sollen, wollte Lehninger, von Hauptberuf Anästhesistin am Orthopädischen Spital Wien Speising, aber nie nehmen, „weil man davon müde wird“. So fand sich die segelnde Medizinerin mit ihrem Schicksal so gut es ging ab – bis sie den Arzt und Professor Reinhart Jarisch kennenlernte. Jarisch, einer der führenden Allergologen Österreichs und stellvertretender Leiter des Floridsdorfer Allergiezentrums, empfiehlt Vitamin C gegen die Seekrankheit und zwar in Form von Kautabletten.

Test mit deutscher Marine. Sein „Geheimrezept“ basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen: Jarisch hat mit der deutschen Marine eine Studie dazu gemacht, die 2014 im „Journal of Vestibular Research“ veröffentlicht wurde. „70 Probanden mussten 20 Minuten auf einer Rettungsinsel in einem riesengroßen Schwimmbecken, in dem ein Meter hohe Wellen erzeugt wurden, aushalten. Das ist ziemlich brutal.“ Die Hälfte der Studienteilnehmer erhielt Vitamin-C-Kautabletten, die anderen 50 Prozent bekamen Placebos, am nächsten Tag war es umgekehrt. Die Studie zeigte deutlich eine Überlegenheit von Vitamin C, das die Übelkeit relativ rasch linderte. Allerdings: Am zweiten Tag ging es allen Probanden besser, egal was sie nahmen. Jarisch: „Das spricht für einen Gewöhnungseffekt, der tritt in der Regel am zweiten oder dritten Tag ein.“

Besonders bei Frauen und Kindern. Judit Lehninger hat sich trotz mehrfacher Segeltörns nicht an stürmische Wellen gewöhnt. „Aber seit ich Vitamin-C-Kautabletten lutsche, kenne ich keine Übelkeit mehr. Auch meinem Mann und meinem zehnjährigen Sohn helfen sie.“ Bei Kindern und Frauen wirkt Vitamin C übrigens besonders gut.

Wie Vitamin C der Übelkeit auf dem Wasser entgegenwirkt? Dazu vorerst ein kleiner Schwenk zur Entstehung der Seekrankheit: Unser Gehirn kann die Eindrücke der Augen nicht mit der Bewegung des Körpers vereinbaren. Die Augen sehen einen statischen Raum (Kabine, Speisesaal), der Körper jedoch fühlt die Bewegung auf dem Wasser, das Gleichgewichtsorgan ist irritiert. Diese widersprüchlichen Informationen führen zu Stress, Histamin wird in größeren Mengen ausgeschüttet – mit eine Ursache für die Seekrankheit, zu deren ersten Symptomen Gähnen und Müdigkeit gehören. Dann folgen unter anderem Schweißausbrüche, Pulsanstieg, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. „Vitamin C kann dies unterbinden, denn es baut Histamin ab“, weiß Jarisch. Am besten eignen sich dafür Kautabletten. „Denn Vitamin C wirkt am schnellsten, wenn es über die Mundschleimhaut zugeführt wird.“ Vitamin-C-Brausepulver helfe auch, aber nicht so rasch und effektiv.

Ein ähnlicher Mechanismus wie bei der Seekrankheit dürfte dahinterstecken, wenn – was häufig vorkommt – Kindern auf Rücksitzen im Auto schlecht wird. Jarisch: „Auch hier helfen Vitamin-C-Kautabletten.“ Und sie wirken auch dann noch, wenn einem bereits übel ist – zum Unterschied von Antihistaminika, die man Stunden zuvor einnehmen muss.

Wirkt das Vitamin auch bei der Schwangerschaftsübelkeit? Dazu gibt es nur eine sehr kleine Studie mit 19 Frauen, die an der Fachhochschule Wiener Neustadt durchgeführt wurde. Das Ergebnis ist zwar bestechend: Trotz Unterdosierung wirkte Vitamin C bei 13 von 19 Schwangeren, aber für die handfeste Empfehlung, werdende Mütter sollten zu Vitamin C greifen, war die Studie zu klein.

Größer ist eine Studie am Orthopädischen Spital Speising angelegt, durch die herausgefunden werden soll, ob Vitamin C auch Übelkeit nach einer Operation bekämpfen kann. „Eines wissen wir heute schon“, sagt Anästhesistin Lehninger: „Patienten, die nach einer Operation an Übelkeit und Erbrechen leiden, werden größtenteils auch seekrank.“ Bekannt ist ferner, dass gewisse Medikamente, die bei der Einleitung einer Operation gegeben werden, Histamine freisetzen, „deswegen ist vielen danach auch schlecht“.

Die Studie, an der 340 Patienten teilnehmen, ist eben angelaufen, ein Drittel der Probanden erhält Vitamin C, ein weiteres Drittel Placebo, der Rest Antihistaminika. Ausgeschlossen wurden rauchende Männer, die noch nie an einer Seekrankheit gelitten haben. „Bei denen ist Übelkeit nach einem chirurgischen Eingriff mehr oder weniger auszuschließen.“ Das Ergebnis der Studie wird in etwa einem Jahr vorliegen. Bekannt ist jetzt schon, dass Vitamin C die Wundheilung fördert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2016)

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