Mammografie-Screening: Kritik an Teilnahme und Dokumentation

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung und die häufigste Krebstodesursache bei Frauen
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung und die häufigste Krebstodesursache bei FrauenAPA (BARBARA GINDL)
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Über ein Drittel der Kernzielgruppe haben in den vergangenen zwei Jahren am Mammografie-Screening teilgenommen, damit ist man von der geforderten Rate weit entfernt. Deutliche Kritik gibt es an der Durchführung des Programms.

Anfang 2014 wurde das österreichische Brustkrebs-Früherkennungsprogramm ("Mammografie-Screening") gestartet. Nun liegt der erste offizielle Evaluationsbericht der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) für 2014/2015 vor. Nur 37 Prozent bis höchstens 54 Prozent der Kernzielgruppe der Frauen zwischen 45 und 69 Jahren haben in den beiden Jahren an dem Früherkennungsprogramm teilgenommen. "In Österreich erkrankten im Jahr 2012 5521 Frauen und 73 Männer neu an Brustkrebs. (...) Im selben Zeitraum verstarben 1529 Frauen und 20 Frauen an Brustkrebs. (...) Brustkrebs ist damit die häufigste Krebserkrankung und die häufigste Krebstodesursache bei Frauen", schreiben die Autoren der GÖG-Untersuchung im Auftrag des Gesundheitsministeriums.

Zweijährige Kontrolle

2003 erließ der Rat der Europäischen Union eine Empfehlung, organisierte Mammakarzinom-Früherkennungsprogramme in allen Mitgliedsländern zu etablieren. Diese von vielen Fachleuten vehement geforderte Maßnahme wurde in Österreich erst mit Start 2014 umgesetzt: Einladung bzw. Freischaltung der E-Card für diese Untersuchungen für alle Frauen zwischen 45 und 69 Jahren im zweijährigen Abstand, Frauen von 40 bis 44 und ab 70 Jahren können teilnehmen. Es gibt Erinnerungen alle zwei Jahre. Die Mammografieuntersuchungen werden in eigens zertifizierten knapp 190 Radiologenordinationen durchgeführt. Überweisungen durch Hausarzt oder Gynäkologen gibt es nur noch für "kurative" Mammografien bei entsprechender medizinischer Indikation (Verdachtsfall etc.). Alle Untersuchungen durchlaufen zwei Befundungen durch zwei Radiologen. Wenn notwendig, erfolgt auch eine Ultraschalluntersuchung der Brust gleich beim ersten Mammografie-Termin (zu 64 Prozent bisher). Parallel dazu gibt es eine umfangreiche Dokumentation bei den Radiologen.

Kritik am Programm

Das Programm stand zu Beginn in zum Teil heftiger Kritik: vor allem, weil die Zuweisungen von Gynäkologen und Hausärzten für die Brustkrebs-Früherkennungsuntersuchung wegfielen. Die Freischaltung der E-Cards für die Frauen in der Kernzielgruppe (und für jene außerhalb, die sich dafür interessierten) brachte hier eine deutliche Besserung. Der Vorstand der Wiener Universitäts-Frauenklinik, Peter Husslein, kritisierte zusätzlich beispielsweise das Prozedere, wie er als Gynäkologe eventuell zu dem entsprechenden Befund seiner Patientinnen kommen könne. In der internationalen Literatur gehen die Wissenschaftler davon aus, dass bei einer Beteiligung von 70 Prozent der infrage kommenden Frauen die Brustkrebs-Mortalität längerfristig um rund 30 Prozent gesenkt werden könnte.

Deutliche Kritik gab es aber nicht nur zu Beginn, sondern auch an der tatsächlichen Durchführung des Programms. Es sei derzeit kaum möglich, die Ergebnisse zu analysieren. Nichts sagen könne man darüber, ob nunmehr in Österreich mehr Mammakarzinome im Frühstadium (höhere Heilungschancen, weniger invasive und belastende Therapien) als zuvor entdeckt wurden. So schreiben die Experten der Gesundheit Österreich GmbH: "Keinesfalls zufriedenstellend sind der Dokumentationsstand von Abklärungsuntersuchungen (bildgebend in Form von weiteren Mammografie-, Ultraschall- oder MR-Untersuchungen, invasiv in Form von Biopsien) bzw. die Tumordokumentation. Für 74,6 Prozent der aus den Ergebnissen der Früherkennungsuntersuchungen erwartbaren Abklärungsuntersuchungen der Jahre 2014 und 2015 fehlt jede weiterführende Dokumentation. Es ist daher nicht möglich, maßgebliche und international in Brustkrebs-Früherkennungsprogrammen verwendete Indikatoren zur Messung der Prozess- und Ergebnisqualität zu berechnen."

Bei der Durchsicht des Reports fällt auch auf, dass es offenbar keine Angaben über die Beteiligung von Frauen aus unterschiedlichen sozialen Schichten gibt. Das Programm hatte ja postuliert, besonders sozial benachteiligte und quasi medizin-ferne Frauen vermehrt zur Teilnahme am Mammografieprogramm zu bringen. In sozial besser gestellter Situation haben die Frauen wahrscheinlich in den Jahren vor der Einführung des Programms die Mammografie überproportional frequentiert.

Teilnahmerate könnte steigen

Die Beteiligungswerte waren generell auch noch zu niedrig. "36,8 Prozent von Frauen aus der Kernzielgruppe gemäß Bevölkerungsstatistik 2015 nahmen innerhalb der ersten Screening-Runde (2014 und 2015) am Programm teil. Dieser Wert entspricht nur etwas mehr als der Hälfte jener von den europäischen Leitlinien geforderten Teilnahmerate (70 Prozent) und erscheint daher wenig zufriedenstellend", schreiben die Experten. International hätten aber in den ersten Programmjahren auch vergleichbare Initiativen mit den Frequenzen zu kämpfen. Pro Jahr dürften nunmehr allerdings jeweils um zehn Prozent mehr Frauen in Österreich zu ihrer ersten Mammografie gehen als vor dem Programm.

Insgesamt wurden in den beiden Jahren in Österreich 1,185.115 Millionen Brustuntersuchungen durchgeführt. 642.314 entfielen auf echte Früherkennungstests im Rahmen des Programm. Hinzu kamen 635.080 "kurative", also von Ärzten direkt wegen Verdachtsmomenten etc. angeordnete Brustuntersuchungen bei Radiologen. Nimmt man diese Untersuchungen hinzu, könnte die Rate der Beteiligten in der Kernzielgruppe maximal bis zu knapp 54 Prozent betragen, liegt aber mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwo dazwischen.

(APA)

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