Die Welt zwischen den Gelenken

Arthroskopie
Arthroskopie(c) Imago
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Neue Technik ist die Arthroskopie keine, sie wurde bereits vor hundert Jahren erfunden - aber immer wieder verworfen.

Die Pioniere der Arthroskopie wollten ursprünglich nicht operieren, sie wollten einen Blick in die Gelenke werfen. Genau genommen waren es anfangs Kniegelenke, die sie endoskopierten, spiegelten, um den Ursachen von Entzündungen auf den Grund zu gehen oder ihre Diagnosen abzusichern. Der dänische Chirurg Severin Nordentoft beschrieb bereits 1912 die erste Spiegelung eines Knies und prägte damit als Erster den Begriff Arthroskopie, schrieb das Schweizer Magazin „Swiss Med“ im Jahr 2012. Mit seiner „Bastelarbeit“ konnte er auch Blasenspiegelungen durchführen. Zehn Jahre später führte Eugen Bircher, Chefarzt in Aarau, die erste klinische Arthroskopie durch und publizierte darüber. Er arbeite mit einem einfach gebauten Jacobaeus-Laparoskop mit einer Seitblickoptik von 90 Grad. Aufgrund der technischen Mängel und der schlechten Sicht wandte er sich aber bald von der Methode ab.

Wieder zehn Jahre später experimentierten Michael Burman in den USA und Kenji Takagi in Japan und andere mit neuen schrägen Optiken und hatten etwas mehr Erfolg. Fast alle stellten ihre Bemühungen aber ein, die Instrumente waren zu schlecht entwickelt. Erst Ende der Sechzigerjahre setzte sich die Methode dank Kaltlichtbeleuchtung und Stablinsenoptik durch. Die Fotografien aus dem Inneren waren aber noch immer unscharf. Das Gelenk wurde mit CO2 gefüllt, um den Raum zu vergrößern. Die Sicht war auch hinsichtlich der Sterilität lang ein Problem. Damals machte das Auge des Chirurgen die Beobachtung, nicht die sterile Kamera wie heute. Ende der Siebziger wurde noch mit einer schweren Röhrenkamera, die von der Decke hing, gearbeitet. Sosehr die Methode in den Folgejahren technisch weiterentwickelt wurde, sosehr sie sich als Operationsmethode (anfangs für verletzte Menisken) etablierte, es blieb die Ablehnung vieler Chirurgen und Orthopäden. „Wieso durch das Schlüsselloch schauen, wenn man auch die Tür öffnen kann“, so lautete der Konsens, der sich immerhin nur mehr an sehr wenigen Stellen bis heute hält. Seit der Entwicklung der Chipkamera konnte der Eingriff jedenfalls endlich steril durchgeführt werden. Die Instrumente wurden feiner, flacher und motorisierter. Mittlerweile werden diverse Regionen vom Kiefer bis zum Sprunggelenk arthroskopisch behandelt. Im Vergleich zu offenen Operationen hat der Patient kleinere Wundflächen, ein kleineres Infektrisiko, einen kürzeren Klinikaufenthalt und weniger Schmerzen.

Das diagnostische Motiv ist statistisch gesehen aber in den Hintergrund gerückt. 2015 wurden in den österreichischen Krankenanstalten 5952 arthroskopische Operationen des Schultergelenks (zum Vergleich: 611 diagnostisch) und 38.747 Operationen des Kniegelenks (1136 diagnostisch) durchgeführt. Die Gesamtzahl der Arthroskopien ist in den vergangenen Jahren minimal gesunken. Waren es 2011 noch 83.449 Fälle, belief sich die Zahl 2015 auf 79.741 Fälle (Quelle: Gesundheit Österreich GmbH).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2017)

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